Vor 60 Jahren brannte ein Kaufhaus in Geldern
Am Sonntag, 20. Januar 1963, brannte es im ersten Stock des Geka-Textilhauses an der Issumer Straße. Ein Großeinsatz für die Feuerwehren aus Geldern, Pont, Straelen und Kevelaer. Das Modehaus steht auch für die dunklen Kapitel der Stadtgeschichte.
„Großbrand zerstörte Kaufhaus Geka“, meldete die Rheinische Post am 21. Januar 1963 auf der lokalen Titelseite. Am Tag zuvor heulten demnach nicht nur in Geldern, sondern auch in Kevelaer, Straelen und Pont die Sirenen. Dunkle Qualmwolken standen am Sonntag gegen 14 Uhr über dem Kaufhaus an der Issumer Straße. Aus dem Verkaufsraum im ersten Stock loderten die Flammen.
Es war ein Großbrand, wie ihn die Kreisstadt lange nicht erlebt hatte. Während die Feuerwehr versuchte, zum Brandherd vorzustoßen, halfen Passanten, die Ware aus dem Erdgeschoss zu retten Der Versuch der Blauröcke, von der Rückseite ins Haus zu kommen, schlug fehl, weil eine Treppe einstürzte. So ging es zunächst vor allem darum, die Nachbarhäuser wie das Geschäft von Kaisers Kaffee vor dem Übergreifen der Flammen zu schützen. Es war schwierig an diesem kalten Wintertag, auf der mit festgefahrenem Schnee bedeckten Straße die Hydranten zu finden. Hinweisschilder, wie sonst üblich, gab es an den Häusern noch nicht, weil die Wasserleitung gerade neu verlegt worden war und die Beschilderung noch fehlte. Zudem war mancher Deckel festgefroren, sodass die Feuerwehrmänner die Axt zur Hilfe nehmen mussten.
Gegen 17 Uhr war der Brand unter Kontrolle, die Feuerwehr aus den Nachbarorten konnte die Kreisstadt wieder verlassen. Besonders das Tankfahrzeug der Kevelaerer Wehr – für Geldern war eins bestellt, aber noch nicht geliefert – war eine wichtige Hilfe bei diesem Einsatz, den auch Oberkreisdirektor Mertens und Stadtdirektor Op de Hipt vor Ort begleiteten. Eine erst Schätzung des Schadens belief sich auf mindestens 300.000 Mark.
Einer der Augenzeugen an der Issumer Straße war Hubertus Janssen.
Er machte unsere Redaktion auf den Jahrestag des Großbrandes aufmerksam. „Es war ein frostiger Tag. Das Kaufhaus Geka in der Issumer Straße 1 brannte lichterloh. Es gab Probleme mit dem nächstliegenden Hydranten. Deshalb wurde der Schlauch bis zum Hydrant vor der Hartstraße 22, das war mein Zuhause, gelegt. Als der Schlauch angeschlossen werden sollte, gab es zunächst eine große Wasserfontäne. Ehe der Schlauch angeschlossen werden konnte, stand unser Keller
einige Zentimeter unter Wasser. Die naheliegenden Bewohner der Hartstraße, auch die Mitarbeiter der RPRedaktion, hatten Angst, dass sich der Brand in diese Richtung ausbreiten könnte.
An das Kaufhaus Geka erinnert er sich nicht nur, weil es mitten in der Stadt lag. Jean „Schäng“Kox, der Vater seines Freundes Fritz, trug aus der ersten Etage des Textilhauses im Rundfunk (NWDR) beim Martinszug 1948 sein Gedicht auf „Sankt Martin 1948“vor.
Man muss bedenken, dass die Verkehrssituation dort damals eine ganz andere war, als wir es heute kennen. In beide Fahrtrichtungen der Issumer Straße führte die Bundesstraße B 58 Richtung Issum und Markt, zudem waren beide Straßenseiten zugeparkt. Für Fußgänger blieb nur noch ein schmales Stück am Rand über, Bürgersteig wäre sicherlich übertrieben. An der Kreuzung Markt, Bahnhofstraße, Issumerund Hartstraße stand dann Gelderns erste Ampel, denn dort traf die B 58 auf die B 9, die ebenfalls zweispurig durch die Innenstadt führte. Die Hartstraße musste dann als doppelte Bundesstraße die gesamte Last des damaligen Verkehrs Richtung Kevelaer und Straelen tragen.
Das Kaufhaus Geka hat eine lange (Vor-)Geschichte. Schon vor der Zeit des Nationalsozialismus‘ gab es in Geldern die großen Textilhäuser
David, Francken und das sogenannte Kleinpreisgeschäft Geka, mindestens schon um die Jahrhundertwende. Heinz Bosch erwähnt die Geschäfte in seiner „Illustrierten Geschichte der Stadt Geldern“erstmals, als sie nach dem Ersten Weltkrieg im August 1918 geplündert wurden. Am Tag zuvor waren schon die Felder um Schloss Haag von 100 Menschen, überwiegend aus Krefeld, geplündert worden. Der große Angriff in Geldern überraschte die Polizei, die Besatzungsmacht sah nur zu. Auch Teilnehmer einer Prozession von Krefeld nach Kevelaer griffen zu. 1933 traf der von der NSDAP organisierte Boykott jüdischer Geschäfte auch die Gelderner Bekleidungshäuser. Bosch berichtet, dass sich trotz aller Drohungen manche Bürger nicht abhalten ließen, dort weiter
einzukaufen. Als man die „Judenfreunde“fotografierte, nutzte man die Hintereingänge oder brachte die Kleidung per Bote zu den Kunden. Kreisleiter Hamacher kündigte erbost an, dass man Beamte, die bei Juden kaufen, öffentlich in der Presse brandmarken werde. Als erstes gab die Familie David auf. Ihr Geschäft wurde an die Familie Schmitz aus Viersen verpachtet. Im Juni 1934 übernahm dann J. Deckers von der Hartstraße das Geka der Gebrüder Kaufmann. Mit dem Kaufhaus Francken ging es 1936 zu Ende. Per Anzeige wurde angekündigt, dass das Kaufhaus Francken jetzt in arischem Besitz sei. Das Nachfolgegeschäft Bodewig eröffnete am nächsten Tag. Francken und seine Frau flüchteten nach Köln, ihre Kinder emigrierten nach Übersee.
In der Fußgängerzone Issumer Straße erinnern heute zwei Stoplpersteine an Emil und Martha Francken. Er wurde ins Lager Köln-Müngersdorf deportiert und dort von der SS erschossen. Martha Francken wurde Ende Juli 1942 ab Düsseldorf in das KZ Theresienstadt deportiert und am 12. Oktober 1943 in das KZ Auschwitz gebracht und dort ermordet. Kaufmann Bodewig leitet in den letzten Kriegsjahren den Krisenstab, der die Versorgung der Gelderner sicherstellen sollte.
Wann aus Bodewig Geka wurde, lässt sich nicht nachvollziehen. Hinweise gern an die Redaktion. Hubertus Janssen vermutet,
dass Bodewig in den 50er Jahren auf „Geka“überging.
Zurück zum Großbrand vor 60 Jahren. Dank des Stadtarchivs Geldern und der Geschichtsgruppe der Feuerwehr Geldern liegen uns die Zeitungsartikel zum Brand vor. Am 22. Januar gab es einen weiteren Beitrag in der Rheinischen Post. Der Dank gilt den Feuerwehrleuten, besonders auch denen aus der Nachbarschaft, aber auch einem Anwohner der Hartstraße, der mit heißem Tee die Feuerwehrleute versorgte. Auch andere Gelderner kümmerten sich um die Einsatzkräfte. So gab es für die Brandwache, die über Nacht blieb, am nächsten Morgen ein Frühstück.
Die Brandursache wird in den uns vorliegenden Beiträgen leider nicht geklärt. Der Autor erinnerte aber daran, dass es an der Adresse, als es noch das Textilhaus Francken war, 1912 schon einmal im ersten Stock gebrannt hatte.
Ein letzter Bericht stammt dann vom 28. Januar 1963. „Geka-Haus brannte wieder“hieß es. Von außen nicht sichtbar habe der Brand wohl weiter geschwelt. Nun versicherte Hauptbrandmeister Pastoors, dass nicht mehr mit einem erneuten Aufflackern des Feuers zu rechnen sei. Hubertus Janssen: „Es dauerte bis 1969, bis die Ruine, in der Presse als Schandfleck bezeichnet, beseitigt wurde und ein Neubau entstand. Heute sind dort das Geschäft der Telekom und ein weiteres Geschäftshaus.“