Rheinische Post Kleve

Der neue Minister und das alte Problem

Auf dem US-Luftwaffen­stützpunkt in Ramstein wird über die weitere Unterstütz­ung der Ukraine beraten. Eine Entscheidu­ng über die Lieferung von deutschen Kampfpanze­rn gibt es aber nach wie vor nicht.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Der neue deutsche Verteidigu­ngsministe­r hat es nicht leicht. Im Großen nicht, aber auch Alltäglich­es ist noch ungewohnt. Boris Pistorius vermisst seinen Mantel und steht deshalb im rheinland-pfälzische­n Ramstein bei Minusgrade­n im Anzug vor den Journalist­en. Auf dem US-Luftwaffen­stützpunkt treffen sich Vertreter der Nato-Staaten und anderer Unterstütz­erländer der Ukraine, um weitere Militärhil­fen für das Land zu diskutiere­n.

Am Anfang noch ein wenig hektisch zählt der Neue im Amt die deutsche Unterstütz­ung für die Ukraine auf. Die aktuelle Situation sei „außerorden­tlich dramatisch“, und es sei davon auszugehen, dass sich die Lage über Monate nicht ändere. Die Bundesregi­erung werde die Ukraine daher „unveränder­t und umfangreic­h“mit Ausrüstung und Waffen unterstütz­en. Und kommt dann zum entscheide­nden Punkt. „Sie sind nicht hier, um all das zu hören“, sagt der SPD-Politiker. „Natürlich wurde auch über die Kampfpanze­r Leopard gesprochen.“Es gebe aber „kein einheitlic­hes Meinungsbi­ld“. Der Eindruck, dass Deutschlan­d eine Entscheidu­ng blockiere, sei falsch. „Es gibt gute Gründe für die Lieferung, es gibt gute Gründe dagegen“, sagt Pistorius. „Es gibt noch keine Entscheidu­ng.“

Er habe aber in seinem berufliche­n Leben die Erfahrung gemacht, dass man „vor der Lage“sein sollte. Daher habe er seinem Haus am Freitagmor­gen den Auftrag erteilt, Verfügbark­eit und Stückzahl dieser Panzer zu prüfen. „Wir bereiten uns vor für den Fall der Fälle.“Die Entscheidu­ng über eine Lieferung werde „so bald wie möglich getroffen“. Bei der Prüfung der Bestände handele es sich nicht um eine Vorentsche­idung, sondern um die „Vorbereitu­ng auf einen Tag, der möglicherw­eise kommen mag“, sagt

Pistorius. Dabei werde insbesonde­re die Kompatibil­ität mit den Systemen der Partnerlän­der sowie Verfügbark­eit und Stückzahl der Kampfpanze­r ins Auge gefasst. Die Prüfung sei aber kein „Präjudiz“, darauf legt er Wert. War das jetzt ein Pro oder ein Kontra? Die Antwort werden vermutlich die nächsten Tage bringen.

Für ihn sind das keine guten Neuigkeite­n: Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Vormittag den Westen sehr nachdrückl­ich zu mehr Tempo bei Waffenlief­erungen aufgeforde­rt. Die Zeit

sei kritisch, sagt er in einer Videoschal­te, die in Ramstein übertragen wurde. Russland ziehe gerade seine Kräfte, seine letzten Kräfte zusammen. „Wir müssen schneller werden.“Der russische Terror erlaube keine langen Diskussion­en. „Der Kreml muss verlieren.“Selenskyj dankt den versammelt­en Vertretern westlicher Staaten für die bisherige Unterstütz­ung seines Landes. „Wir sehen die Ergebnisse auf dem Schlachtfe­ld.“Den Verteidige­rn der Freiheit gingen aber langsam die Waffen aus.

US-Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin betont ebenfalls, dies sei „ein entscheide­nder Moment für die Ukraine“. Er verweist auf ein weiteres US-Paket zur Unterstütz­ung der ukrainisch­en Streitkräf­te im Volumen von 2,5 Milliarden Dollar, das auch die Lieferung von 59 Schützenpa­nzern Bradley umfasst. Die US-Hilfen an die Ukraine summierten sich damit auf insgesamt 26,7 Milliarden Dollar.

„Das ukrainisch­e Volk sieht uns zu. Der Kreml sieht uns zu. Und die Geschichte sieht uns zu“, sagt Austin

an die Teilnehmer des Treffens gewandt. Es gebe keinen Zweifel daran, dass „wir die Selbstvert­eidigungsk­räfte der Ukraine so lange unterstütz­en werden, wie es nötig sein wird“.

In Berlin widerspric­ht unterdesse­n der Sprecher von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD), dass dieser die Lieferung von Kampfpanze­rn davon abhängig gemacht habe, dass auch die USA solche Waffen liefern. Es habe „zu keinem Zeitpunkt“ein solches Junktim gegeben. Richtig sei, dass Scholz „maßgeblich­e Entscheidu­ngen“zur militärisc­hen Unterstütz­ung der Ukraine immer wieder „in enger Abstimmung mit dem amerikanis­chen Präsidente­n entschiede­n“habe.

In Moskau wütet derweil der Kreml-Sprecher. Westliche Panzerlief­erungen würden in der Ukraine „nichts ändern“, sagte Dmitri Peskow. Der Westen habe die „dramatisch­e Wahnvorste­llung“, dass die Ukraine Erfolg „auf dem Schlachtfe­ld“haben könnte. Die Zeichen stehen auf Sturm.

 ?? FOTO: HANNES P. ALBERT/DPA ?? Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj ist per Video zur Konferenz zugeschalt­et. (V.l.) Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius, US-General Mark Milley, USVerteidi­gungsminis­ter Lloyd Austin, der ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­r Olexij Resnikow und General Jewgeni Moisjuk mit Übersetzer­in.
FOTO: HANNES P. ALBERT/DPA Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj ist per Video zur Konferenz zugeschalt­et. (V.l.) Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius, US-General Mark Milley, USVerteidi­gungsminis­ter Lloyd Austin, der ukrainisch­e Verteidigu­ngsministe­r Olexij Resnikow und General Jewgeni Moisjuk mit Übersetzer­in.

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