Käse, Cookies, Khachapuri
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eröffnen die Grüne Woche.
Frühmorgens um sieben werden auf dem Berliner Messegelände schon die ersten Kühe gewaschen. Man weiß ja nie; Politiker und Tiere, das ist eine eigene Geschichte. Früher jedenfalls. Da wurde mehr gestreichelt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) machen beim Eröffnungsrundgang der Grünen Woche in Berlin einen Bogen um die Tierhalle. Stattdessen wird umso öfter gerufen: „Wohlsein!“
In Berührung kommen beide nur mit einer Schweineattrappe, anhand derer man sehen kann, wie eng es manches Schwein noch hat. Özdemir will das ändern. Er, der Vegetarier, setzt auf mehr Tierwohl
und Stallumbauten. Im Gefolge hat er an diesem Freitagmorgen auch Bauernpräsident Joachim Rukwied. Der hat am Abend zuvor bei einer der vielen Veranstaltungen rund um die weltweit größte Agrarmesse kein gutes Haar am Minister gelassen. Nach den ersten Stationen kann man also mal fragen, wie der Grüne sich bei der Tour von Stand zu Stand, von Land zu Land so macht: „Er schlägt sich bisher gut.“Besser als andere Minister vor ihm? Rukwied überlegt kurz, sagt dann: „Alle haben sich gut geschlagen.“Erst Rabauke, jetzt Diplomat. Gut geschlagen – das heißt bei diesem Rundgang nichts anderes als: Mund auf und rein damit. Özdemir schwärmt von den „tollen Produkten“, die er auf der Grünen Woche zu sehen und zu essen bekommt.
Anfänglich tanken Özdemir und Giffey Kraft mit einem grünen Smoothie. „Der war super“, juchzt der Minister, „sensationell.“Eine Halle weiter, in den Niederlanden, erwartet ihn erstmals geballter Frohsinn – eine Blaskapelle spielt „Tulpen aus Amsterdam“, Frau Antje schiebt sich mit der Käseplatte an Özdemir und Giffey heran. In Usbekistan, wo dem Minister ein voller Teller mit Reis und Lamm gereicht wird, wehrt Özdemir ab – „danke, ich esse kein Fleisch“. Aber Tee ist gut. Ebenso marokkanische Cookies, bulgarisches Brot mit dick Butter und vor allem Khachapuri. Khacha-was? Käsestulle war gestern, heute ist es georgisches Teigbrot mit Käsefüllung. Kurz wird Özdemir politisch: „Wir versuchen, Georgien näher an die EU heranzuführen.“Sein georgischer Ministerkollege Otar Shamugia wirkt entzückt.
Auf der nach oben offenen Futterskala ist freilich weiterhin viel möglich. Nach mehr als einer Stunde stellen sich immer noch keine sichtbaren Ermüdungserscheinungen oder gar Magenprobleme bei der Politprominenz ein. Özdemir werden aufgeschlagene Kakaobohnen gereicht, dazu eine Tasse fair gehandelter Kaffee. „Wohlsein.“In
Norwegen wird er mit „Hurra“-Rufen von Menschen im Norwegerpulli begrüßt. Endlich mal ein frischer Apfelsaft. Litauen wartet mit Käse und Wurst auf, und da ist es dann auch – das erste Bierchen. Der Chef der Ernährungsindustrie greift fröhlich zu. Özdemir nimmt sich einen Sanddornsaft, er hat es nicht so mit Alkohol. „Wohlsein“, ruft er wieder.
Der Vegetarier muss dann vorbei an Bergen von Wurst (Frankreich), um nach Österreich zu gelangen. Hier wird Giffeys Problem an diesem Tag besonders deutlich: Es gibt ein Gruppenfoto. Nur Männer – und Giffey. „Es fällt schon überall sehr auf, dass ich die einzige Frau bin“, sagt sie. Und wenn nicht, würden die Frauen nur die Käseplatte halten, so Giffey. Da müsse sich noch einiges „in den Führungsspitzen“ändern.