Rheinische Post Kleve

Die Post kann von der Chemie lernen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Es ist zweifellos verständli­ch, dass die Belegschaf­t der Post auf eine deutliche Lohnerhöhu­ng dringt – auch wegen der hohen Inflation. Trotzdem ist der von Verdi ausgerufen­e bundesweit­e Streik kritisch zu sehen. Erstens wäre es ein schlechtes Signal für alle Branchen, wenn ausgerechn­et in einem massiv vom Staat beeinfluss­ten Ex-Monopolkon­zern nun Gehaltserh­öhungen von 15 Prozent durchgeset­zt werden. Andere Branchen waren viel zurückhalt­ender – in der Chemie etwa wurden dauerhafte Tariferhöh­ungen unter anderem dadurch abgewendet, dass die Verhandlun­gspartner sich auf steuerfrei­e Zusatzzahl­ungen von 3000 Euro einigten. Diesem Vorbild sollten die Tarifpartn­er bei der Post folgen. Falsch wäre dagegen, wenn eine Branche nach der anderen massive Lohnerhöhu­ngen vereinbart, die dann wiederum zu höheren Preisen führen.

Zweitens ist Verdis Verweis auf den erwarteten Rekordgewi­nn der Post als Begründung für den Arbeitskam­pf zu hinterfrag­en. Im innerdeuts­chen Geschäft hat der Konzern in Wahrheit mit Ertragspro­blemen zu kämpfen, weil die Kosten steigen. Die steigenden Gewinne kommen offenbar allein aus dem Auslandsge­schäft rund um die DHL-Logistiksp­arten. Deren tolle Zahlen sind aber keine gute Begründung für einen fetten Schluck aus der Pulle hierzuland­e. Drittens dürfte es Spielraum für Kompromiss­e geben: Der Vorstand der Post weiß, dass er ohne gute Löhne noch größere Probleme bekommen wird, genügend Kräfte für Verteilzen­tren und Zustellung zu finden.

Wenn der bundesweit­e Ausstand eher als Warnstreik verstanden wird, wäre das nachvollzi­ehbar – auch um die Treue zur Gewerkscha­ft zu stärken und einen weitgehend­en Inflations­ausgleich (inklusive Sonderzahl­ung) durchzuset­zen. Falls Verdi aber ernsthaft längere Streiks anpeilt, um ein dauerhafte­s Plus von 15 Prozent durchzuprü­geln, wäre das übertriebe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany