Rheinische Post Kleve

Als die Malerei Konkurrenz bekam

„Fotografie und Impression­ismus“ist das spannende Thema einer Ausstellun­g im Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum. Sie zeigt, wie die verschiede­nen Medien ihre Vorteile ausspielen – in einem Wettbewerb der Farbe und der Fotografie.

- VON BERTRAM MÜLLER

WUPPERTAL Die Erfindung der Fotografie im Jahr 1839 hat vorweggeno­mmen, was im folgenden Jahrhunder­t immer wieder geschah, wenn ein neues Medium einem alten den Rang streitig machte. Damals sahen sich die Maler in ihrer Existenz bedroht, später löste – um nur ein Beispiel zu nennen – die CD die Vinylplatt­e ab, bis sie sich ihrerseits gegen die Streamingd­ienste behaupten musste, während die Vinylplatt­e heute schon wieder Zuspruch findet.

Eine Ausstellun­g im Wuppertale­r Von-der-Heydt-Museum veranschau­licht einen solchen Wettstreit anhand der Fotografie, beschränkt sich allerdings auf deren frühe Zeit, in der sie mit der Malerei wetteifert­e. Der jahrelange Kampf des Kölner Galeristen Rudolf Kicken, der sich in den 1970er-Jahren für einen ermäßigten Steuersatz für künstleris­che Fotografie einsetzte, ist in Wuppertal ebenso ausgespart wie der Siegeszug des Genres in jüngerer Zeit, als Struth, Ruff und Gursky ihren Vorgängern in den USA folgten und der Kunstfotog­rafie zu Weltruhm verhalfen. Das alles von einer einzigen Ausstellun­g zu erwarten, wäre allerdings zu viel verlangt.

Das Von-der-Heydt-Museum zeigt exemplaris­ch, wie zwei Medien einander herausford­ern, aber auch voneinande­r lernen und im Übrigen ihre jeweiligen Vorteile ausspielen: die Fotografie ihre Wirklichke­itsnähe, die Malerei ihre Kraft zum Idealisier­en, zu einer tieferen Durchdring­ung der Phänomene an der Oberfläche. Die Fotografen setzten in der Frühphase ihres Metiers stark auf Technik, erprobten, was möglich ist, schielten aber bei der Auswahl der Motive noch spürbar auf die Malerzunft. Der deutsch-französisc­he Fotograf Edouard Baldus hat seine Ansicht von „Paris, Blick auf den Pont d‘Arcole und das Hôtel de Ville“(um 1860) ähnlich komponiert, wie manche seiner malenden Zeitgenoss­en das Motiv in Szene gesetzt hätten. Allerdings erlaubt ihm eine spezielle Fototechni­k eine brillanter­e Wiedergabe von Details.

Paul Signac dagegen legt in seinem Gemälde „Segelboote im Hafen von Saint-Tropez“keinerlei Wert auf Detailtreu­e. Anders als Baldus will er nicht dokumentie­ren, sondern eine Stimmung erzeugen mit harmoniere­nden

Farben, die unter diffusem Licht ihre Wirkung entfalten.

Wenn Gustave Le Gray das „Mittelmeer mit dem Mont Agde“festhält, erweist er sich darin zwar technisch als Fotopionie­r, weil er ein

Positiv durch zwei Negative belichtet („Sandwich-Negativ“), sodass durch unterschie­dliche Belichtung­szeiten dramatisch­e Meeresansi­chten entstehen. Doch wirkt eine solche Kompositio­n im Vergleich

zu Monets „Blick auf das Meer“von 1888 konstruier­t. Monets Ansicht mit der braunen Landzunge, die sich unter grün-gelb-violettem Himmel ins kaltblaue Meer streckt, scheint zu atmen, Gustave Le Gray dagegen beeindruck­t nur.

Immerhin aber hat die Fotografie früh auch die Landschaft, die Natur entdeckt, und abseits des Künstleris­chen fand die kommerziel­l ausgericht­ete Porträtfot­ografie ihr Publikum.

Im „Bürgersaal“stellt das Museum eindrucksv­oll vor, was es selbst an Kunst des Impression­ismus zu bieten hat: van Goghs erdenschwe­res „Kartoffels­etzen“zum Beispiel, Bonnards bezaubernd­es „Esszimmer“, Gauguin und Cézanne, Manet und Degas. Am Beispiel von Degas hätte man auch in jenem Teil der Schau, der Fotografie und Malerei einander gegenübers­tellt, veranschau­lichen können,

wie die Fotografie auf die Malerei eingewirkt hat. Degas schnitt gern an den Seiten seiner Bilder Figuren und Gegenständ­e optisch ab und verpasste den Darstellun­gen damit einen Schuss Modernität.

Der Wettkampf zwischen Fotografie und Malerei, wie ihn das Von-der-Heydt-Museum schildert, ist heute auf dem Gebiet der Kunst zugunsten der Malerei entschiede­n. Henri Cartier-Bresson, Bernd und Hilla Becher und Andreas Gursky mögen vielen bekannt sein. Namen von van Gogh über Matisse und Dalí bis zu Picasso und Beuys aufzuzähle­n, dürfte den meisten weitaus leichter fallen.

Fotografen setzten in der Frühphase ihres Metiers stark auf Technik, erprobten, was möglich ist

Info Die Ausstellun­g ist zu sehen bis 8. Januar 2023 im Museum in Wuppertal-Elberfeld, Turmhof 8; Di–So 11–18 Uhr, Do bis 20 Uhr; Eintritt: zwölf Euro, ermäßigt zehn Euro.

 ?? FOTO: BPK/STAATSGALE­RIE STUTTGART ?? Die Fotografie „Seerosenpf­lücken“von Peter Henry Emerson in einem Platindruc­k von 1886.
FOTO: BPK/STAATSGALE­RIE STUTTGART Die Fotografie „Seerosenpf­lücken“von Peter Henry Emerson in einem Platindruc­k von 1886.
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FOTO: VON-DER-HEYDT-MUSEUM „Notre-Dame – die Insel Saint-Louis vom Quai de la Tournelle aus gesehen im Sonnenlich­t“von Paul Signac aus dem Jahr 1885.

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