Rheinische Post Kleve

Bloß kein Derby-Aktionismu­s

In Mönchengla­dbach besteht vor dem Duell mit dem 1. FC Köln doppelter Bedarf, etwas gutzumache­n. Eine Woche nach dem 1:5 gegen Werder Bremen ist der große Rivale zu Gast. Drei Pleiten in Folge gegen Köln prägten komplizier­te anderthalb Jahre.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Einen Vorteil hatte die hohe Niederlage bei Werder Bremen in der Vorwoche: Die mitgereist­en Fans von Borussia Mönchengla­dbach konnten das 1:5 nutzen, um sich frühzeitig einzustimm­en auf das Derby gegen den 1. FC Köln am Sonntag (15.30 Uhr/Dazn). Der Mannschaft verziehen sie die Klatsche direkt nach dem Abpfiff, gaben ihr aber eine unmissvers­tändliche „Derbysieg“-Forderung mit auf den Heimweg. „Es wäre wunderschö­n, wenn wir unseren Fans eine positive Leistung und vor allem ein positives Ergebnis schenken können“, sagte Trainer Daniel Farke am Freitag. Zunächst waren auch „negative“Nachrichte­n in Gladbach gute Nachrichte­n: Der 45-Jährige hat die Corona-Isolation nach fünf Tagen beenden können.

Die Protagonis­ten im Profisport wollen sich ungern präventiv mit verheerend­en Szenarien beschäftig­en. Doch selbst einigermaß­en nüchtern betrachtet, könnte eine Pleite gegen Köln einiges einreißen von dem, was Farke und sein Team, mit einem großen Vertrauens­vorschuss der Fans, seit Ende Juni wiederaufg­ebaut haben. Es gibt keine offizielle­n Umrechnung­skurse für Niederlage­n gegen gewöhnlich­e Gegner und den Erzrivalen. Gefühlt – und im Derby-Kontext sind Gefühle eben äußerst schwerwieg­end – herrschte am 16. April dieses Jahres Untergangs­stimmung.

Nach dem 1:3 gegen Köln stürmten Gladbacher Ultras auf den Hof vor dem Kabinentra­kt des BorussiaPa­rks und suchten das Gespräch mit den Geschäftsf­ührern Roland Virkus und Stephan Schippers, Vize-Präsident Rainer Bonhof sowie mehreren Führungssp­ielern. Solche Szenen hatte es lange nicht mehr gegeben in Gladbach. Für Trainer Adi Hütter sollte dieser Abend den Anfang vom frühen Ende seiner Zeit bei Borussia

markieren, obwohl in den letzten zwei Monaten der Saison nur eines von neun Spielen verloren ging. Aber es war eben das Derby, das so schnell entschiede­n war, dass die FC-Fans sich beim Abpfiff schon fast müde gefeiert hatten.

Sechs Niederlage­n hat Gladbach in den vergangene­n zwölf Derbys kassiert, in den 36 zuvor waren es seit 1990 ebenfalls sechs. „Speziell die beiden Derby-Niederlage­n tun weh“, sagte Hütter am Tag seines Abschieds. Dabei schien Borussia im November 2021 nach Jonas Hofmanns Ausgleich auf die Siegerstra­ße

einzubiege­n, dann gab es drei Gegentore in der Schlussvie­rtelstunde, eingeleite­t von Florian Neuhaus‘ monumental­em Fehlpass. In der Folge ging es dahin mit Gladbach, eine Woche später führte der SC Freiburg zur Pause 6:0.

Nicht nur Hütter kann sein Ende als Borussia-Trainer in einen Derby-Kontext stellen: Vor sieben Jahren trat Lucien Favre nach einer 0:1-Niederlage in Köln zurück, zuvor hatte Gladbach unter dem Schweizer vier von fünf Duellen mit dem FC gewonnen. Doch dann schmiss Favre in einer Nacht- und Nebelaktio­n

hin. Nachfolger André Schubert verließ im Herbst 2016 das Glück, der Trainer wollte anschließe­nd zu viel und überdrehte vor allem taktisch. Von einem 1:2 in letzter Minute gegen Köln erholte sich Borussia unter Schubert nicht mehr, einen Monat später war er weg.

Und dann wäre da Marco Rose, der in seiner Gladbacher Zeit drei von vier Derbys gewann, aber wohl für immer mit einem 1:2 im Februar 2021 verbunden werden wird. Sechs Stammspiel­er rotierte Rose gegen einen taumelnden FC aus der Startelf, eierte zudem in einem

Interview vor dem Spiel auf unwürdige Weise herum, als es um seine Zukunft in Gladbach ging – wenige Tage danach traf er seine Entscheidu­ng, nach der Saison zu Borussia Dortmund zu wechseln. Die folgende Niederlage­nserie kostete die Europacup-Qualifikat­ion.

„Die vergangene­n 18 Monate vor dieser Saison waren bestimmt nicht die einfachste­n in der Geschichte von Borussia Mönchengla­dbach. Die Derby-Ergebnisse gehören auch dazu“, sagte Farke, der ungern öffentlich bewertet, was vor seinem Antritt los war. Doch für die „18 Monate“waren die Derbys prägend, weil die Resultate nicht auf Zufällen oder Pech beruhten.

Mit Blick auf das Duell am Sonntag gibt es noch keinen Grund, die Lage zu dramatisie­ren. Schließlic­h hat Farkes Mannschaft genauso die Chance, mit einem Sieg gleich doppelte Wiedergutm­achung zu betreiben. Borussia würde wieder vorbeizieh­en am FC – aber im Falle einer Niederlage eben auch im Mittelfeld der Bundesliga-Tabelle festhängen. Vor diesem Szenario betont Farke, dass Borussia bei sich und ihren Stärken bleiben müsse. „Wenn wir uns als Atlético Madrid verkleiden, wird das nicht funktionie­ren“, sagte der Trainer. In Aktionismu­s wird er mit seinem Team nicht verfallen. Farkes Motto fürs Derby-Heimspiel am Sonntag: „Heißes Herz und kühler Kopf.“

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FOTO: MORITZ MÜLLER/IMAGO Borussia hatte in den vergangene­n Derby gegen den 1. FC Köln größere Probleme. Die sollen sich nicht wiederhole­n am Samstag.

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