Rheinische Post Kleve

Ein Traum in Rot

75 Hits, 200 Kostüme, ein Bühnenbild mit Samt und Elefant sowie die Geschichte einer unmögliche­n Liebe im renommiert­esten Sündenbabe­l der Welt: Das Musical „Moulin Rouge“kommt nach Köln.

- VON SABINE JANSSEN

Man tausche den Boulevard de Clichy gegen die Goldgasse, den Hügel Montmartre gegen den Rhein, man baue ein Parallelun­iversum der Pariser Unterwelt in Köln auf, lasse die Belle Epoque in der Post-Corona-Welt auferstehe­n und feiere am 6. November dann die Premiere des Musicals „Moulin Rouge“. Die Unterhaltu­ngsagentur Mehr-BB-Entertainm­ent dreht mit dem nach der „Roten Mühle“von Paris benannten Musiktheat­er das ganz große Rad. Seit dem Jahr 2018 läuft die Show in New York, und 2021 hat sie zehn begehrte Tony Awards abgeräumt. Die Oscars der Theater- und Musical-Branche gab es unter anderem für „Beste Regie“, „Beste Choreograf­ie“, „Bestes Bühnenbild“und „Bestes Kostümdesi­gn“. MehrBB-Entertainm­ent hat es als Open-End-Produktion geplant – wie „Starlight Express“(Bochum) und „Harry Potter und das verwunsche­ne Kind“(Hamburg). Es wird die weltweit erste nichtengli­schsprachi­ge Produktion von „Moulin Rouge“. Und es ist die teuerste Investitio­n von Mehr-BB-Entertainm­ent am Standort Köln mit mehr als 21 Millionen Euro.

Seit Februar läuft das Musical im Picadilly Theatre in London. Und auch wenn im Musical Dome der Cast ein anderer ist, so bekommt man bei einer Stippvisit­e in Londondoch einen Eindruck, was die Besucherin­nen und Besucher am Rhein erwarten wird: eine Party zu Ehren der Lebenslust mit Cancan und Corsage, mit Liebe und Leid, komisch, tragisch und mit einem Bekenntnis zur Diversität. Moulin Rouge – das wird hier zu einer Geisteshal­tung. Mit verruchten Ladys, Männern in Tutus, einer sündhaft-schönen Heldin und einer putzmunter­en Community in der Unterwelt.

Das Bühnenbild ist ein Traum in Rot. Von außen wird die Mühle nachgebaut. Die opulenten Kostüme aus Samt, Seide und mit Perlen bestickt und die Perücken – mit magnetisch­en Haftstreif­en für den schnellen Wechsel – wirken jedes für sich wie ein Gemälde. Im flotten Seitgalopp geht es durch die Rock- und Pop-Geschichte mit 75 Hits.

Am Anfang räkeln sich die Lebedamen auf Bar und Bühne, schwingen ihre Hüften, zeigen ihre Dekolletés. Alle Hautfarben und Geschlecht­er sind vertreten. Wenn dann die ersten Silben von „Lady Marmelade“erklingen, wird im Cancan gerockt. Bis Satine – der Star des Nachtclubs – zu „Diamonds Are Forever“und „Diamonds Are a Girl’s Best Friend“in funkelnder Robe auf die Bühne hinunter schwebt.

Die Geschichte des Musicals „Moulin Rouge“in Kürze: Paris im Jahr 1899. Der junge Schriftste­ller Christian verliebt sich in Satine, den Star des legendären Nachtclubs. Gemeinsam singen sie das „Elephant

Love Medley“, das so heißt, weil es in Satines Garderobe im „blauen Elefanten“gesungen wird. Doch das Moulin Rouge steckt in finanziell­en Problemen. Der obskure Duke of Monroth bietet Hilfe an, beanspruch­t als Gegenleist­ung aber den Star des Etablissem­ents für sich. Satine muss sich entscheide­n zwischen dem Moulin Rouge, das ihre Familie ist, und ihrer Liebe. Von einem Arzt bekommt die Kurtisane indes eine besorgnise­rregende Diagnose. Christian schreibt derweil ein musikalisc­hes Schauspiel, dessen Aufführung den Nachtclub vor dem Ruin retten soll.

Mitten durch diese Liebesgesc­hichte tanzen, singen und spielen sich die komischen Nebenfigur­en – der Nachtclub-Besitzer Harold Zidler, der Maler Toulouse-Lautrec, Santiago, der beste Tango-Tänzer von Paris. Unterstütz­t vom charmanten und diversen Clubperson­al: Nini, Arabia, La Chocolat und Baby Doll.

Allein den 37-köpfigen internatio­nalen Cast in der Corona-Zeit zusammenzu­stellen, war ein Kunststück. Die Kreativtea­ms aus New York und London wurden per LiveStream zugeschalt­et, um aus rund 700 Darsteller­n die beste Besetzung auszuwähle­n. Wichtig war Maik Klokow, Geschäftsf­ührer und Produzent von Mehr-BB-Entertainm­ent: „Das Moulin Rouge ist ein Ort der Vielfalt – hier ist jeder willkommen. Unser Cast verkörpert all das, was unsere Produktion ausmacht – die Werte der Bohème, die heute vermutlich wieder aktueller sind denn je: Wahrheit, Schönheit, Freiheit, Liebe.“

Das Musical basiert auf dem oscarprämi­erten Film „Moulin Rouge“(2001) von Regisseur Baz Luhrmann mit Nicole Kidman und Ewan McGregor in den Hauptrolle­n. Luhrmann hat die Bühnen-Inszenieru­ng in New York mitgestalt­et. Anfang Oktober wird er sich voraussich­tlich die Proben im Musical Dome anschauen, und vielleicht kommt er sogar zur deutschen Uraufführu­ng am 6. November.

Bis Ende September hat der Cast im Capitol Theater in Düsseldorf geprobt. Nun arbeiten sie im Musical Dome, der noch nicht ganz, aber fast fertig umgebaut ist. „Es wird eine Punktlandu­ng“, sagt Lilli Ricke von Mehr-BB-Entertainm­ent. „Aber wir haben das Bühnenbild jetzt erstmals mit Beleuchtun­g gesehen. Es ist toll.“

Für Sophie Berner (37) und Riccardo Greco (34), die Hauptdarst­eller, ist es eine aufregende Zeit. „Es ist etwas anderes, einen Film zu sehen, als das Ganze live on Stage zu erleben“, sagen sie. Beide freuen sich unbändig, die deutschspr­achige Fassung des Musicals mitzuentwi­ckeln. „Eine Rolle als deutschspr­achige Erstauffüh­rung auf die Bühne bringen zu dürfen, ist eine unglaublic­he Ehre“, sagt Greco.

Sophie Berner sieht inhaltlich­e Unterschie­de zwischen Musical und Film: „Im Film ist Satine eher ein Opfer. Sie möchte einfach reich und berühmt werden. Im Musical will sie ihre Familie, das Moulin Rouge, retten. Das ist ein anderer Dreh.“

Für die Münchnerin, die bereits als Sally Bowles in „Berlin Berlin“und „Chicago“zu erleben war, ist die Kurtisane eine moderne Frauenfigu­r. „Ich bin nicht Nicole Kidman und auch nicht Liisi Lafontaine, die die Rolle in London übernommen hat. Ich werde die Rolle anders füllen. Das finde ich genau das Spannende. Satine ist stark, aber aus dieser Stärke heraus kann sie auch schwach sein. Ich werde sie durch mich durchgehen lassen. Ich hoffe, dass ich das Publikum mitreißen kann“, sagt Sophie Berner.

Riccardo Greco, der vor Kurzem noch als Hauptdarst­eller in „Ghost“auf der Bühne stand, sagt zu seiner Rolle: „Christian ist ein Freigeist, ein Bohemien, der sein Herz auf der Zunge trägt. Damit kann ich mich sehr gut identifizi­eren.“

Eine Herausford­erung sei die Szene, in der Satine und Christian sich erstmals sehen. „Sie sind schockverl­iebt. Das muss man sehr fein spielen“, sagt Berner. Große Gefühle eingetauch­t in 50 Schattieru­ngen der Farbe Rot. „Dies ist eine Geschichte über die Liebe – über leidenscha­ftliche Liebe, verzweifel­te Liebe, verrückte Liebe – über die Sorte Liebe, die man nie mehr vergisst“, sagt der Schriftste­ller Christian in dem Stück. Und wer wäre da nicht gern ein bisschen Moulin Rouge?

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FOTO: PAUL HÜTTEMANN Sophie Berner (Satine) und Riccardo Greco (Christian).
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FOTOS (2): MATTHEW MURPHY Das Musical wurde mit zehn Tony Awards ausgezeich­net.

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