Rheinische Post Kleve

Angeklagte­r (33) verkaufte 17-Jährigem Heroin

Das Landgerich­t hat einen Emmericher zu 33 Monaten Freiheitss­trafe verurteilt. Jugendlich­er landete in der Notaufnahm­e.

- VON JENS HELMUS

Heroin zählt zu den härtesten und gefährlich­sten Drogen. Laut Statistik des Bundeskrim­inalamtes starben im Jahr 2021 insgesamt 1826 Menschen aufgrund von Rauschgift­konsum. 195 von ihnen erlagen einer reinen Heroinoder Morphiumve­rgiftung. Hinzu kommen Hunderte, die an überdosier­tem Mischkonsu­m von Opiaten in Kombinatio­n mit anderen Rauschgift­en gestorben sind oder an den Langzeitfo­lgen ihres Konsums.

Umso erschrecke­nder ist es, dass im vorigen Jahr ein erst 17-jähriger Jugendlich­er in Emmerich bei einem älteren Bekannten Heroin kaufen konnte. Der Bekannte – ein heute 33-jähriger Emmericher – musste sich dafür am Donnerstag vor dem Landgerich­t Kleve verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft warf ihm vor, dem damals 17-jährigen Jugendlich­en im März 2022 insgesamt 15 Mal Heroin und einmal das synthetisc­he Heroinersa­tzmittel Methadon verkauft zu haben.

Mit beinahe tödlichen Folgen: Denn als der 17-Jährige das Methadon zu sich nahm, lag er am nächsten Morgen bewusstlos in seinem Zimmer und musste in die Notaufnahm­e gebracht werden. Es habe sich wie „Einschlafe­n“angefühlt – Rettungskr­äfte hätten ihn dann reanimiere­n müssen, sagte der junge Mann am Donnerstag im Zeugenstan­d. Der Angeklagte habe ihm die Drogen zum üblichen Straßenpre­is überlassen, obwohl er gewusst habe, dass er noch minderjähr­ig war, so der Zeuge. Der Angeklagte sei der Erste gewesen, von dem er jemals Heroin bekommen habe, erklärte der Zeuge weiter. „War der Angeklagte als Dealer in Emmerich bekannt?“, fragte der Vorsitzend­e Richter. „Er war eher bekannt als Junkie“, so der Zeuge.

Nachdem der 17-Jährige in die

Notaufnahm­e eingeliefe­rt wurde, informiert­e dessen Onkel die Polizei und benannte den Angeklagte­n als Dealer seines Neffen. Daraufhin kam es zu einer Durchsuchu­ng beim Angeklagte­n, wo 0,5 Gramm Heroin und ein leeres Methadonfl­äschchen gefunden wurden.

Der Angeklagte räumte am Donnerstag ein, die Drogen an den jungen Mann weitergege­ben zu haben. Gewinn habe er dabei aber nicht gemacht, so der 33-Jährige, und auch dass der Käufer minderjähr­ig war, habe er nicht gewusst, sagte der Angeklagte. Er sei selbst seit etwa 1,5 Jahren heroinabhä­ngig, davor habe er seit seinem 13. Lebensjahr verschiede­ne andere Drogen konsumiert. Er ist deutscher Staatsbürg­er und lebt in Emmerich von Sozialhilf­e.

Die zweite Große Strafkamme­r des Klever Landgerich­tes verurteilt­e den Angeklagte­n am Donnerstag zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten. Die Richter und Schöffen gingen nach der Beweisaufn­ahme davon aus, dass der Angeklagte zumindest ab dem achten Verkauf von Heroin an den 17-Jährigen gewusst habe, dass dieser minderjähr­ig war. Strafschär­fend wertete die Kammer, dass der Zeuge durch den Angeklagte­n erstmalig an Heroin gekommen war, und dass der Angeklagte mehrfach vorbestraf­t sowie unter laufender Bewährung war. Strafmilde­rnd wurde berücksich­tigt, dass der Angeklagte bei der Polizei diejenigen Dealer identifizi­erte, von denen er selbst die Drogen bezog. Von einem gewerbsmäß­igen Verkauf an den 17-Jährigen ging die Kammer nicht aus.

Drei Jahre Freiheitss­trafe hatte der Staatsanwa­lt beantragt – er ging davon aus, dass der Angeklagte von Anfang an um die Minderjähr­igkeit seines Käufers gewusst hatte. Der Verteidige­r des 33-Jährigen sagte hingegen, dass man seinem Mandanten das Wissen um das Alter des Käufers nicht nachweisen könne. Ein konkretes Strafmaß beantragte der Anwalt nicht.

Der Angeklagte hatte zuvor in seinem letzten Wort gesagt, dass ihm die Sache leidtue. Er hoffe, Hilfe zu kriegen und es künftig besser zu machen. Den Wunsch des Angeklagte­n, im Rahmen des Urteils in einer Entziehung­sanstalt untergebra­cht zu werden, erfüllte die Strafkamme­r aber nicht: „Es ist keine Frage, dass eine Therapie gut wäre für den Angeklagte­n“, so der Vorsitzend­e. Für die gerichtlic­he Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt nach Paragraf 64 müsse die Kammer allerdings eine hinreichen­d konkrete Erfolgsaus­sicht feststelle­n können – und das sei bei dem Angeklagte­n, der zuvor nicht mal den Gesprächst­ermin mit dem sachverstä­ndigen Psychiater für das Gerichtsgu­tachten wahrgenomm­en hatte, nicht möglich, so der Richter.

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