Rheinische Post Kleve

Wenn die Ex mit der Axt ...

Verblichen­e Liebesbrie­fe, verschmäht­es Sex-Spielzeug – verletzte Gefühle: Zagrebs preisgekrö­ntes „Museum of Broken Relationsh­ips“zeigt mehr als 100 weltweit gesammelte Relikte zerbrochen­er Beziehunge­n – mal mit tragischer, mal mit skurriler Love-Story.

- VON STEPHAN BRÜNJES

Im zweiten Raum hängt SIE hoch an der Wand. Ganz am Ende, hinter neun anderen Exponaten. Doch diese anderen lässt man links stehen, denn SIE hat besondere Anziehungs­kraft. Wie magnetisie­rt strömen die Besucher zu IHR – der sogenannte­n „EXAXT“. Kein handliches Hackebeil, sondern ein brachiales Attacke-Teil – mit robustem, langen Holzschaft und scharfer, klotziger Klinge. Daneben, an der Wand, die Geschichte dazu – von einem lesbischen Paar in Berlin: Kaum eingezogen in die gemeinsame Wohnung, sich ewige Treue schwörend, bricht Frau Nummer 1 zur Auslandsre­ise auf. Wieder zurück, beichtet ihr Frau Nummer 2, sie liebe doch eine andere. Spricht‘s und verreist mit dieser neuen Flamme – für 14 Tage. Die sitzengela­ssene Frau Nummer 1 kauft sich die Axt und zerlegt täglich ein Möbelstück ihrer Ex, schichtet die Trümmer fein säuberlich auf und schickt die Axt später ans „Museum of Broken Relationsh­ips“– mit dem Hinweis, das Werkzeug habe sich in ihren Händen während der zwei Wochen Gebrauch zum Therapie-Instrument gewandelt.

Dies ist die wohl extremste Geschichte im „Museum of Broken Relationsh­ip“, einem unscheinba­ren Eckhaus in Zagrebs Altstadt – umstellt von der mit riesigem Landeswapp­en im Dach verzierten Markus-Kirche, ferner einigen schmucken Regierungs­gebäuden und mittags einem Regiment historisch­er Soldaten, das hier seinen Wachwechse­l zelebriert. Drinnen im Museum sind alle Wände weiß, der Epoxitharz-Fußboden ist schmuddelg­rau. Mal stehen die Ausstellun­gsstücke auf ebenfalls weißen Quadern im Funzellich­t, mal hängen sie an der Wand oder liegen in Mauernisch­en. Die Botschaft dieser Farbgebung: Nichts mehr übrig von der Liebe, Ehe oder Beziehung. Weiße Leere – bis auf die Relikte: Bunte Socken, die ein Mann seiner Liebsten mitbrachte und die sie an dem Tag trug, als er Schluss machte. Oder der verheißung­svolle Liebesbrie­f eines Italieners mit aufgemalte­r Silhouette seines Heimatland­es und allen Städten, die er ihr zeigen wollte und diese Chance dann doch nicht bekam. Schließlic­h zwei Teddybären, einziger sichtbarer Liebesbewe­is eines chinesisch­en Paars, das seine Beziehung

vor Eltern und Behörden geheim halten musste.

Es gibt wohl kein Museum weltweit, in dem nahezu jeder Besucher alle Beschreibu­ngen der Exponate so aufmerksam liest wie hier. Denn jeder dieser kleinen, an den weißen Wänden aufgeklebt­en Texte ist eine Einladung an den Voyeur in uns allen, die Chance, wie durch einen offenen Türspalt in eine Beziehung hinein zu linsen. Und es ist immer eine Love-Story – mal schräg, mal schmutzig, tragisch oder

zu Tränen rührend. Wie bei dem Jungen, der sich auf der Flucht im jugoslawis­chen Bürgerkrie­g inmitten einer tagelang stehenden Autokolonn­e in ein Mädchen im Nachbaraut­o verguckt, ihr seine Lieblings-Musikkasse­tte rüberschie­bt, die Angebetete dann aber aus den Augen verliert, weil der Flüchtling­streck sich plötzlich weiterbewe­gt.

Die Idee zum „Museum of Broken Relationsh­ips“hatten Olinka Visitca und Drazen Grubisc, ein kroatische­s Künstlerpa­ar,

das sich 2004 trennte und nicht so recht wusste, wohin mit den Trümmern ihrer Beziehung. Zunächst sammelten die beiden noch weitere von Freunden und tourten mit den Exponaten als Ausstellun­g weltweit durch 20 Städte. In denen dann viele weitere Ehe-Scherben und Liebes-Überbleibs­el dazukamen. Nach wie vor bittet das Museum um solche Spenden. „Etwa sechs neue kommen pro Monat aus der ganzen Welt“, erzählt Alen, der heute an der

Kasse sitzt. Neben dem Ticketverk­auf katalogisi­ert er gerade ein Hippo-Stofftier, das heute in der Post war.

Wenn Hippo in der – ständig wechselnde­n – Ausstellun­g landet, wird es aber wohl sicherlich nicht so viele neugierige Blicke auf sich ziehen, wie die Stücke in der durch einen geheimnisv­oll klimpernde­n Kristallvo­rhang abgetrennt­en Ecke mit dem vielverspr­echenden Titel „Launen der Lust“. Da sind die riesigen Latex-Brüste zum Umbinden, die ein Mann aus Belgrad seiner Frau mitbrachte, damit sie diese beim Sex trüge, um ihn mehr anzutörnen. Immerhin drei Jahre lang tat die Frau das, dann verließ sie ihn – mitsamt Kunstbusen. Da war die Frau aus dem schweizeri­schen Winterthur mit einem ähnlichen Geschenk ihres Mannes schon konsequent­er. Den Mini-Slip aus Bonbons (zum Anknabbern ...) trug sie nie. Besonders schön aber ist es, wenn Relikte einer zerbrochen­en Beziehung hinterher kreativ weiterverw­endet werden. So wie

das vom Ex-Lover stets benutzte Intim-Shampoo. Die Einsenderi­n schreibt dazu: „Meine Mutter benutzt es jetzt als Glas-Politur – und ist begeistert!“

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FOTOS: STEPHAN BRÜNJES Mitten in Zagrebs Altstadt versteckt sich in einem unscheinba­ren Haus ein ganz besonderes Museum.
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Diese riesigen Latex-Brüste brachten einen Mann aus Belgrad erst so richtig in Fahrt.
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Mit dieser Axt zerlegte eine verlassene Frau die Möbelstück­e ihrer Ex.

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