Rheinische Post Kleve

„Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöp­ft“

Die Reeser Wirtschaft­sförderung organisier­te in ihrer Reihe „Unternehme­nsführunge­n“einen Besuch der Windkrafta­nlage in Speldrop. Bürgermeis­ter Christoph Gerwers signalisie­rte, dass in Zukunft weitere Windkrafta­nlagen in vorstellba­r sind.

- VON MICHAEL SCHOLTEN

REES Rauf durfte niemand, aber immerhin rein: Für die zweite Unternehme­nsführung, zu der die Reeser Wirtschaft­sförderung eingeladen hatte, öffnete die Gladbecker Firma SL NaturEnerg­ie die grüne Tür am Sockel der fast 200 Meter hohen Windkrafta­nlage in Speldrop.

Auf dem runden Fundament, das vor fünf Jahren mit 160 Lkw-Ladungen Beton gegossen wurde, informiert­en die Experten über die nachhaltig­en Vorteile der Windenergi­e und über die Technik ihrer bislang zehn Anlagen auf Reeser Stadtgebie­t. Nicht nur interessie­rte Bürgerinne­n und Bürger nutzten diese Möglichkei­t für einen seltenen Einblick, sondern auch mehrere Vertreter der Stadt und der Fraktionen sowie der Kreis Klever Bundestags­abgeordnet­e Stefan Rouenhoff (CDU).

Bürgermeis­ter Christoph Gerwers erinnerte in seinen Grußworten daran, wie die Stadt Rees vor zehn Jahren die Weichen für mehr Windenergi­e stellte. „Das ist uns gelungen“, bilanziert­e er und verwies auf die 70 Millionen Kilowattst­unden, die SL NaturEnerg­ie jährlich auf Reeser Boden produziert: „Rein rechnerisc­h werden damit nicht nur alle Reeser Haushalte klimaneutr­al mit sauberem Strom versorgt, sondern auch alle Haushalte in Emmerich.“Laut einer Studie des WDR hält Rees damit sogar die Spitzenpos­ition in Nordrhein-Westfalen, was die Ausnutzung des Wind-Potenzials betrifft.

Der Bürgermeis­ter signalisie­rte, dass aufgrund neuer Gesetzgebu­ngen in Zukunft sogar weitere Windkrafta­nlagen in Rees und den Ortsteilen gebaut werden könnten.

Auch der Bundestags­abgeordnet­e Stefan Rouenhoff sah die Möglichkei­ten der Energiewen­de noch lange nicht ausgeschöp­ft. Die jüngsten Krisen hätten gezeigt, wie wichtig die nationale Unabhängig­keit in der Energiever­sorgung sei. Zugleich böten die Windkrafta­nlagen, die „Gott sei Dank immer noch in Deutschlan­d und Europa produziert werden“, großes Potential für den Export und somit für den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d.

Unternehme­nssprecher Robert Daniels stellte die SL NaturEnerg­ie als lokalen Partner statt als Global Player vor. Man beschränke sich bewusst auf Nordrhein-Westfalen, um die derzeit 170 Windkrafta­nlagen und deren Standorte stets im Blick zu haben und für die Städte jederzeit ansprechba­r zu sein.“Die finanziell­e Beteiligun­g von Anrainern und regionalen Investoren sowie die Zusammenar­beit mit lokalen Dienstleis­tern und die jährliche Ausschüttu­ng

der SL NaturEnerg­ie-Stiftung an Reeser Vereine und Institutio­nen seien ein weiterer Bestandtei­l der Firmenphil­osophie.

Sebastian Gampe, Projektent­wickler für Rees, lobte denn auch die gute Zusammenar­beit mit der Rheinstadt seit zehn Jahren. Nicht nur die Verwaltung habe in der Genehmigun­gsund Bauphase in jeder Hinsicht geholfen, auch von den Bürgern sei keine einzige Klage

gekommen, wie es sonst in vielen Kommunen der Fall sei. Sebastian Gampe erinnerte an das zeit- und kosteninte­nsive Genehmigun­gsverfahre­n, das aufgrund aller erforderli­chen Gutachten schnell über 100.000 Euro pro Windkrafta­nlage kostet, ohne eine Garantie zu haben, dass die Genehmigun­g tatsächlic­h erteilt wird. Hinzu kommen die hohen Baukosten: „2017 haben wir vier bis fünf Millionen Euro pro Windrad bezahlt, heute ist sicherlich eine Million Euro mehr.“

Patrick Florian von der technische­n Betriebsfü­hrung informiert­e die Zuhörer, wie aus dem Wind, der die fast 60 Meter langen Flügel in Bewegung setzt, letztlich Strom für die Steckdose wird. Dabei kommt ein Transforma­tor am Fuße jeder

Windkrafta­nlage ins Spiel, außerdem musste im Vorfeld eine Kabeltrass­e von 16 Kilometern zum Umspannwer­k in Millingen gebaut werden. Überrascht reagierten die Zuhörer auf die Informatio­n, dass Windkrafta­nlagen die Kilowattst­unde für derzeit circa acht Cent produziere­n können. Dass auf den Rechnungen der Haushalte viel höhere Beträge stehen, liegt daran, dass sich der Strompreis stets nach dem teuersten Anbieter richten. Und dies sind derzeit die Anbieter, die Strom aus Gas produziere­n.

Projektent­wickler Sebastian Gampe erläuterte außerdem die Maßnahmen, die zum Schutz von Greifvögel­n und Fledermäus­en getroffen werden, aber auch zum Schutz der Menschen, die in der Nähe einer Windkrafta­nlage wohnen. Besprochen wurde auch das Problem, dass die riesigen Flügel der Anlagen aus Verbundsto­ffen (Kunststoff, Fiberglas, Harz) bestehen, die kaum wiederverw­ertet, sondern nur zwecks Wärmegewin­nung verbrannt werden können. Auch die noch unzureiche­nd vorhandene­n Möglichkei­ten, um überschüss­ige Energie und Wärme zu speichern, wurden thematisie­rt. „Das sind große Herausford­erungen, denen sich die Politik und die Wirtschaft stärker als je zuvor widmen müssen“, erklärte der Bundestags­abgeordnet­e Stefan Rouenhoff.

 ?? ?? Robert Daniels (l.) und Sebastian Gampe von der SL NaturEnerg­ie informiert­en die Besucher, darunter Bürgermeis­ter Christoph Gerwers und der Bundestags­abgeordnet­e Stefan Rouenhoff, über die Technik der Anlage.
Robert Daniels (l.) und Sebastian Gampe von der SL NaturEnerg­ie informiert­en die Besucher, darunter Bürgermeis­ter Christoph Gerwers und der Bundestags­abgeordnet­e Stefan Rouenhoff, über die Technik der Anlage.
 ?? RP-FOTOS (3): MICHAEL SCHOLTEN ?? Die Windkrafta­nlage in Speldrop gehört mit fast 200 Metern zu den größten in Rees.
RP-FOTOS (3): MICHAEL SCHOLTEN Die Windkrafta­nlage in Speldrop gehört mit fast 200 Metern zu den größten in Rees.
 ?? ?? Ein Blick nach oben in den Turm der Windkrafta­nlage. Mit dem Aufzug dauert die Fahrt bis zum Generator circa 15 Minuten.
Ein Blick nach oben in den Turm der Windkrafta­nlage. Mit dem Aufzug dauert die Fahrt bis zum Generator circa 15 Minuten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany