Der Gasverkäufer aus Bagdad
Der Irak möchte mit Deutschland Geschäfte machen. Dafür besuchte der Premierminister sogar Berlin.
Der Gasverkäufer aus Bagdad heißt Mohamed Shia al-Sudani und ist kein geringerer als der neue irakische Premierminister. Kürzlich besuchte er Berlin und bot Kanzler Olaf Scholz eine Energiepartnerschaft an. Da die Beschaffung von Erdgas seit dem Ukraine-Krieg vor allem in westlichen Ländern an Bedeutung gewinnt, will der Irak auf den fahrenden Zug aufspringen. Während die Amerikaner irakisches Öl kaufen und an Gas nicht interessiert sind, war die deutsche Regierung schon überall am Golf unterwegs und hat für Gasverträge geworben. Nur in den Irak kam bislang niemand aus Berlin. Jetzt kommen die Iraker nach Deutschland und bieten ihr Gas an.
Der Irak ist ein Land der Fackeln. Fliegt man über das Zweistromland bei Nacht, brennt es überall. Vor allem im Süden gewinnt man den Eindruck, dass die Landschaft ein Flammenmeer sei. Denn südlich von Bagdad liegen die meisten und größten Ölfelder des Landes. Über zwei Millionen Fass Öl werden allein in und um Basra, der zweitgrößten Stadt, täglich gepumpt. Im ganzen Land sind es im Schnitt 4,5 Millionen am Tag. Und immer steigt Gas in den Himmel, das bei der Ölförderung anfällt. Nur im Ölfeld Rumaila,
das rund 30 Kilometer nördlich von Basra beginnt und sich bis nach Kuwait erstreckt, wird das anfallende Gas aufgefangen und verarbeitet. Rumaila ist das größte Ölfeld der Welt. Trotzdem hat Erdgas für den Irak nicht die Bedeutung wie das Erdöl. Das soll jetzt anders werden. Experten schätzen die Erdgasreserven auf 3,5 Billionen Kubikmeter.
Nach Angaben des Ölministeriums in Bagdad strebt das Land an, bis 2027 die Gasproduktion auf 170 Millionen Kubikmeter am Tag auszuweiten. Mit diesem Schritt will die Regierung nicht nur die Kapazität der Stromerzeugung erhöhen, sondern auch die industrielle
Entwicklung im Land unterstützen und das abgefackelte Begleitgas für die Flüssiggasproduktion als petrochemischen Rohstoff verwenden.
Sudani und seine Regierung wollen die Deutschen dafür gewinnen, sich im Irak für die Gasförderung zu engagieren und nicht nur Gas zu kaufen. Zwar hat die deutsche Wintershall einige kleinere Arbeiten im Nordirak durchgeführt, aber das Engagement hielt sich in Grenzen. Das hängt vor allem mit der Sicherheitslage zusammen, die im Irak über Jahre hinweg problematisch war. Doch diese verbessert sich gerade zusehends, wie der Leiter des neu eröffneten Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung
(KAS) in Bagdad feststellt. Die KAS ist die erste deutsche Stiftung, die sich in der irakischen Hauptstadt niederlässt. Zwar gebe es noch vereinzelt Anschläge von sogenannten Schläferzellen des „Islamischen Staates“(IS) im Nordirak, so Lucas Lamberty, doch insgesamt sei die Sicherheitslage gut. Deutschland ist der zweitgrößte Geber an Entwicklungshilfen des Landes.
Kaum ein Land der Welt ist so stark abhängig von den Öleinnahmen wie der Irak. Das Land ist nach Angaben der Internationalen Energieagentur der fünftgrößte Erdölproduzent. Das habe man erkannt und setze jetzt intensiv auf die Förderung von Gas, sozusagen als zweites Standbein, heißt es im Ölministerium. 2022 wurde ein erstes LNG-Terminal der Basra Gas Company eröffnet. Doch Bagdad wünscht sich mehr, als nur Gas nach Deutschland zu verkaufen. Siemens solle im Inneren des Landes die Stromversorgung verbessern. Konkret soll Siemens Energy mit fossilen und erneuerbaren Energieträgern betriebene Kraftwerke in einer Dimension von rund sechs Gigawatt auf- und ausbauen. Die schlechte Stromversorgung ist neben der misslichen Wirtschaftslage und Korruption einer der Gründe für die Massenproteste, die den Irak seit 2019 in mehreren Wellen erschütterten.