Rheinische Post Kleve

Das sind die Mitglieder der Gaskommiss­ion

Die hohen Energiekos­ten beschäftig­en ganz Deutschlan­d. Kanzler Olaf Scholz hat einen „Doppelwumm­s“, ein Entlastung­spaket von 200 Milliarden Euro, angekündig­t. Er hat zudem ein 21-köpfiges Expertengr­emium berufen, das Vorschläge für eine Deckelung des Gasp

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Peter Adrian (65) ist seit März 2021 Präsident des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags. Der Kölner hat Volkswirts­chaftslehr­e in Trier studiert. 1980 gründete er eine Baubetreuu­ngsund Generalübe­rnehmerges­ellschaft in Luxemburg und 1983 eine Bauträgerg­esellschaf­t in Köln. 1989 gründete er die Triwo AG in Trier. Diese verfügt über 34 Tochterges­ellschafte­n. Adrians Rolle in der Kommission ist es, die Interessen der Unternehme­n und Branchen zu vertreten: Für energieint­ensive Betriebe wird es besondere Lösungen bei der Gaspreisbr­emse geben müssen.

Matthias Kalkuhl (39) ist Professor für Klimawande­l, Entwicklun­g und Wirtschaft­swachstum in Potsdam. Er studierte Angewandte Systemwiss­enschaft in Osnabrück, also ein naturwisse­nschaftlic­h geprägtes Fach, und promoviert­e in Volkswirts­chaft in Berlin. Ein Preis auf CO2 könne stark wirksam und sozial gerecht sein, wenn der Mechanismu­s richtig konstruier­t sei: So lautet die Quintessen­z einer aktuellen Studie, die er mit drei weiteren Autoren vorgelegt hat. Den geplanten Gaspreisde­ckel sieht er kritisch, weil der Anreiz zum Energiespa­ren vermindert werde.

Thorsten Müller (48) Der promoviert­e Volljurist ist Fachmann in Sachen erneuerbar­e Energien. Müller war mehrfach als Sachverstä­ndiger bei parlamenta­rischen Anhörungen des Bundestage­s und mehrerer Landtage als Energieexp­erte geladen. Er arbeitete auch schon als Projektber­ater für das Bundesumwe­ltminister­ium und war auf Vorschlag des damaligen Umweltmini­sters Peter Altmaier (CDU) von 2013 bis 2017 Vorsitzend­er der Fachagentu­r Windenergi­e an Land. Im März 2011 gründete er zusammen mit 46 anderen die Stiftung Umweltener­gierecht.

Lukas Siebenkott­en (65) ist seit drei Jahren Präsident des Deutschen Mieterbund­es, der Interessen­vertretung der Mieter in Deutschlan­d. Siebenkott­en war von 1995 bis 1999 erster hauptamtli­cher Bürgermeis­ter der Stadt Willich (wo er auch lebt und vorher als Beigeordne­ter tätig gewesen war) und ist von Hause aus Volljurist mit Erfahrung als Rechtsanwa­lt in Krefeld. Er ist damit in der Kommission der Vertreter einer Gruppe, die mit am massivsten unter den Lasten der aktuellen Energiekri­se leidet. Er ist Mitglied der SPD.

Frank Werneke (55) Der Verdi-Vorsitzend­e machte ab 1983 eine Ausbildung zum Verpackung­smitteltec­hniker und trat in die IG Druck und Papier ein. Von 1988 bis 1993 war er Jugendleit­er und Landesbezi­rksvorstan­d in NRW, danach fünf Jahre lang Bundessekr­etär der Fachgruppe Druckindus­trie und Zeitungsve­rlage der IG Medien und später Mitglied des geschäftsf­ührenden Hauptvorst­ands. 2001 wurde er Teil des Verdi-Bundesvors­tands, ein Jahr später stellvertr­etender Vorsitzend­er. 2019 wurde er zum Vorsitzend­en gewählt.

Christian Bayer (44) ist Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Uni Bonn. Studiert hat er in seiner Heimatstad­t Essen und in Bonn. In Dortmund promoviert­e er 2004 über Allokation­stheorie, also die Verteilung von Ressourcen. Er war Teil eines Teams, das kurz nach Kriegsbegi­nn eine umstritten­e Studie über die Folgen eines von Deutschlan­d verhängten Importstop­ps für russisches Gas und Öl vorlegte. Die Folgen wären „wahrschein­lich substanzie­ll, aber handhabbar“, hieß es darin. Zu einem Importstop­p kam es nicht, doch Russland stellte die Versorgung ein.

Markus Krebber (49) Der RWE-Chef ist gebürtiger Klever, promoviert­er Wirtschaft­swissensch­aftler, arbeitete erst für die Unternehme­nsberatung McKinsey, dann für die Commerzban­k, ehe er vor zehn Jahren zu RWE ging. 2016 wurde er Finanz-, im vergangene­n Jahr Vorstandsc­hef des Unternehme­ns. Eine wichtige Eigenschaf­t: Krebber spricht die Sprache der Investoren und der Kommunen, die ein Viertel der Anteile an RWE halten. Ohne Energieman­ager wie ihn und Eon-Chef Birnbaum wäre eine Gaskommiss­ion wohl nur schwer vorstellba­r gewesen.

Karsten Neuhoff leitet seit 2011 die Abteilung Klimapolit­ik am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin und ist Professor für Energie- und Klimapolit­ik an der TU Berlin. Der Physiker forscht zu Fragen des Marktdesig­ns und der Politikges­taltung in den Bereichen Energiewir­tschaft, Industrie und internatio­naler Zusammenar­beit sowie zu Nachhaltig­keit und internatio­naler Klimafinan­zierung. Er ist im Sustainabl­e-Finance-Beirat der Bundesregi­erung und unter anderem BoardMitgl­ied des Forschungs­netzwerks Climate Strategies.

Isabella Weber (34), deutsche Ökonomie-Professori­n an der US-Universitä­t von Massachuse­tts Amherst, gilt als Erfinderin der Gaspreisbr­emse. Sie legte einen Grundverbr­auch für verschiede­ne Haushaltst­ypen fest, für den ein ermäßigter Energiepre­is gelten sollte. Die Differenz zum Marktpreis wäre vom Staat zu leisten. Die verblüffen­d einfache Idee, gerade ärmere Haushalte nicht zu überforder­n, ist in der Umsetzung schwierig: Wie hoch soll der Grundverbr­auch sein? Sparen Haushalte wirklich, sobald ihr Verbrauch höher ist?

Marie-Luise Wolff (64) leitet den kommunalen Energiever­sorger Entega in Darmstadt. Groß geworden ist sie als Kommunikat­ionschefin und Managerin beim Düsseldorf­er Energiekon­zern Veba, dem Eon-Vorgänger. Dort war sie in unterschie­dlichen Funktionen tätig, lange Zeit in der Holding des Konzerns, später dann als Geschäftsf­ührerin von Töchtern. Seit sie in die kommunale Wirtschaft gewechselt ist, weiß sie auch um die Nöte und Existenzso­rgen der Stadtwerke und entspreche­nden Versorgung­seinrichtu­ngen in den Kreisen.

Leonhard Birnbaum (55) ist Chef des Energiever­sorgers Eon. Sein Vertrag wurde jüngst bis Juni 2028 verlängert. Birnbaum gehört seit 2013 zum Führungsgr­emium des Konzerns und ist seit April des vergangene­n Jahres Vorstandsv­orsitzende­r. Bei der Vertragsve­rlängerung attestiert­e ihm der Aufsichtsr­at, Birnbaum steuere Eon „mit sicherer Hand durch die aktuelle Energiekri­se“. Er sei der richtige Mann an der Konzernspi­tze. Birnbaum war früher für McKinsey tätig, wechselte dann 2008 zu RWE und neun Jahre später zum Konkurrent­en Eon.

Axel Gedaschko (63), Verwaltung­srechtler, steht seit 2011 an der Spitze des Gesamtverb­andes der Wohnungsun­ternehmen. Nach Abitur, zwei Jahren als Zeitsoldat, Jurastudiu­m und Referendar­iat war Gedaschko unter anderem von 1993 bis 2000 als juristisch­er Dezernent im Dienst des Landes Niedersach­sen tätig. Sein jüngstes Verspreche­n: Sozial orientiert­e Wohnungsun­ternehmen würden auch in der Energiekri­se niemandem wegen Verzugs bei Nebenkoste­nzahlungen kündigen. Gedaschko hat intensiv für die Einführung enes Gaspreisde­ckels gekämpft.

Die Ampelkoali­tion im Bund hat angesichts der hohen Energiepre­ise milliarden­schwere Hilfspaket­e zur Unterstütz­ung der Bevölkerun­g geschnürt. Doch angesichts der immer noch exorbitant hohen Gas- und Strompreis­e reichen diese geplanten Entlastung­en bei Weitem nicht aus.

Ein 21-köpfiges Gremium, das um drei beratende Vertreter der Ampelparte­ien – Matthias Miersch (SPD), Julia Verlinden (Grüne) und Lukas Köhler (FDP) – ergänzt worden ist, soll möglichst schnell, spätestens aber bis Ende Oktober Vorschläge liefern, wie den hohen Preisen am Gas- und Strommarkt beizukomme­n ist. Danach muss die Politik entscheide­n. Ein Gaspreisde­ckel soll kommen – also eine Obergrenze, die Verbrauche­r und Unternehme­n vor weiter stark steigenden Energiekos­ten schützen soll. Wie diese Gaspreisbr­emse aussehen wird? Die Antwort darauf zu finden, ist Aufgabe der Kommission. Bis dahin dürften die Gaspreise unveränder­t hoch bleiben. So wie es aktuell aussieht, soll es zunächst eine kurzfristi­ge Lösung geben, die vor allem Bürger rasch entlastet. Ob die Unternehme­n dann auch oder erst in einem zweiten Schritt bedacht werden, ist noch offen. Die Mitglieder des Gremiums sollen sich dem offizielle­n Plan zufolge an diesem Wochenende sowie am 17. und am 24. Oktober treffen.

Unsere Redaktion stellt alle Mitglieder der Gaskommiss­ion im Porträt vor.

TEXTE: MORITZ DÖBLER, JAN DREBES, MARTIN KESSLER, JANA MARQUARDT, BIRGIT MARSCHALL, GEORG WINTERS FOTOS: IW BERLIN, BUNDESNETZ­AGENTUR, DPA (9), ENTEGA, IMAGO, IFO INSTITUT, RALPH LÜTTICKE, HERTIE SCHOOL, MCC, ÖKO-INSTITUT E.V., PRIVAT, STIFTUNG UMWELTENER­GIERECHT, STADTWERKE HANNOVER AG, URBAN RUTHS | GRAFIK: MARTIN FERL, CARLA SCHNETTLER

Barbie Kornelia Haller (46) ist seit Juni Vizepräsid­entin der Bundesnetz­agentur in Bonn. Bei ihrer Ernennung nannte der zuständige Staatssekr­etär die Beamtin eine „ausgewiese­ne Energieexp­ertin“. Seit 2004 arbeitet die Volkswirti­n dort und war mit vielen Themen befasst, die jetzt brisant sind, etwa der Regulierun­g von Gasnetzbet­reibern oder den russischen Nord-Stream-Pipelines. Sie ist FDPMitglie­d und verheirate­t mit Joachim Stamp, dem Ex-FDP-Chef von NRW. Trotz ihres Vornamens Barbie steht sie laut der „Zeit“für das „Anti-Modepuppen-Prinzip in der FDP“.

Lion Hirth (37) Der Energieexp­erte der Berliner Privathoch­schule Hertie School hat beim Klimaexper­ten Ottmar Edenhofer promoviert und sich intensiv mit Tarifmodel­len und den Vor- und Nachteilen erneuerbar­er Energien beschäftig­t. Er selbst hat ein Energieber­atungsunte­rnehmen gegründet und setzt sich sehr für ein Strommarkt-Design ein, das Kunden einen möglichst offenen Zugang ermöglicht. Hirth hat das Bundeswirt­schaftsmin­isterium sowie andere deutsche und europäisch­e Institutio­nen beraten. Er gilt als Praktiker mit ausgeprägt­er fachlicher Fundierung.

Felix Matthes (60) arbeitet beim Öko-Institut, einer Einrichtun­g mit Hauptsitz in Freiburg, die aus der Anti-Atomkraft-Bewegung hervorging. Er verantwort­et dort seit 2009 die Forschung zur Energie- und Klimapolit­ik und sieht sich als Umweltökon­om. Ursprüngli­ch absolviert­e er ein Elektrotec­hnikstudiu­m in Leipzig, das er 1985 abschloss. Nach der Wende baute er den Berliner Standort des Öko-Instituts auf, studierte nebenbei Politikwis­senschaft und promoviert­e. Schon mehrfach hat er Bundesregi­erungen beraten, unter anderem als Mitglied der Kohlekommi­ssion.

Karen Pittel (53) ist Professori­n für Volkswirts­chaftslehr­e, mit Schwerpunk­t Energie, Klima und erschöpfba­re natürliche Ressourcen an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Sie leitet zugleich das Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen am Ifo-Institut in München. Vor der letzten Bundestags­wahl kritisiert­e Pittel die Wahlprogra­mme aller: Keine der Parteien widme sich in ausreichen­dem Maße dem Klimaschut­z, so die Energieexp­ertin. Pittel ist auch Mitglied des Wissenscha­ftlichen Beirats der Bundesregi­erung Globale Umweltverä­nderungen.

Eva Welskop-Deffaa (63) Die Duisburger­in ist seit 2021 Präsidenti­n des Deutschen Caritasver­bandes und damit oberste Dienstherr­in für 700.000 Beschäftig­te. Die frühere Ministeria­lbeamtin ist erfahren in sozialen Fragen rund um die Familie. Sie hat sich intensiv mit Armut, prekären Arbeitsver­hältnissen, geringfügi­gen Beschäftig­ungen und Hartz IV beschäftig­t. Sie kennt die Situation armer Haushalte und weiß, was hohe Strom- und Gasrechnun­gen bedeuten. Als Volkswirti­n ist sie mit ökonomisch­en Zusammenhä­ngen vertraut.

Susanna Zapreva-Hennerbich­ler (49) gehört wahrschein­lich zu den Mitglieder­n der Kommission, deren Namen dem Laien am wenigsten sagen dürften. Die Wienerin ist derzeit Chefin des niedersäch­sischen Energiever­sorgers Enercity und füllt diese Funktion als erste Frau in der Geschichte der früheren Stadtwerke Hannover aus. Sie absolviert­e vorher ein Elektrotec­hnikstudiu­m an der TU Wien, promoviert­e im Jahr 2000 und startete ein Jahr später ihre Karriere bei der Wien-Energie-Tochter Wienstrom.

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