„Die drei ???“auf Wanderschaft
Die Hörspiel-Episode Nummer 220 erscheint an diesem Freitag: „Im Wald der Gefahren“erzählt von einem Ausflug der Ermittler nach Montana. Sie wollen Zeit in der Natur verbringen. Aber bald tut sich in der Idylle ein Abgrund auf.
Es ist immer schön, wenn „Die drei ???“mal nicht daheim in Rocky Beach ermitteln, sondern bei Ausflügen auf Geheimnisse, Ungereimtheiten und Mysteriöses stoßen. Diese Episoden fühlen sich auch für das Publikum wie Urlaub an, und deshalb lässt man sich gleich zu Beginn der neuen Folge fallen. Sie beginnt als Idylle: „Berge, Wälder, Seen, und hinter jeder Kuh war ein neuer atemberaubender Blick“, diktiert Bob auf der Fahrt von Kalifornien nach Montana in das Reisetagebuch in seinem Handy. Viel mehr Zeit zum Entspannen wird ihm allerdings nicht bleiben.
„Im Wald der Gefahren“lautet der Titel von Folge 220. Die Vorlage erschien Anfang vergangenen Jahres als Buch, und geschrieben wurde sie von André Marx, der mit weit mehr als 30 Bänden (darunter die Jubiläumsepisode „Die Toteninsel“) der Autor mit den meisten Beiträgen zu dieser Reihe ist. Die Idee zum neuen Werk sei ihm auf einem Waldspaziergang gekommen, verriet er. Man wüsste gerne, in welchem Wald das gewesen ist. Dann könnte man ihn weiträumig umfahren.
Die drei schönsten Momente beim Abspielen einer bislang ungehörten „Drei ???“-Episode sind erstens das Hereinwehen der Titelmelodie, zweitens das Wiederhören mit den Stimmen von Oliver Rohrbeck ( Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw) und Andreas Fröhlich (Bob Andrews) sowie drittens der Auftritt von Erzähler Axel Milberg. Überhaupt ist der Erzähler ja traditionell derjenige, der den Überblick behält, er mutet wie der Schutzengel der Hörerschaft an, er bietet eine Schulter zum Anlehnen, denn solange er da ist, wird der Grusel ein gewisses Maß nicht überschreiten. Milbergs Vorgänger in diesem herausragenden Job waren übrigens Peter Pasetti (Folge eins bis 64), Matthias Fuchs (65 bis 103) und Thomas Fritsch (104 bis 186).
Man begegnet den „Drei ???“nun also auf der Fahrt über die Interstate 90 zum Ort Two Creeks, sie wollen dort ein paar Tage mit einer geführten Gruppe über den Capricorn Peak wandern. Peters Opa hatte ihm die Reise geschenkt, aber wegen einer Verletzung musste er passen, also lud der Enkel seine beiden Freunde ein, ihn zu begleiten. In Two Creeks sind sie mit dem Survival-Meister
Ralph im Green House verabredet. Aber schon 300 Meter nach dem Ortsschild haben sie den Ort komplett durchfahren, ohne das Haus zu finden. Sie wenden den Wagen, und da ahnen sie bereits, dass das hier doch keine Zeit der Erholung werden wird.
Stellenweise erinnert „Im Wald der Gefahren“an die Episode „Der Nebelberg“, die in den Rocky Mountains spielt. Es gibt immer wieder Passagen, in denen Axel Milberg sich zu poetischen Landschaftsbeschreibungen
aufschwingt: „Grünes Licht fiel auf den weichen Waldboden.“Das kontrastiert gut mit dem Unheil, das im Dunkeln zwischen den Bäumen lauert. Ein zwielichtiger Kerl namens Mr. Eddington stößt zu der Gruppe, Unfälle passieren, ein Bär taucht auf, ein Vogelhäuschen entpuppt sich als toter Briefkasten, und Peter macht eine irgendwie psychedelische Erfahrung.
Der Kulturjournalist André Boße hat in seiner bei Reclam erschienenen Monografie über „Die drei ???“
von der permanenten Gegenwart geschrieben, die in dieser Serie herrsche: drei Jungs gefangen in der Dauerschleife der Ermittlungen. Dazu trage bei, dass Männer um die 60 ihre Stimme an Jungen verleihen, die etwa 17 sind. Dieser Zustand der Zeitlosigkeit wird auch in „Im Wald der Gefahren“nicht aufgebrochen – jedenfalls, wenn man darüber hinwegsieht, dass Bob am Anfang in sein Handy diktiert, anstatt ins Notizbuch zu schreiben. Immer wieder stößt man im weiteren Verlauf
auf grandios oldschoolige Sätze wie den von der Herbergsmutter gesprochenen „Marsch, zurück in die Betten“.
Das Sounddesign von „Im Wald der Gefahren“ist gelungen, die beste Stelle ist jene, in der zwei Personen auf einem See treiben und in die Strömung geraten, die sie Richtung Wasserfall zieht. Da bekommt man Klänge geboten, die jedes Krautrock-Stück verzieren würden: Elektroakustik-Kunst. Und dass man dranbleibt und gar nicht aufhören mag zuzuhören, liegt auch an diesen Fragen, die eben nur in „Die drei ???“-Hörspielen gestellt werden: „Wer hat dich so zusammengeschnürt? Und wer ist dieser Mann da auf dem Feldbett?“Geradezu klassisch sind auch Spannungstrigger wie: „Still, sch scht, leise! Da draußen ist jemand.“
„Im Wald der Gefahren“ist ohnehin klassischer Stoff. Allein, dass es diese Produktion überhaupt gibt, wirkt schon beruhigend: „Die drei ???“sind noch da. So schlimm kann es um die Welt also nicht stehen.