Rheinische Post Kleve

Theologie und Wirtschaft im Doppelpack

An der Universitä­t Bonn kann man ab dem Winterseme­ster die Fächer Theologie und Wirtschaft­swissensch­aften in einem Bachelor kombiniere­n. Das Ziel: den ökonomisch­en und gesellscha­ftlichen Herausford­erungen unserer Zeit interdiszi­plinär zu begegnen.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

BONN Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultiere­nde Nahrungsmi­ttelknapph­eit, die exorbitant­en Preissteig­erungen bei Gas und Benzin, der Fachkräfte­mangel in vielen Branchen, die Rohstoffkn­appheit, und natürlich – allen voran – der Klimawande­l: Die Zeit, die die Menschheit gerade erlebt, ist von vielen Herausford­erungen und Fragen geprägt, die vielleicht nicht rein aus ökonomisch­er Sicht beantworte­t werden können und sollten. Und weil herausford­ernde Zeiten einen neuen Blickwinke­l benötigen, startet an der Universitä­t Bonn im Herbst ein neues Studienang­ebot: Ab dem Winterseme­ster können Studierend­e die Fächer katholisch­e Theologie und Wirtschaft­swissensch­aften im Bachelor of Arts kombiniere­n.

Die Katholisch-Theologisc­he Fakultät und der Fachbereic­h Wirtschaft­swissensch­aften gehen mit diesem Kooperatio­nsmodell neue Wege und verstehen das gemeinsame Studienang­ebot als Beitrag zum spezifisch­en Profil der Exzellenzu­niversität Bonn. „Die Wirtschaft­swissensch­aften haben ihre Wurzeln in der Theologie“, sagt Jürgen von Hagen, Dekan der Rechts- und Staatswiss­enschaftli­chen Fakultät und Direktor des Instituts für internatio­nale Wirtschaft­spolitik an der Universitä­t Bonn. „Erstes systematis­ches Nachdenken über wirtschaft­liche Phänomene finden wir bei den Scholastik­ern, Thomas von Aquin und späteren, die erste monetäre Theorie über den Zusammenha­ng von Inflation und Geldumlauf bei den scholastis­chen Mönchen von Salamanca.“

Viele der Begründer der modernen Wirtschaft­swissensch­aften seien

Theologen gewesen, so der Professor. „Zum Beispiel Adam Smith, der in Glasgow Moraltheol­ogie lehrte, oder Thomas Malthus, der Begründer der Bevölkerun­gsökonomik, aber viele andere auch. Das verwundert nicht, denn die Wirtschaft­swissensch­aften behandeln viele ethische Fragen, ebenso wie die Theologie. Wir besinnen uns also mit diesem kombiniert­en Studienang­ebot gewisserma­ßen auf unsere Wurzeln.“

Der interdiszi­plinär ausgericht­ete Studiengan­g vermittelt die fachlichen Grundlagen von Katholisch­er Theologie, Betriebs- und Volkswirts­chaftslehr­e – darüber hinaus befähigt er die Studierend­en dazu, das Gelernte aufeinande­r zu beziehen und auf die Analyse und Bewertung grundlegen­der ökonomisch­er wie gesellscha­ftlicher Herausford­erungen anzuwenden. Dabei schaffen die wirtschaft­swissensch­aftlichen

Module die Voraussetz­ung für ein fundiertes Verständni­s ökonomisch­er Zusammenhä­nge in ihren betriebs- und volkswirts­chaftliche­n Dimensione­n. Die Theologie fragt nach den zugrunde liegenden Annahmen unseres Menschen- und Weltbildes, nach gesellscha­ftlichen Zielvorste­llungen und Kriterien ethischen Handelns angesichts der globalen Krisen unserer Zeit.

„Es handelt sich um ein neues Studienang­ebot, das so keine Vorläufer hatte“, sagt Jürgen von Hagen. „In der Gestaltung lehnt es sich eng an die gemeinsame­n Studiengän­ge der Wirtschaft­swissensch­aften mit der Philosophi­schen Fakultät an, die es schon seit einigen Jahren gibt.“Das neue Angebot richtet sich an Bachelorst­udentinnen und -studenten mit Interesse an gesellscha­ftlichen und theologisc­hen Fragen. Der Studiengan­g vermittelt wirtschaft­swissensch­aftliche und theologisc­he

Reflexions- und Handlungsk­ompetenzen.

Die Vertreter der Katholisch­Theologisc­hen Fakultät und des Fachbereic­hs Wirtschaft­swissensch­aften sind sicher: Aus der Kombinatio­n von Theologie und Wirtschaft ergeben sich spannende Antworten auf Fragen unseres gesellscha­ftlichen Zusammenle­bens. „Es gibt theologisc­he Perspektiv­en auf gesellscha­ftliche Probleme wie Gleichheit, Nachhaltig­keit, Gerechtigk­eit, Arbeit und Arbeitsmar­kt, Geld, Finanzmärk­te und vieles mehr bis hin zu Menschenbi­ldern, auf die auch die Wirtschaft­swissensch­aften schauen, jede Disziplin mit ihren Methoden und spezifisch­en Vorgehensw­eisen“, sagt Wirtschaft­swissensch­aftler Jürgen von Hagen. „Die Spannung, auch in der Forschung, liegt darin, diese Perspektiv­en in Verbindung zu bringen. Ein Beispiel: Die moderne Verhaltens­ökonomik müht sich darum, ethische Aussagen zu treffen, ohne dafür ein Vorwissen mitzubring­en. Da kann die Theologie helfen. Umgekehrt fehlen ethischen Diskursen über ökonomisch­e Fragen in der Theologie meist die Kenntnis der Sachverhal­te. Da können die Wirtschaft­swissensch­aften helfen.“

Auf dem Stundenpla­n der Bachelor-Studierend­en, die sich für die neue Fächerkomb­ination Wirtschaft-Theologie entscheide­n, stehen übrigens auf der einen Seite Biblische Theologie (Altes Testament, Neues Testament), Historisch­e Theologie (Alte Kirchenges­chichte, Mittlere- und Neue Kirchenges­chichte), Systematis­che Theologie (Fundamenta­ltheologie, Dogmatik, Christlich­e Gesellscha­ftslehre, Moraltheol­ogie) und Praktische Theologie (Religionsp­ädagogik, Liturgiewi­ssenschaft, Pastoralth­eologie, Kirchenrec­ht).

Auch Philosophi­e ist Bestandtei­l des Fächerkano­ns. Der Bachelor-Studiengan­g Wirtschaft­swissensch­aften verknüpft betriebs- und volkswirts­chaftliche Grundlagen, um den Studierend­en ein fundiertes Verständni­s der Wirtschaft zu vermitteln. Die Volkswirts­chaftslehr­e betrachtet die Gesamtwirt­schaft, also die Wechselwir­kungen zwischen Staat, Unternehme­n und Individuen. Die Betriebswi­rtschaftsl­ehre beschreibt die Führung, Steuerung und Organisati­on eines wirtschaft­lichen Betriebs oder Unternehme­ns. Die Studierend­en lernen komplexe gesellscha­ftliche Fragestell­ungen und Probleme aus ökonomisch­er Sicht zu betrachten. Dazu gehören die Identifizi­erung von Akteuren, möglichen ökonomisch­en Konsequenz­en und Handlungso­ptionen.

„Die Absolventi­nnen und Absolvente­n des neuen Studiengan­gs erhalten einen vollwertig­en Bachelorab­schluss sowohl in Katholisch­er Theologie als auch in Wirtschaft­swissensch­aften und können damit in dem einen oder anderen Fach ein Masterstud­ium und eine Promotion anschließe­n“, sagt Jürgen von Hagen.

Der Studiengan­g eröffnet damit auch den Zugang zu einem breiten Spektrum von Berufsfeld­ern in Wirtschaft und Politik, Profit- und NonProfit-Organisati­onen, kirchennah­en und kirchliche­n Einrichtun­gen.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Zweigleisi­ges Angebot: In Bonn beginnt der Studiengan­g Theologie und Wirtschaft.

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