Serbiens Schlingerkurs
Nationalistische Söldner haben sich der russischen Wagner-Gruppe angeschlossen, während die Regierung weiter auf Beitrittsverhandlungen mit der EU hofft.
Im Hintergrund rattern MG-Salven, während die beiden maskierten Männer in Panzerwesten dem Frontberichterstatter auf Serbisch Rede und Antwort stehen. Sie seien aus Belgrad in die Ukraine gekommen, „um unseren Brüdern zu helfen“, berichtet in der Videosequenz einer der Helmträger, die sich laut Angaben der russischen Agentur Tass einem Freiwilligen-Bataillon der russischen Söldnerarmee der Gruppe Wagner angeschlossen haben: „Hier geschieht dasselbe wie in Jugoslawien in den 90er-Jahren. Es ist dasselbe üble Imperium, die Nato und die USA, die hier gegen unsere Brüder operiert.“
Die „Jungs aus Belgrad“seien „echte Patrioten“, die gekommen seien, um „unsere Grenzen zu schützen“, pries laut Tass der Gouverneur der russischen Verwaltung der Region freudig die kampfwilligen NeuSöldner. Weniger erbaut zeigte man sich in Belgrad. Es sei „nicht fair“, dass die Wagner-Gruppe Kämpfer rekrutiere, „obwohl ihr wisst, dass das in Serbien verboten ist“, erregte sich Präsident Aleksandar Vucic. Sein Land sei schließlich das „einzige Land in Europa“, das die Sanktionen gegen Russland nicht übernommen habe: „Und dann tut ihr das nun Serbien an.“
Tatsächlich kommt das Söldnervideo dem wegen der Verweigerung der Russland-Sanktionen unter Druck geratenen EU-Anwärter denkbar ungelegen. „Für uns ist die
Krim die Ukraine und der Donbass Ukraine“, beteuerte Vucic erneut. Doch Serbiens Seiltanz zwischen West und Ost stößt nicht nur in der EU auf immer weniger Verständnis: Wegen des Ausbleibens einer klaren Distanzierung von Moskau hat das Europa-Parlament Mitte Januar erneut eine Resolution zur Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien verabschiedet.
Tatsächlich wirkt der Belgrader Schlingerkurs weiter widersprüchlich. Einerseits mimt Vucic gegenüber der Wagner-Gruppe nun den Empörten. Andererseits hat der autoritär gestrickte Strippenzieher erst im Dezember mit dem russophilen Ex-Innenminister Aleksandar Vulin einen offenen Fürsprecher der Moskauer Interessen an der Spitze von Serbiens Geheimdienst BIA installiert. Kritiker lasten diesem an, dass er schon 2021 in enger Kooperation mit dem Kreml ein Treffen russischer Dissidenten in Belgrad beschattet habe. Einige der Teilnehmer seien nach ihrer Rückkehr in Russland verhaftet worden.
Maskierte Männer mit WagnerAbzeichen auf dem Ärmel seien bereits im Dezember auf den Barrikaden in Nordkosovo im Einsatz gewesen, sagt Kosovos Premier Albin
Kurti – ein Vorwurf, den Vucic als Lüge zurückweist. Ein Mauergemälde mit dem Totenkopf-Emblem der Wagner-Gruppe in Belgrad, ein Rekrutierungsaufruf auf der serbischen Website von „Russia Today“: Auf die auch von heimischen Medien gestellte Frage, ob die WagnerGruppe tatsächlich in Serbien aktiv sei, haben weder Serbiens Geheimdienst noch das Innenministerium bisher eine klare Antwort gegeben.
Die von der Wagner-Gruppe erst im Dezember verbreitete und dann im Januar dementierte Kunde der Gründung eines „Freundschaftszentrums“in Serbien werten russische Dissidenten in dem Balkanstaat als Versuch Moskaus, die wachsende Zahl russischer Emigranten und Putin-Flüchtlinge in Belgrad einzuschüchtern. Washington wiederum spricht von klaren Hinweisen auf Rekrutierungsbemühungen der Wagner-Gruppe. Laut serbischen Medien setzt Moskau vor allem auf die Kooperation mit russophilen Nationalisten wie den „Volkspatrouillen“, um den Einfluss in Serbien zu vergrößern.
Die Zeitung „Blic“hat sich in einer vierteiligen Serie mit den Parallelstrukturen Moskaus durch „Wagner-Untergruppen“oder „Cyber-Wagner“über die sozialen Medien im Balkanstaat beschäftigt. Das Ergebnis: Der Gründung von bilateralen Freundschafts- und Hilfsorganisationen habe vor allem ein Ziel – „die Ausbreitung des Einflusses des Kremls und das Schaffen von Spannungen“.
„Für uns ist die Krim die Ukraine und der Donbass Ukraine“Aleksandar Vucic Präsident Serbiens