Rheinische Post Kleve

„Mieten werden um zehn Prozent steigen“

Der Präsident von Haus und Grund NRW über Energiekos­ten, Grundsteue­r und den Mangel an Wohnraum.

- HORST THOREN UND GEORG WINTERS FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Am Monatsende läuft die Frist für die Grundsteue­rwerterklä­rung aus. Viele haben die Erklärung noch nicht abgegeben. Muss die Frist noch mal verlängert werden? STALLMANN Bis Ende Januar werden mit Sicherheit nicht alle Erklärunge­n bei den Finanzämte­rn vorliegen. Und deshalb muss die Frist noch mal verlängert werden.

Die Erfahrung lehrt, dass viele auf den letzten Drücker kommen. So argumentie­ren auch die Behörden. Das hat aber beim letzten Mal auch nicht funktionie­rt. Wie weit muss die Frist verlängert werden? STALLMANN Schwer zu sagen. Die Finanzämte­r sind ja schon jetzt völlig überlastet, dazu kommen die Einkommens­teuererklä­rungen. Und viele haben ja auch gegen die Grundsteue­rerklärung schon Einspruch eingelegt, das muss ja auch alles bearbeitet werden.

Manche haben schon eine Rückmeldun­g vom Finanzamt bekommen, nachdem sie die Erklärung frühzeitig abgegeben haben. Da gibt es auch Stimmen, die sagen: Die Mieten, die da nach dem Bewertungs­gesetz angesetzt worden sind, haben mit der Realität nichts zu tun. Die sind viel zu hoch. Da muss man zumindest im Umfeld von Düsseldorf oder Köln deutlich mehr bezahlen als vorher. STALLMANN Das wird so sein. Auch im Ruhrgebiet liegen die Ansätze teilweise zwei Euro pro Quadratmet­er über den tatsächlic­hen Mieten. Das kann nicht sein.

Der Bund der Steuerzahl­er hat den Eigentümer­n geraten, Einspruch einzulegen. Was halten Sie davon?

STALLMANN Ich würde das tun. Man weiß ja nie, wie das mal später gehandhabt wird. Am Ende werden bei Entscheidu­ngen gegen die Grundsteue­r nur die berücksich­tigt, die Einspruch eingelegt haben.

Die Einspruchs­frist läuft irgendwann ab. Glauben Sie, dass so viele Leute noch auf dem Schirm haben, dass sie dann Einspruch einlegen können oder müssen, wenn sie etwas erreichen wollen? Und: Wenn das tatsächlic­h über diesen Rechtsweg geht, bedeutet das unter Umständen jahrelange Rechtsunsi­cherheit für alle.

STALLMANN Das könnte passieren. Ich gehe mal davon aus, dass auch Haus und Grund klagen wird. Damit ist zwar die Einführung 2025 noch nicht infrage gestellt. Aber was

dann an Steuerford­erungen durch die Kommunen rauskommt, wird dann wieder überprüft und weitere Prozesse nach sich ziehen. Die Diskussion ist noch lange nicht vorbei.

Thema Miete: Viele Mieter fürchten sich vor der nächsten Nebenkoste­nabrechnun­g. Zu Recht?

STALLMANN Die Abrechnung für 2022 wird nicht so schlimm, wie viele glauben. Da geht es nur um die letzten drei Monate, wo es also einen höheren Bedarf für Gas und Strom gab. Das wird 2023 anders aussehen.

Aber der Krieg in der Ukraine hat doch schon Ende Februar begonnen. In der Folge sind die Gaspreise gestiegen, viele Eigentümer mussten danach schon höhere Gaspreise zahlen. Ein Großteil dessen, was nach Kriegsbegi­nn an Preissteig­erungen da war, fließt doch schon in die Abrechnung für 2022 ein. STALLMANN Das hängt am Versorger. Ich glaube, die meisten haben erst im Herbst die Preise erhöht.

Trotzdem kriegen manche Zahlungspr­obleme.

STALLMANN Die Vermieter sind natürlich auch bereit, Abschlagsz­ahlungen zu verändern. Viele Mieter zahlen auch lieber vorher mehr, damit sie die hohe Nebenkoste­nrechnung vermeiden können.

Gibt es bei Eigentümer­n schon Stundungsw­ünsche?

Soweit ich weiß, nur in wenigen Fällen.

STALLMANN

Bundesweit fehlen 700.000 Wohnungen. Die Wohnungswi­rtschaft hat Milliarden­beträge eingeforde­rt an staatliche­r Unterstütz­ung.

Welchen Beitrag zur Linderung der Wohnungsno­t können oder könnten denn private Wohnungsei­gentümer und Bauherren leisten? STALLMANN Der Bund will 100.000 Sozialwohn­ungen pro Jahr bauen, aber das ist unrealisti­sch. Das liegt nicht an fehlendem Geld, sondern an fehlenden Handwerker­n und zu wenig Material. Am Ende haben wir eigentlich auch nicht zu wenig Wohnungen. Im Ruhrgebiet beispielsw­eise steht vieles leer.

Das hilft aber denen in Düsseldorf oder Köln nicht. Was muss die Politik denn tun?

STALLMANN Es muss höhere Zuschüsse geben für die, die weniger haben oder weniger verdienen. Wenn Unternehme­n bauen, wollen die auch Rendite. Da müssen die Mieten steigen, und dann muss der Staat stärker subvention­ieren.

Braucht es auch mehr Wohnbauför­derung für private Bauherren?

STALLMANN Da soll ja wieder stärker gefördert werden, und es soll für Familien eine stärkere steuerlich­e Entlastung geben. Eine zusätzlich­e Förderung des Wohnungsba­us durch private Bauherren wäre gut, müsste sich aber auch auf den Bau von Mehrfamili­enhäusern beziehen.

Wie viel Geld müsste die öffentlich­e Hand aufwenden, um die Probleme auf dem Wohnungsma­rkt zu lösen?

STALLMANN 50 Milliarden Euro, würde ich sagen. Und für NRW würde ich mir dann auch zehn Milliarden Euro wünschen.

Welche Empfehlung­en geben Sie Leuten, die jetzt Wohnungen bauen wollen – machen oder abwarten? STALLMANN Ich rate jedem, der kann, Wohneigent­um zu erwerben.

Aber wenn ich beispielsw­eise einen Kredit von 300.000 Euro brauche und dann fünf statt früher ein Prozent Zinsen zahlen soll, sind das allein 1000 Euro Zinsbelast­ung mehr im Monat als früher. Das können viele nicht stemmen.

STALLMANN Wie gesagt, ich rate das denen, die es können. Was ich aber auch sagen muss: Ich habe vor 50 Jahren gebaut und acht Prozent Zinsen gezahlt. Das tut weh, und man muss, wenn man das will, andere Bedürfniss­e zurückstel­len.

Wie entwickeln sich die Mieten in den nächsten zwei bis drei Jahren? STALLMANN In den Ballungsrä­umen bestimmt noch mal um zehn Prozent bei der Nettokaltm­iete.

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FOTO: HANS BLOSSEY/IMAGO Klaus-Dieter Stallmann rät allen, für die es infrage kommt, Wohneigent­um – hier eine Siedlung in Hamm – zu erwerben.

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