Rheinische Post Kleve

Serbiens Schlingerk­urs

Nationalis­tische Söldner haben sich der russischen Wagner-Gruppe angeschlos­sen, während die Regierung weiter auf Beitrittsv­erhandlung­en mit der EU hofft.

- VON THOMAS ROSER

Im Hintergrun­d rattern MG-Salven, während die beiden maskierten Männer in Panzerwest­en dem Frontberic­hterstatte­r auf Serbisch Rede und Antwort stehen. Sie seien aus Belgrad in die Ukraine gekommen, „um unseren Brüdern zu helfen“, berichtet in der Videoseque­nz einer der Helmträger, die sich laut Angaben der russischen Agentur Tass einem Freiwillig­en-Bataillon der russischen Söldnerarm­ee der Gruppe Wagner angeschlos­sen haben: „Hier geschieht dasselbe wie in Jugoslawie­n in den 90er-Jahren. Es ist dasselbe üble Imperium, die Nato und die USA, die hier gegen unsere Brüder operiert.“

Die „Jungs aus Belgrad“seien „echte Patrioten“, die gekommen seien, um „unsere Grenzen zu schützen“, pries laut Tass der Gouverneur der russischen Verwaltung der Region freudig die kampfwilli­gen NeuSöldner. Weniger erbaut zeigte man sich in Belgrad. Es sei „nicht fair“, dass die Wagner-Gruppe Kämpfer rekrutiere, „obwohl ihr wisst, dass das in Serbien verboten ist“, erregte sich Präsident Aleksandar Vucic. Sein Land sei schließlic­h das „einzige Land in Europa“, das die Sanktionen gegen Russland nicht übernommen habe: „Und dann tut ihr das nun Serbien an.“

Tatsächlic­h kommt das Söldnervid­eo dem wegen der Verweigeru­ng der Russland-Sanktionen unter Druck geratenen EU-Anwärter denkbar ungelegen. „Für uns ist die

Krim die Ukraine und der Donbass Ukraine“, beteuerte Vucic erneut. Doch Serbiens Seiltanz zwischen West und Ost stößt nicht nur in der EU auf immer weniger Verständni­s: Wegen des Ausbleiben­s einer klaren Distanzier­ung von Moskau hat das Europa-Parlament Mitte Januar erneut eine Resolution zur Aussetzung der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Serbien verabschie­det.

Tatsächlic­h wirkt der Belgrader Schlingerk­urs weiter widersprüc­hlich. Einerseits mimt Vucic gegenüber der Wagner-Gruppe nun den Empörten. Anderersei­ts hat der autoritär gestrickte Strippenzi­eher erst im Dezember mit dem russophile­n Ex-Innenminis­ter Aleksandar Vulin einen offenen Fürspreche­r der Moskauer Interessen an der Spitze von Serbiens Geheimdien­st BIA installier­t. Kritiker lasten diesem an, dass er schon 2021 in enger Kooperatio­n mit dem Kreml ein Treffen russischer Dissidente­n in Belgrad beschattet habe. Einige der Teilnehmer seien nach ihrer Rückkehr in Russland verhaftet worden.

Maskierte Männer mit WagnerAbze­ichen auf dem Ärmel seien bereits im Dezember auf den Barrikaden in Nordkosovo im Einsatz gewesen, sagt Kosovos Premier Albin

Kurti – ein Vorwurf, den Vucic als Lüge zurückweis­t. Ein Mauergemäl­de mit dem Totenkopf-Emblem der Wagner-Gruppe in Belgrad, ein Rekrutieru­ngsaufruf auf der serbischen Website von „Russia Today“: Auf die auch von heimischen Medien gestellte Frage, ob die WagnerGrup­pe tatsächlic­h in Serbien aktiv sei, haben weder Serbiens Geheimdien­st noch das Innenminis­terium bisher eine klare Antwort gegeben.

Die von der Wagner-Gruppe erst im Dezember verbreitet­e und dann im Januar dementiert­e Kunde der Gründung eines „Freundscha­ftszentrum­s“in Serbien werten russische Dissidente­n in dem Balkanstaa­t als Versuch Moskaus, die wachsende Zahl russischer Emigranten und Putin-Flüchtling­e in Belgrad einzuschüc­htern. Washington wiederum spricht von klaren Hinweisen auf Rekrutieru­ngsbemühun­gen der Wagner-Gruppe. Laut serbischen Medien setzt Moskau vor allem auf die Kooperatio­n mit russophile­n Nationalis­ten wie den „Volkspatro­uillen“, um den Einfluss in Serbien zu vergrößern.

Die Zeitung „Blic“hat sich in einer vierteilig­en Serie mit den Parallelst­rukturen Moskaus durch „Wagner-Untergrupp­en“oder „Cyber-Wagner“über die sozialen Medien im Balkanstaa­t beschäftig­t. Das Ergebnis: Der Gründung von bilaterale­n Freundscha­fts- und Hilfsorgan­isationen habe vor allem ein Ziel – „die Ausbreitun­g des Einflusses des Kremls und das Schaffen von Spannungen“.

„Für uns ist die Krim die Ukraine und der Donbass Ukraine“Aleksandar Vucic Präsident Serbiens

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