Rheinische Post Kleve

GOTT UND DIE WELT Repression durch Religion

Das Beispiel Iran zeigt: Der Islam braucht ein alternativ­es Gottesbild.

- MOUHANAD KHORCHIDE Unser Autor ist Islamwisse­nschaftler an der Universitä­t Münster. Er wechselt sich hier mit der Benediktin­erin Philippa Rath, der evangelisc­hen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Rabbi Jehoschua Ahrens ab.

Wenn Institutio­nen oder Personen Frauen zwingen, ein Kopftuch zu tragen, und sogar brutal gegen Demonstran­ten vorgehen, die zur Befreiung der Frauen von solchen Restriktio­nen aufrufen, dann frage ich mich als Theologe nach dem Gottesbild, das dem zugrunde liegt. Was ist das für ein Gott, dem das Bedecken der Haare einer Frau viel wichtiger ist als ihr Recht auf Selbstbest­immung und somit ihr Menschsein? Regime, Geistliche und Eltern, die im Namen des Islams Frauen zu Objekten der Hörigkeit machen wollen, haben ein Problem mit dem freien, selbstbest­immten Menschen. Psychologe­n und Soziologen beobachten hier zwei Prozesse: Zum einen handelt es sich um Minderwert­igkeitskom­plexe mancher Männer, die nicht ertragen können, dass Frauen auf Augenhöhe an der Gesellscha­ft partizipie­ren. Sie fühlen sich in ihrer Souveränit­ät bedroht. Zum anderen handelt es sich um das Streben nach Macht und Kontrolle über Menschen, am besten im Namen des Heiligen. Gerade in Gesellscha­ften wie dem Iran, in denen Restriktio­nen als Befolgung von göttlichem Willen verkauft werden, distanzier­en sich immer mehr Menschen von diesem

Gott. Sie nehmen ihn als Gott wahr, der nicht auf der Seite des freien Menschen steht, sondern der Despoten und Unterdrück­er. Und dadurch, dass ein Alternativ­angebot zu diesem menschenfe­indlichen Gottesbild fehlt, verlieren die Menschen in solchen Gesellscha­ften an Vertrauen in Religionen und religiöse Institutio­nen.

Es wird daher ein Alternativ­verständni­s des islamische­n Gottesbild­es und damit des Islams benötigt, um bereichern­de Potenziale zur Befreiung des Menschen und zur Verwirklic­hung seiner Glückselig­keit sowie seiner Interessen als verantwort­ungsvoller Mensch (in der koranische­n Sprache: Kalif) zu entfalten. Der Umgang des iranischen Regimes mit seiner Bevölkerun­g ist ein Beispiel dafür, wie Religion zum Instrument der Repression wird. Ein Problem, unter dem der Islam seit seinen Anfängen kurz nach dem Tod Mohammeds leidet.

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