Der neue Minister und das alte Problem
Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein wird über die weitere Unterstützung der Ukraine beraten. Eine Entscheidung über die Lieferung von deutschen Kampfpanzern gibt es aber nach wie vor nicht.
Der neue deutsche Verteidigungsminister hat es nicht leicht. Im Großen nicht, aber auch Alltägliches ist noch ungewohnt. Boris Pistorius vermisst seinen Mantel und steht deshalb im rheinland-pfälzischen Ramstein bei Minusgraden im Anzug vor den Journalisten. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt treffen sich Vertreter der Nato-Staaten und anderer Unterstützerländer der Ukraine, um weitere Militärhilfen für das Land zu diskutieren.
Am Anfang noch ein wenig hektisch zählt der Neue im Amt die deutsche Unterstützung für die Ukraine auf. Die aktuelle Situation sei „außerordentlich dramatisch“, und es sei davon auszugehen, dass sich die Lage über Monate nicht ändere. Die Bundesregierung werde die Ukraine daher „unverändert und umfangreich“mit Ausrüstung und Waffen unterstützen. Und kommt dann zum entscheidenden Punkt. „Sie sind nicht hier, um all das zu hören“, sagt der SPD-Politiker. „Natürlich wurde auch über die Kampfpanzer Leopard gesprochen.“Es gebe aber „kein einheitliches Meinungsbild“. Der Eindruck, dass Deutschland eine Entscheidung blockiere, sei falsch. „Es gibt gute Gründe für die Lieferung, es gibt gute Gründe dagegen“, sagt Pistorius. „Es gibt noch keine Entscheidung.“
Er habe aber in seinem beruflichen Leben die Erfahrung gemacht, dass man „vor der Lage“sein sollte. Daher habe er seinem Haus am Freitagmorgen den Auftrag erteilt, Verfügbarkeit und Stückzahl dieser Panzer zu prüfen. „Wir bereiten uns vor für den Fall der Fälle.“Die Entscheidung über eine Lieferung werde „so bald wie möglich getroffen“. Bei der Prüfung der Bestände handele es sich nicht um eine Vorentscheidung, sondern um die „Vorbereitung auf einen Tag, der möglicherweise kommen mag“, sagt
Pistorius. Dabei werde insbesondere die Kompatibilität mit den Systemen der Partnerländer sowie Verfügbarkeit und Stückzahl der Kampfpanzer ins Auge gefasst. Die Prüfung sei aber kein „Präjudiz“, darauf legt er Wert. War das jetzt ein Pro oder ein Kontra? Die Antwort werden vermutlich die nächsten Tage bringen.
Für ihn sind das keine guten Neuigkeiten: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Vormittag den Westen sehr nachdrücklich zu mehr Tempo bei Waffenlieferungen aufgefordert. Die Zeit
sei kritisch, sagt er in einer Videoschalte, die in Ramstein übertragen wurde. Russland ziehe gerade seine Kräfte, seine letzten Kräfte zusammen. „Wir müssen schneller werden.“Der russische Terror erlaube keine langen Diskussionen. „Der Kreml muss verlieren.“Selenskyj dankt den versammelten Vertretern westlicher Staaten für die bisherige Unterstützung seines Landes. „Wir sehen die Ergebnisse auf dem Schlachtfeld.“Den Verteidigern der Freiheit gingen aber langsam die Waffen aus.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin betont ebenfalls, dies sei „ein entscheidender Moment für die Ukraine“. Er verweist auf ein weiteres US-Paket zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte im Volumen von 2,5 Milliarden Dollar, das auch die Lieferung von 59 Schützenpanzern Bradley umfasst. Die US-Hilfen an die Ukraine summierten sich damit auf insgesamt 26,7 Milliarden Dollar.
„Das ukrainische Volk sieht uns zu. Der Kreml sieht uns zu. Und die Geschichte sieht uns zu“, sagt Austin
an die Teilnehmer des Treffens gewandt. Es gebe keinen Zweifel daran, dass „wir die Selbstverteidigungskräfte der Ukraine so lange unterstützen werden, wie es nötig sein wird“.
In Berlin widerspricht unterdessen der Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass dieser die Lieferung von Kampfpanzern davon abhängig gemacht habe, dass auch die USA solche Waffen liefern. Es habe „zu keinem Zeitpunkt“ein solches Junktim gegeben. Richtig sei, dass Scholz „maßgebliche Entscheidungen“zur militärischen Unterstützung der Ukraine immer wieder „in enger Abstimmung mit dem amerikanischen Präsidenten entschieden“habe.
In Moskau wütet derweil der Kreml-Sprecher. Westliche Panzerlieferungen würden in der Ukraine „nichts ändern“, sagte Dmitri Peskow. Der Westen habe die „dramatische Wahnvorstellung“, dass die Ukraine Erfolg „auf dem Schlachtfeld“haben könnte. Die Zeichen stehen auf Sturm.