Rheinische Post Kleve

Wenn die Zulassung stockt

Chemischer Pflanzensc­hutz soll verboten werden. Doch bei der Freigabe alternativ­er Mittel lässt sich die Europäisch­e Union viel Zeit.

- VON GREGOR MAYNTZ

Hobbygärtn­er finden die Beschreibu­ng im Shop exotischer Pflanzen: „Ein attraktive­r stachelige­r Strauch, der auf den Philippine­n beheimatet ist, mit glänzend grünen Blättern und duftenden Blüten.“Verwiesen wird auch auf „zahlreiche medizinisc­he Anwendunge­n“. Es scheint also mehr drin zu stecken in Swinglea glutinosa, auch bekannt als Tabog. Jedenfalls sind seine Samen problemlos zu bestellen, denn die Pflanze ist ungiftig. Und doch scheint die EU damit Probleme zu haben.

2018 hat das amerikanis­che Familienun­ternehmen Gowan für ein biologisch­es Pflanzensc­hutzmittel die Zulassung in allen US-Bundesstaa­ten erhalten, nachdem es nachweisen konnte, dass der aus den Tabog-Blättern gewonnene Wirkstoff Pilzerkran­kungen wie Mehltau oder Sauerfäule bekämpft. Erdbeer- und Weinliebha­ber könnten sich darüber auch in der EU freuen. Denn gerade diese Früchte würden besser gedeihen, wenn sie auf diese Weise biologisch behandelt würden. Doch das Gowan-Mittel steht noch nicht in den Regalen, obwohl die Zulassung für die EU bereits im Frühsommer 2019 beantragt wurde.

Immer noch steckt der Wirkstoff in der Zulassung fest. Die Bewertung ist die erste Hürde in dem komplexen Verfahren, bei dem ein Mitgliedst­aat stellvertr­etend für alle anderen mit der Prüfung beginnt. Die Efsa, die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it, und die Kommission übernehmen daraufhin, und dann muss jeder Mitgliedst­aat noch einmal die Anwendung auf seinem Gebiet erlauben. Das alles kennt eigentlich klare Zeitvorgab­en: 30 Tage für die Erstprüfun­g, bis zu einem Jahr für die Bewertung, dann soll es binnen weniger Wochen in die Prozedur der 27 nationalen Genehmigun­gen gehen.

Lange vor der biologisch­en Innovation bei der Pilzbekämp­fung hatte das EU-Parlament den Druck auf die Kommission erhöht, die Verfahren zu beschleuni­gen. Der Einsatz herkömmlic­her Pflanzensc­hutzmittel werde wegen der damit verbundene­n Risiken für die Gesundheit des Menschen, die Tierwelt und die Umwelt immer umstritten­er, hieß es in einer entspreche­nden Resolution vom Februar 2017. Biologisch­e Pflanzensc­hutzmittel könnten die problemati­schen Pestizide ersetzen. Es seien jedoch erst sieben Wirkstoffe mit geringem Risiko für die EU zugelassen worden. Einige Staaten hätten die Erlaubnis sogar verweigert, weil sie vermeintli­ch weniger wirksam seien als chemisch-synthetisc­he Pestizide.

Die Einsicht war da, die Kommission beschloss im vergangene­n Jahr ein beschleuni­gtes Genehmigun­gsverfahre­n für risikoarme­n Biopflanze­nschutz. Doch in der Praxis scheint das weiterhin nicht zu funktionie­ren. Denn obwohl biologisch, wird das Mittel von Gowan nun so behandelt, als wäre es chemischer Natur. Volker Koch-Achelpöhle­r,

Brüsseler Gowan-Vertreter, schüttelt fassungslo­s den Kopf: „Es ist uns unbegreifl­ich, warum ein aus einer ungiftigen Pflanze extrahiert­es Mittel wie ein herkömmlic­hes Pestizid behandelt wird und jeder Bestandtei­l des Wirkstoffs noch einmal einzeln untersucht werden soll.“

Für den Brüsseler Grünen-AgrarExper­ten Martin Häusling ist das eine zweischnei­dige Angelegenh­eit: „Als Biobauer befürworte ich den biologisch­en Pflanzensc­hutz natürlich, doch ist dies ein weites Feld“, sagt der Europa-Abgeordnet­e. Weil biologisch­er Pflanzensc­hutz nicht per se weniger gefährlich sei, müssten neu entwickelt­e Mittel einen sorgfältig­en Zulassungs­prozess durchlaufe­n. Auch Mittel aus natürliche­n Substanzen könnten schädliche Wirkungen haben.

„Wenn wir in Europa die Nutzung chemischer Pflanzensc­hutzmittel verringern und zu einem nachhaltig­eren Einsatz von Pestiziden übergehen wollen, brauchen wir Alternativ­en und erleichter­te Zulassungs­verfahren“,

unterstrei­cht der CDU-Agrarexper­te und Vorsitzend­e des EU-Landwirtsc­haftsaussc­husses, Norbert Lins. Das Parlament habe das bereits 2019 in einem Sonderauss­chuss für das Genehmigun­gsverfahre­n für Pflanzensc­hutzmittel betont, die Kommission die Förderung alternativ­er Methoden als Priorität bezeichnet. Dennoch müsse hier noch mehr getan werden. „Wir brauchen schnellere Genehmigun­gsverfahre­n von risikoärme­ren und nicht-chemischen Optionen“, verlangt der Ausschussc­hef.

Bei Gowan scheint sich in Sachen Traubensch­utz Frust breitzumac­hen. Koch-Achelpöhle­r kann sich vorstellen, wie die lange Wartezeit generell auf Firmen und Forscher wie bei Gowan wirkt: „Wenn ein Unternehme­n erlebt, wie ein Zulassungs­verfahren wiederholt verzögert wird, liegt die Überlegung nahe, ob es mit weiteren Innovation­en auch den europäisch­en Markt berücksich­tigen soll.“

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