Ein EU-Gipfel gegen Scholz
Die Mitgliedstaaten fürchten, dass Deutschlands 200-Milliarden-Euro-Paket den Wettbewerb verzerrt.
PRAG An den Anfang des EU-Gipfeltages stellt Bundeskanzler Olaf Scholz den Schulterschluss. Er kommt nicht alleine über den roten Teppich zur Prager Burg, sondern zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte. Die drei haben sich gerade bemüht, eine europäische Denkfabrik auf den Weg zu bringen. Diese könnte sich dann als erstes damit befassen, wie es einem einzelnen EU-Gipfelteilnehmer gelingt, die meisten anderen in kürzester Zeit gegen sich aufzubringen. Scholz hat es geschafft.
Das zeigt sich bereits wenig später auf dem offiziellen Gruppenbild. Der Deutsche, mit 170 Zentimetern ohnehin nicht zu den körperlich herausragenden Politikern zählend, ist in der letzten Reihe gelandet, verschwindet fast aus der Wahrnehmung wichtiger Europäer. Es kann auch als Symbolbild für diesen Gipfel dienen, in dessen Vorfeld sich viele andere Nationen bereits auf das 200-Milliarden-DoppelwummsProjekt von Scholz einschossen. Kurz vor Beginn des informellen Gipfels wechselte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Lager der Kritiker und betonte, dass Wettbewerb „nur durch Qualität, nie durch Subventionen“geschehen dürfe. Denn das ist die übereinstimmend verbreitete Befürchtung:
Wenn Deutschland mit seinen 200 Milliarden nicht nur deutschen Familien, sondern auch deutschen Firmen in der Krise unter die Arme greift, bedeutet das automatisch einen Wettbewerbsnachteil für die Unternehmen in den kleineren Staaten, die sich solche Summen bei Weitem nicht leisten können.
So wächst der Druck auf Deutschland, um bei Scholz den Widerstand gegen einen europäischen Gaspreisdeckel zu brechen. Scholz will da nicht ran. Er wiederholt bei den internen Beratungen immer wieder das doppelte Ziel: Erstens müssen die Energiepreise runter, aber zweitens darf dabei die Versorgungssicherheit nicht gefährdet werden. Aus seiner Sicht droht ein Engpass in der EU, wenn die verbliebenen Lieferanten anderswo mehr für ihr
Gas bekommen. Deshalb müsse mehr mit Lieferländern wie den USA und Norwegen gesprochen werden. Intensiv haben die deutschen Diplomaten im Vorfeld versucht, den Ansatz des 200-Milliarden-Paketes den Partnern zu vermitteln, so wie Scholz nun erneut.
Die Botschaft scheint beim Gipfel in Prag noch keine Wirkung entfaltet zu haben. Auf dem Tisch liegt bereits ein gemeinsamer Vorschlag von Polen, Italien und Griechenland, die einen „dynamischen Preiskorridor“für Gas in der EU einführen wollen. Beim Hineingehen markiert Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins vor den Kameras: „Es wäre großartig, wenn eine Preisobergrenze für Gas erreicht werden könnte.“Und drinnen legt sich auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola fest. Sie bezeichnet den Gaspreisdeckel als „zwingend“.
Nach dem Gipfel nimmt Scholz das Wort nicht einmal in den Mund. Er spricht lediglich von „Ideen“, die „sehr vielfältig“seien. Das alles müsse nun durchgerechnet und geprüft werden, bevor es erst beim nächsten Gipfel in Brüssel in zwei Wochen – vielleicht – zu Entscheidungen komme.
Nur bei seinem 200-MilliardenDoppelwumms (nun bevorzugt er „Schutzschirm“) bleibt der Kanzler eisern. „Was Deutschland macht, ist richtig“, sagt er am Gipfel-Ende fast trotzig. Es passe sich ein in das, was andere Staaten schon gemacht hätten oder gerade vorbereiteten.
Gerne fasst Scholz die beiden Treffen zusammen: die Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft mit 44 Nationen am Vortag und den informellen Gipfel. Es sei das Prager Signal an Putin, dass Europa seine Scheinreferenden und Annexionen niemals anerkennen und immer fest an der Seite der Ukraine stehen werde. Wie die Unterstützung noch verstärkt werden könne, sei auch in Prag erneut Thema gewesen. Dazu hatte Metsola die Forderung nach Lieferung von Kampfpanzern wie den deutschen Leopard-2-Modellen in den Raum gestellt. Scholz springt darauf nicht an, kündigt dafür eine europäische Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten an, an der sich Deutschland beteiligen werde.