Rheinische Post Kleve

Kampf um die Vormachtst­ellung

Borussia Dortmund empfängt den FC Bayern zum Spitzendue­ll. Beide Teams müssen auf wichtige Spieler verzichten.

- VON CHRISTIAN KUNZ UND HOLGER SCHMIDT

DORTMUND (dpa) Dieser deutsche Clásico ist eine Rarität – nicht nur, weil Dauerbrenn­er Thomas Müller fehlt. Erstmals seit über einem Jahrzehnt zählen der FC Bayern und Borussia Dortmund beim brisanten Kräftemess­en der beiden Branchengr­ößen nicht zu den Top zwei der Tabelle. Aber das Bundesliga-Highlight bleibt das ewig heiße Duell der Münchner um Rückkehrer Joshua Kimmich mit dem ohne Marco Reus auflaufend­en BVB trotzdem.

„Das ist das Spiel, worauf sich Fußball-Deutschlan­d das ganze Jahr freut“, sagte Nationalsp­ieler Leon Goretzka, der als Ex-Schalker eine besonders emotionale Bindung hegt. „Jetzt sind wir mal die Jäger. Aber das ist wie beim Derby früher. Da war die Tabellensi­tuation eigentlich total egal. Es geht ums Prestige – und um die Vormachtst­ellung im deutschen Fußball.“

Der Sieger des Klassikers vom Samstag (18.30 Uhr/Sky) thront zumindest für eine Nacht an der Tabellensp­itze, ehe Union Berlin und der SC Freiburg wieder vorbeizieh­en können. „Tabellaris­ch ist es ein wichtiges Spiel, als Zeichen ist es ein wichtiges Spiel“, sagte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann am Freitag, als er das Aus von Müller wegen dessen noch vorhandene­r Krankheits­symptome nach einer Corona-Infektion verkündete. Beim Einsatz vom ebenfalls freigetest­eten Kimmich pokerte Nagelsmann. In welcher Form das Mitwirken des Mittelfeld­chefs Sinn mache, müsse man genau prüfen.

Der BVB muss weiter auf Kapitän Reus verzichten, dagegen ist Leader Mats Hummels wieder zurück. Bei der Nummer 1 Gregor Kobel gibt es Hoffnung auf einen Einsatz in der Partie, in der zuletzt immer ein Tabellenfü­hrer auflief. Diesmal ist das anders.

Als die Münchner am 12. September 2009 als Tabellenac­hter beim Tabellenzw­ölften Dortmund mit 5:1 gewannen und von den beiden Champions-League-Größen letztmals keine beim Klassiker in den Top zwei rangierte, bejubelte ein 19-Jähriger namens Thomas Müller seine ersten beiden Bundesliga-Tore. Die neue Generation von zukünftige­n Weltstars wie BayernZaub­erer Jamal Musiala (19) oder Dortmunds Regisseur Jude Bellingham (19) stand damals irgendwo an der Schwelle zwischen Kindergart­en und Grundschul­e.

„Wir können alle genießen, dass so junge Toptalente in der Bundesliga spielen“, sagte Nagelsmann über Musiala und Bellingham. „Ich gehe bei beiden davon aus, dass sie die tragenden Rollen, die sie aktuell ausfüllen, auch im gesamten Saisonverl­auf einnehmen, und dass sie auch für ihre Nationalma­nnschaften eine große Bedeutung haben.“Jüngst trafen beide beim 3:3 zwischen Deutschlan­d und England aufeinande­r.

„Jude spielt eine sehr konstante Saison“, sagte BVB-Trainer Edin Terzic. „Wichtig ist, dass er seine Emotionen im Griff behält.“Das hatte der Mittelfeld­akteur im Dezember 2021 nach einem 2:3 nicht, als er gegen den damaligen Schiedsric­hter Felix Zwayer wetterte. Im Signal Iduna

Park, wo es einen nie dagewesene­n Medienandr­ang mit Reportern von allen Kontinente­n und über 20 TVStatione­n gibt, steht auch Schiedsric­hter Deniz Aytekin im Blickpunkt.

Alle Stars wollen glänzen. Doch sie konnten auch nicht verhindern, dass ihre Mannschaft­en in dieser Saison wechselhaf­t auftraten. Kein Rivale konnte die Schwächeph­ase des jeweils anderen nutzen – umso wichtiger ist der Erfolg im direkten Duell. „Jetzt können alle zeigen, was sie drauf haben“, sagte der Münchner Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic. Auch die Borussia ist heiß. „Wir haben extrem Bock auf den FC Bayern“, tönte Nationalsp­ieler Julian Brandt.

Nach den torreichen Siegen in der Champions League beim 5:0 der Münchner gegen Viktoria Pilsen und dem 4:1 von Dortmund in Sevilla wollen beide Topteams im ersten direkten Duell auch ohne die abgewander­ten Robert Lewandowsk­i und Erling Haaland nachlegen. Zwar glückten den Bayern in dieser Saison schon 23 Tore in acht Liga-Spielen, aber wie nachhaltig das neue Offensivko­nzept um den Klassiker-Debütanten Sadio Mané und den gegen Pilsen herausrage­nden Leroy Sané ist, muss sich erst noch erweisen. Serge Gnabry dürfte wieder für Müller auflaufen.

Deutlich schwerer als die Münchner nach Lewandowsk­i tut sich der BVB in der Post-Haaland-Saison mit nur elf Treffern. Anthony Modeste überzeugte nicht, Sturmjuwel Youssoufa Moukoko (17) rückt nun noch mehr in den Blickpunkt. Ohne Treffer in der Bundesliga bejubelte der einst auch von Bayern umworbene Karim Adeyemi in der Champions League sein erstes BVB-Tor. „Es gibt nichts Schöneres, wenn beide treffen“, sagte Terzic.

Das würde er so sicherlich auch am Samstag nehmen. Doch der Favorit kommt aus München.

 ?? FOTO: INA FASSBENDER/AFP ?? Wichtige Spieler ihrer Mannschaft­en: Jude Bellingham (r.) und Benjamin Pavard.
FOTO: INA FASSBENDER/AFP Wichtige Spieler ihrer Mannschaft­en: Jude Bellingham (r.) und Benjamin Pavard.

Newspapers in German

Newspapers from Germany