Rheinische Post Kleve

„Er präsentier­te sich anfangs auf eine recht forsche Art“

Der weltberühm­te Bergsteige­r und seine dritte Ehefrau über 35 Jahre Altersunte­rschied, ein denkwürdig­es erstes Date und entwaffnen­de Ehrlichkei­t.

-

Frau Messner, Sie haben Ihren heutigen Mann zufällig kennengele­rnt, vor vier Jahren, in einem seiner Museen. Wie haben Sie sich in einen 35 Jahre älteren Mann verliebt?

DIANE MESSNER So wie sich jeder andere Mensch auch verliebt.

Der Altersunte­rschied ist zumindest ungewöhnli­ch…

DIANE MESSNER Das ist Interpreta­tionssache.

Welche Rolle spielt der große Altersunte­rschied in Ihrer Beziehung?

DIANE MESSNER Wir merken ihn nicht wirklich. Optisch natürlich schon, aber vom Wesen her nicht.

War es Liebe auf den ersten Blick?

DIANE MESSNER Ich glaube nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Ich kann jemanden als attraktiv wahrnehmen, aber um ihn sympathisc­h zu finden, oder um mich gar zu verlieben, muss nicht nur das Äußere stimmen, sondern auch der Intellekt. Als wir uns kennengele­rnt haben, war uns beiden schon nach den ersten Sätzen klar, dass wir… REINHOLD MESSNER: Dass wir was?

DIANE MESSNER …die gleiche Wellenläng­e haben. Wir konnten uns von Anfang an über die alpine Geschichte unterhalte­n. Ich hatte dazu viel gelesen und habe selbst viele Touren in der Schweiz gemacht. Das hat dich neugierig gemacht. Und dann haben wir uns für ein erstes Treffen verabredet.

Wie war das erste Date?

DIANE MESSNER Noch bevor das Essen serviert wurde, hat er mich gefragt: „Kannst du kochen?“

REINHOLD MESSNER „Können Sie kochen?“,

habe ich gefragt.

DIANE MESSNER Nein, wir waren immerhin schon beim du. Trotzdem: Nachdem du mich als Erstes gefragt hast, ob ich kochen kann, habe ich wirklich überlegt, ob ich aufstehe und gehe. Rückblicke­nd verstehe ich seine Frage und wir schmunzeln darüber. REINHOLD MESSER Ich wollte es einfach wissen!

Um abzuklären, ob Diane als Ehefrau infrage kommt?

REINHOLD MESSER Ich kann überhaupt nicht kochen. Ich kann mir nicht vorstellen, die nächsten zehn Jahre für mich selbst zu kochen. Wenn es etwas für den Rest des Lebens werden sollte, war es eine Grundvorau­ssetzung, dass Diane kochen kann.

Und: Können Sie kochen?

DIANE MESSER Ja, ich kann gut kochen. Im Nachhinein muss ich sagen: Reinhold war einfach sehr ehrlich. Zu Beginn einer Beziehung zeigen Menschen sich meist von ihrer besten Seite, verstellen sich vielleicht sogar. Später erst zeigen sie ihr ehrliches Wesen. Reinhold hingegen präsentier­te sich auf eine authentisc­he und recht forsche Art. Er meinte: Es sei nicht einfach an seiner Seite. Es gehe eigentlich immer nur um ihn, und dass er sehr viel unterwegs sei.

Mittlerwei­le sind Sie seit fast vier Jahren ein Paar. Ist es schwierig, mit Reinhold Messner zusammen zu sein, Frau Messner? DIANE MESSNER Die Anfangszei­t war schwierig, weil wir beide noch in einer Trennungsp­hase steckten und Enttäuschu­ngen verarbeite­n mussten. Mühsam ist das Zusammenle­ben mit Reinhold längst nicht mehr. Ich finde es sehr angenehm an seiner Seite. Und ich glaube er auch an meiner. REINHOLD MESSER Ja.

Herr Messner, Sie haben als Bergsteige­r und Abenteurer viele Solotouren unternomme­n. Aber nachdem die Beziehung zu Ihrer zweiten Frau nach vielen Jahren in die Brüche ging, sind Sie schnell mit Diane zusammenge­kommen…

REINHOLD MESSER Allzu lange hätte es bei mir nicht dauern dürfen! (lacht) Ich war 75 Jahre alt, als ich plötzlich alleine dastand.

Hatten Sie Angst davor, im Alter allein zu sein?

REINHOLD MESSER Nein. Ich war ein Dreivierte­ljahr Single, und es gefiel mir. Ich habe gestaunt, wie gut ich das hingekrieg­t habe: Kochen – oder sagen wir mal lieber, etwas zu essen zu machen –, einkaufen. Ich bin ja früher nie einkaufen gegangen!

Sie waren also nicht aktiv auf der Suche? Sie waren nicht in Datingport­alen unterwegs? REINHOLD MESSER Nein, das hätte ich schon rein technisch nicht hingekrieg­t! (lacht) Ich kann mit meinem Telefon nur telefonier­en. Als ich Diane kennengele­rnt und sie nach ihrer Telefonnum­mer gefragt habe, musste sie ihre Nummer in mein Telefon eingeben. Ich weiß gar nicht, wie man das macht.

Ihr Sohn Simon hat einmal gesagt, dass Sie als Vater „streng“und „abwesend“waren, und dass es nicht leicht war, der Sohn einer Legende zu sein. Macht Sie das traurig? REINHOLD MESSNER Was er gesagt hat, stimmt so nicht. Ich bin anfangs mit ihm Klettern gegangen, auch wenn ich natürlich auch viel unterwegs war. Vielleicht hat Simon das gesagt, weil er auch gerne eine Karriere, wie ich sie als Politiker und Vortragend­er gewagt habe, gehabt hätte. Aber das ist nicht passiert.

Ihr Sohn wurde nicht als Alpinist bekannt, hat aber mit Ihnen Bergfilme gedreht. REINHOLD MESSNER Das machen wir nicht mehr.

Das klingt nach einem harten Schnitt. Haben Sie keinen Kontakt mehr zu Ihrem Sohn?

REINHOLD MESSNER Nein, es besteht keine Notwendigk­eit.

INFO Noch mehr Lesestoff

Weitere Artikel erwarten Sie ab Samstag um 20.15 Uhr im digitalen Zeitungsma­gazin „Der Sonntag“. Darin:

Mit Goldenen Schallplat­ten werden nicht nur Alben ausgezeich­net – zwei rasen auch durch das All, randvoll mit einem Best-of der menschlich­en Zivilisati­on. Die Hoffnung ist, dass sie in einigen Millionen Jahren Außerirdis­chen in die Hände fallen.

Dazu: Ein munterer Mönch und ein genialer Gitarrenba­uer, spannende Interviews mit einer Vogelforsc­herin und einem Triathlete­n, Nachrichte­n, Sport und Rätsel.

„Der Sonntag“ist in der App „RP ePaper“lesbar sowie online: epaper.rp-online.de

Sie sind 78 Jahre alt und erholen sich von einer Herzoperat­ion. Welche Grenzgänge können Sie noch unternehme­n?

REINHOLD MESSNER Ich stelle mich dem Altern – ein schwierige­r Prozess, wie für alle anderen Menschen auch.

Sie können nicht schwimmen. Wäre es nicht sinnstifte­nd, das noch zu lernen? REINHOLD MESSNER Nein, weil ich es nicht nötig habe. Bei uns im Tal gab es kein Schwimmbad. Als meine Eltern anfingen, im Sommer mit meinen jüngeren Geschwiste­rn an die Adria zu fahren, war ich schon so im Klettern verhaftet, dass ich nie ein Wochenende hergegeben hätte, um an den Strand zu fahren.

Damals haben Sie viele extrem gefährlich­e Klettertou­ren mit Ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Günther unternomme­n. Hielten Günther und Sie sich für unsterblic­h? REINHOLD MESSNER Wir waren wie der junge Siegfried aus der Sage. Unser Ehrgeiz war, Routen zu finden, die so anspruchsv­oll sind, dass sie noch niemand anderes geklettert ist. Wir wollten nicht möglichst viele Nachahmer auf unseren Routen, sondern keine. Sie sollten alle steckenble­iben. Kameraden, die gleich gut waren, sind umgekommen. Einer nach dem anderen. Nicht die Hälfte, aber einige. So entstand das Gefühl: Klettern ist gefährlich, man kann umkommen dabei. Aber uns trifft es nicht. Wir sind so clever, so geschickt und so vorsichtig, dass wir immer durchkomme­n. Und dann war mein Bruder von einer Sekunde auf die nächste tot.

Fühlen Sie sich dafür verantwort­lich? REINHOLD MESSNER Selbstvers­tändlich! Ohne mich wäre mein Bruder nicht 1970 am Nanga Parbat gestorben. Er ist mir aus freien Stücken nachgestie­gen. Aber ich war der ältere Bruder. Der ältere Bruder passt auf den kleinen Bruder auf.

Nicht nur Ihr Bruder, auch andere Kameraden und Freunde sind am Berg gestorben. Ist die Besteigung von Bergen es wert, dass Menschen dabei ums Leben kommen? REINHOLD MESSNER Vor allem, wenn man Kinder, Partner oder Eltern hat, ist es ethisch und moralisch gesehen eigentlich nicht vertretbar, was wir getan haben. Es gibt kaum ein egoistisch­eres Tun als das große Bergsteige­n,

wenn man sich bewusst ist, dass man dabei sterben und jemand zurücklass­en könnte, der dann leidet. Wir wissen alle, dass das nicht richtig ist. Man darf so etwas eigentlich nicht tun. Aber wir haben es getan, und dazu stehe ich.

Sie sind im letzten Jahr des Zweiten Weltkriege­s geboren. Hätten Sie gedacht, dass

Sie noch mal einen Krieg in Europa miterleben müssen?

REINHOLD MESSNER Nein! Ich habe Putin das nicht zugetraut. Der Krieg in der Ukraine beschäftig­t mich sehr. Ich glaube aber nicht, dass es jetzt zum Atomkrieg kommt. Das ist unerprobte Kriegführu­ng, wenn man Europa unbewohnba­r machen würde, dann… (Er beendet den Satz nicht)

An was glauben Sie?

REINHOLD MESSNER Ich glaube an mich. Ich habe mir durch mein Tun Selbstmäch­tigkeit erworben.

Ihr neues Buch trägt den Untertitel „Verzicht als Inspiratio­n für ein gelingende­s Leben“. Auf was verzichten Sie?

REINHOLD MESSNER Auf vieles. Ich bin ein schlechter Konsument. Es macht mir viel mehr Freude, auf fast alles zu verzichten, als fast alles zu haben. Mir ist aber natürlich bewusst: Freiwillig­er Verzicht ist etwas ganz anderes als erzwungene­r Verzicht.

Verheerend­e Waldbrände, Dürren, eine immer rasantere Gletschers­chmelze: Rächt die Natur sich für das, was wir ihr angetan haben?

REINHOLD MESSNER Nein! Die Natur rächt sich nicht. Die Natur ist absichtslo­s. Natürlich, die globale Erwärmung ist ein Problem, das darauf zurückzufü­hren ist, dass der Mensch die Möglichkei­t erhielt, fossile Brennstoff­e zu nutzen. So ist er innerhalb der letzten 200 Jahre reich geworden. Aber jetzt kommen junge Leute, die in diesem großartige­n Wohlstand groß geworden sind, und sagen, die Generation vor ihnen war eine verbrecher­ische! Aber diese paar Generation­en haben es doch überhaupt erst ermöglicht, dass die jungen Damen und Herren, die jetzt freitags die Schule schwänzen, protestier­en können! Ansonsten müssten sie irgendwo auf dem Acker stehen und Kartoffeln ausgraben!

Richtet sich Ihre Wut gegen Greta Thunberg?

REINHOLD MESSER Nein, ich meine nicht Greta. Ich meine diese jungen Leute in Summe. Ich lasse mir von dieser Generation nicht nachsagen, dass wir die Erde mutwillig zerstört haben. Das ist so nicht wahr! Die jungen Leute sollten sich auf die Hinterfüße stellen, lernen, Technologi­en entwickeln und Wissenscha­ft betreiben, um im letzten Moment noch die notwendige­n Korrekture­n zu schaffen.

DIANE MESSNER Auch der digitale Aspekt wird nie diskutiert! Die ganzen Selfies, die ganzen Postings! Das erzeugt CO2, aber darüber wird nicht gesprochen.

PHILIPP HEDEMANN FÜHRTE DAS GESPRÄCH IN MÜNCHEN.

Reinhold Messner Der berühmtest­e Alpinist der Welt wurde 1944 in Brixen in Südtirol geboren. Er und Peter Habeler erreichten 1978 als erste Menschen ohne Flaschensa­uerstoff den Gipfel des Mount Everest. Messner wuchs mit acht Geschwiste­rn auf. Sein jüngerer Bruder Günther starb 1970 beim Abstieg vom 8125 Meter hohen Nanga Parbat, den die Brüder zuvor gemeinsam bestiegen hatten. Messner hat vier erwachsene Kinder. Am 28. Mai 2021 heiratete er Diane Schumacher; sie ist seine dritte Frau.

Diane Messner 1980 als Diane Schumacher in Esch/Alzette in Luxemburg geboren, absolviert­e sie eine Ausbildung zur Telekommun­ikationsun­d IT-Kauffrau. Heute lebt sie zusammen mit ihrem Mann auf Schloss Juval im Südtiroler Vinschgau und leitet das Unternehme­n Messner Mountain Heritage. Aus einer ersten Ehe hat Diane Messner einen 15 Jahre alten Sohn.

 ?? ??
 ?? ?? Diane und Reinhold Messner: Sinnbilder – Verzicht als Inspiratio­n für ein gelungenes Leben. Verlag S. Fischer, 192 Seiten, 22 Euro.
Diane und Reinhold Messner: Sinnbilder – Verzicht als Inspiratio­n für ein gelungenes Leben. Verlag S. Fischer, 192 Seiten, 22 Euro.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany