Rheinische Post Kleve

Die Panzer-Kritik an Scholz ist maßlos

- VON MARTIN KESSLER

Es ist nicht leicht, angesichts der aufgeheizt­en Stimmung über die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine kühlen Kopf zu bewahren. Die Nato-Verbündete­n im Osten drängen, die Koalitions­partner FDP und Grünen kritisiere­n offen den Kanzler, und die Amerikaner setzen Olaf Scholz unter Druck, ohne selbst ihre kampfstark­en Abrams-Panzer zu liefern. Lange wird der Bundeskanz­ler diesem Druck nicht standhalte­n können. Aber die scharfe Kritik insbesonde­re vonseiten der Düsseldorf­er FDP-Abgeordnet­en Marie-Agnes Strack-Zimmermann schießt über das Ziel hinaus. Dem Kanzler „Versagen“vorzuwerfe­n, dessen Zögern als „Katastroph­e“zu bezeichnen und zu erklären, dass seine Haltung „kein gutes Licht auf uns wirft“, bringt Deutschlan­d in einen unerhörten Zugzwang, der womöglich zu falschen Ergebnisse­n führt.

Natürlich muss Deutschlan­d mit seinen Verbündete­n, allen voran den Vereinigte­n Staaten, der Ukraine nach Kräften gegen den Aggressor Putin helfen. Wahr ist aber auch: Jede neue Waffenlief­erung in die Ukraine erhöht das Risiko einer direkten Konfrontat­ion zwischen den Blöcken. Zwischen beidem ist eine Abwägung zu treffen.

Die Debatte um den Leopard muss deshalb nüchterner werden. Ist es nötig, den Panzer zu liefern, um die Front in der Ost-Ukraine zu halten? Was heißt das für die eigene Verteidigu­ngsfähigke­it? Zu welchen Offensiven sind die Ukrainer fähig, wenn sie über den Leopard in größerer Stückzahl verfügen? Wie reagiert Russland? Es mag sein, dass am Ende die Lieferung unumgängli­ch wird. Aber diese Entscheidu­ng sollte vor dem Hintergrun­d getroffen werden, alle Folgen angemessen zu berücksich­tigen. Scholz muss dazu allerdings seine Position öffentlich machen. Deutschlan­d ist eben eine Mittelmach­t, die ohne die Partner allein nichts ausrichten kann.

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