Rheinische Post Kleve

Reparatura­rbeiten in Paris

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Ob Pfälzische­r Erbfolgekr­ieg, Napoleons Eroberungs­kriege zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts, der deutsch-französisc­he Krieg, der Erste und der Zweite Weltkrieg: Über Jahrhunder­te war das Verhältnis der Nachbarn am Rhein vergiftet. Vor 60 Jahren dann, am 22. Januar 1963, unterzeich­neten Staatspräs­ident Charles de Gaulle und Bundeskanz­ler Konrad Adenauer in Paris den ElyséeVert­rag. Das Bild vom Handschlag der beiden Staatsmänn­er war von großer Symbolkraf­t.

Und ist es bis heute. Für die Nachkriegs­generation ist die Freundscha­ft zwischen den beiden Nationen etwas Selbstvers­tändliches – undenkbar, dass es anders sein könnte. Und genau deshalb fallen auch kleinste Sandkörner im Getriebe sofort auf. Und die gab es in jüngster Zeit, darüber kann keine Feierstund­e hinwegtrös­ten. Im ersten Jahr der Ampelkoali­tion traten die Gegensätze an der Spitze zwischen Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron ziemlich deutlich zutage. Die deutsche Nüchternhe­it und die französisc­he Neigung zu prunkvolle­n Inszenieru­ngen sind oftmals belächelte Gegensätze – und sind doch Ausdruck unterschie­dlicher Gemütslage­n. Scholz und Macron könnten als Führungsfi­guren unterschie­dlicher kaum sein. Und sind sich doch in ihrem unerschütt­erlichen Führungsan­spruch erstaunlic­h einig. Eine schwierige Kombinatio­n.

Doch beide haben auch gelernt. Wenn Deutschlan­d und Frankreich uneins sind, dann stottert die EU, seit dem Brexit allemal. Und Reibereien zwischen den beiden Ländern kommen auch innenpolit­isch – abgesehen von den Rechtsauße­n in beiden Ländern – nicht gut an. Die Lehre aus 2022 heißt also: Aufhören mit dem gegenseiti­gen Belauern, besser miteinande­r reden. Der deutsch-französisc­he Motor ist eine Kompromiss­maschine, sagt der Kanzler. Es wäre gut, wenn sie in Zukunft wie geölt laufen würde.

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