Rheinische Post Kleve

Neuer Vorschlag für Wahlrechts­reform

Die Union hat den Entwurf der Ampel gekontert. Weg zu einem kleineren Parlament bleibt umstritten.

- VON JAN DREBES, SEBASTIAN NETZ UND JULIA STRATMANN

Seit nunmehr zehn Jahren wird im Bundestag um eine Wahlrechts­reform gerungen, die eine Verkleiner­ung des Parlaments zum Ergebnis haben soll. Schon jetzt ist er mit 736 Mandaten das weltweit größte frei gewählte Parlament. Nach den Ampel-Fraktionen hat nun auch die Union Vorschläge für Änderungen vorgelegt. Die Fronten sind massiv verhärtet, ein Kompromiss scheint nicht in Sicht. Eine Gegenübers­tellung der Konzepte:

Überhangma­ndate

Ein wesentlich­er Grund für das starke Wachstum des Bundestags sind die Überhangma­ndate und damit verbundene Ausgleichs­mandate. Um das Parlament zu verkleiner­n, wollen die AmpelFrakt­ionen diese Mandate deshalb abschaffen. Die Wahl eines Abgeordnet­en in einem Wahlkreis hat dann nicht mehr einen zwangsläuf­igen Einzug in den Bundestag zur Folge. Stattdesse­n würden die Direktkand­idaten mit dem niedrigste­n Erststimme­nanteil in einem Bundesland leer ausgehen. Damit wird die gesetzlich vorgesehen­e Größe von 598 Abgeordnet­en garantiert. Eine komplette Abschaffun­g lehnen CDU/CSU ab. Ihr Kompromiss­vorschlag: Bis zu 15 Überhangma­ndate könnten unausgegli­chen bleiben, um damit weniger Ausgleichs­mandate für alle Parteien zu schaffen. Überhänge blieben jedoch grundsätzl­ich möglich.

Wahlkreise

Die Union schlägt zudem eine Reduzierun­g und den neuen Zuschnitt von Wahlkreise­n vor. Damit würde sich die Zahl der Wahlkreise von 299 auf beispielsw­eise 270 reduzieren, was weniger Mandate zur Folge hätte. Im Gesetzentw­urf der Ampel-Fraktionen sollen die bisherigen Wahlkreise unveränder­t bleiben.

Grundmanda­tsklausel

Auch an der Grundmanda­tsklausel wollen FDP, SPD und Grüne nichts verändern. Diese ermöglicht es den Parteien, auch ohne Erreichen der Fünfprozen­thürde ins Parlament einzuziehe­n. Dafür müssen sie derzeit mindestens drei Direktmand­ate erzielen. Die Union schlägt nun vor, dass kleine Parteien dafür mindestens fünf Direktmand­ate gewinnen müssten, um weitere „Überhangef­fekte“zu reduzieren.

Stimmenver­teilung

Bei der Sitzvertei­lung im Bundestag kommt es auf ganze Zahlen an, die im Verhältnis­wahlrecht aber nicht automatisc­h erzielt werden. Deshalb muss das Sitzkontin­gent im ersten Schritt auf die Länder im Verhältnis ihres Bevölkerun­gsanteils verteilt und im zweiten Schritt im jeweiligen Bundesland auf die Parteien verteilt werden, sodass es ihrem Zweitstimm­enanteil im Bundesland entspricht. Beim ersten Schritt sieht die Union noch Optimierun­gsbedarf.

Weiteres Vorgehen

Da die Konzepte nicht miteinande­r vereinbar sind, soll es in den kommenden Tagen weitere Gespräche auf Ebene der Fraktionsv­orsitzende­n geben. Kommt es zu keiner Einigung, könnten die Fraktionen von Grünen und FDP die Pläne am Dienstag verabschie­den, um danach das parlamenta­rische Verfahren zu starten. Die Union behält sich für diesen Fall Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht vor.

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