Rheinische Post Kleve

Odenthal, ihre Tante und die Rache

DerA Ludwigshaf­ener „Tatort“kippt mutig vom Leichten ins absolut Abgründige. Eines aber stört.

- VON TOBIAS JOCHHEIM So., 20.15 Uhr

LUDWIGSHAF­EN Wenn man nicht weiß, wo man beginnen soll, weil man das eigentlich­e Thema dieses eigentlich guten Films nicht verraten kann, dann wohl: am Anfang. Nicht beim ersten Fall von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) natürlich; der lief – kein Scherz – kurz vor dem Mauerfall. In der Einstiegss­equenz ihres aktuellen, inzwischen 77. Falls fährt anstelle einer Polizeistr­eife zur Abwechslun­g ein Leichenwag­en durch die Stadt. Am Friedhof vorbei, ins Krematoriu­m. Dann kommt, was kommen muss: Die Leiche ist gar keine. Der Mann bewegt, kaum brennt das Feuer, seine Finger aus dem Sarg. Ein starker Einstieg.

Und dann kommt Lena Odenthal und spult dämliche Textzeilen ab. „Was für eine Schlampere­i!“, sagt sie, und: „Hat denn keiner gemerkt, dass der Mann noch lebt?“, und: „Sie haben den Mann lebendig ins Feuer geschoben!“

Dass die arme angeschnau­zte Bestattung­sfachkraft den Mann lebendig ins Feuer geschoben hat, haben wir doch, verdammt noch mal, gerade erst gesehen. Und: Nein, ganz offenkundi­g hat niemand gemerkt, dass er noch lebte, sonst hätte sich die makabre Szene ja nicht ereignet. AUnd: Ja, selbstvers­tändlich wurde da geschlampt. Himmelherr­gott!

Vielleicht war der Drehbuchau­tor beim Schreiben jener Zeilen genauso in Eile wie Lena Odenthal selbst. Die muss nämlich sofort wieder weg, ihre Tante vom Bahnhof abholen. Die pensionier­te Staatsanwä­ltin iWstüzsute­gnleäichen Teilen patent und penetrant: Ausgiebig bemäkelt sie das Essen ihrer Nichte und kritisiert ihre Karrierepl­anung: „Zehn gute Jahre

haste noch – und hängst hier rum, in der Provinz!“Entspreche­nd genervt ist die harte Kommissari­n. Ihre zarte Kollegin Johanna Stern hingegen ist ganz hingerisse­n, und dem Rest der Dienststel­le geht es ebenso, zumal die Veteranin ständig Sprüche klopft übers Rauchen und Trinken, über wenig Schlaf und viele Festnahmen.

Stern schwärmt: „Deine Tante hat mich schwer beeindruck­t.“Odenthal offenbart: „Das legt sich schnell wieder.“

Ermittelt wird aber auch, in einem Altenheim. Ein Mord an diesem Ort ist ja besonders unschön. Egal, was nun dahinterst­ecken mag: Erbschleic­herei oder ein Nachspiel

von Kassenbetr­ug oder Schikane des Personals durch einen Bewohner, oder oder oder. Frau Odenthal Senior jedenfalls ermittelt erwartungs­gemäß eifrig mit.

Diese beinahe münsteresk­e Rahmenhand­lung aber kippt zunehmend ins Düstere – gewagt, aber durchaus gelungen. Der Plot wird nach einer Weile wirklich spannend. Die Figuren wirken zum Glück nur anfangs klischeeha­ft (die geldgierig­e Heimbetrei­berin, die nette osteuropäi­sche Pflegerin, der eigenbrötl­erische Enkel des Opfers). Letztlich sind sie angenehm wenig überzeichn­et. Die Darsteller­innen und Darsteller sind, angeführt von Ursula Werner als Odenthals Tante,

fast durch die Bank richtig stark. Und das Thema hallt mächtig nach.

Eines aber dürfte viele maßlos ärgern (zum Unverständ­nis mancher anderer; wie das eben so ist): Es gibt da noch eine Romanze im Til-Schweiger-Stil, die das Kunststück vollbringt, alles auf einmal zu sein: inhaltlich absolut unrealisti­sch, spielerisc­h völlig unglaubwür­dig und vom Ton her unendlich unpassend.

Sollte sicher Absicht sein; ein großer Zusammenpr­all aller Facetten des Menschlich­en, oder so. Fürchterli­ch misslungen ist es trotzdem.

„Tatort: Lenas Tante“, Das Erste,

 ?? FOTO: SWR ?? Drei Frauen gegen das Böse: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, v. l.), ihre zu Besuch gekommene Tante Nikola (Ursula Werner) und Johanna Stern (Lisa Bitter).
FOTO: SWR Drei Frauen gegen das Böse: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, v. l.), ihre zu Besuch gekommene Tante Nikola (Ursula Werner) und Johanna Stern (Lisa Bitter).

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