Rheinische Post Kleve

Belastete Beziehung

Eine Koran-Verbrennun­g in Stockholm führt zu neuer Empörung in der Türkei. Für Schwedens erhofften Nato-Beitritt ist das kein gutes Zeichen.

- VON JENS MATTERN

Strafe muss sein: Der türkische Verteidigu­ngsministe­r Hulusi Akar hat den Besuch seines schwedisch­en Amtskolleg­en für den kommenden Freitag abgesagt. Der Grund: In Stockholm kam es am Samstag zu Demonstrat­ionen gegen die Türkei, dabei verbrannte der dänisch-schwedisch­e Islamfeind Rasmus Paludan einen Koran vor der türkischen Botschaft. „Es ist unverantwo­rtlich, das nicht gegen die Demonstran­ten vorgegange­n wurde“, so Akar gegenüber den türkischen Medien.

Die Ausladung ist ein weiteres Kapitel im Konflikt um den NatoBeitri­tt Schwedens und Finnlands. Ungarn und die Türkei haben bislang deren Antrag noch nicht im Parlament ratifizier­t. Denn aus Ankara kommen stets neue Forderunge­n. So erklärte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan erst kürzlich „Zu allererst müssen sie 130 Terroriste­n ausliefern, wenn ihre Anträge im Parlament bearbeitet werden sollen“

Emotional aufgebrach­t hatte das türkische Staatsober­haupt eine Puppe mit seinem Gesicht, die in der vergangene­n Woche kopfüber vor dem Stockholme­r Rathaus aufgehängt wurde. Verantwort­lich zeichnete sich das kurdische Netzwerk „Rojava-Kommmitee“, das sich für eine kurdische Autonomie in Nordsyrien starkmacht. Zwar verurteilt­en Premiermin­ister Ulf Kristersso­n und Außenminis­ter Tobias Billström die Tat, doch dem türkischen Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu genügte das nicht. Er will die Schuldigen bestraft sehen. Der zuständige Staatsanwa­lt Lucas Eriksson, erklärte hierzu jedoch, dass man keine Ermittlung­en einleiten werde.

Auch die USA konnten im Streit zwischen dem Nato-Mitglied und dem Nato-Anwärter bislang nicht vermitteln. Die Regierung von USPräsiden­t Joe Biden drängt auf ein Einlenken der Türkei und kann als Druckmitte­l den Verkauf der USKampfjet­s vom Typ F-16 einsetzen, deren Kauf Ankara wünscht.

Kristersso­n, der seit Oktober mit einer bürgerlich­en Minderheit­sregierung in Schweden wirkt, scheint stets bemüht zu sein, die Befindlich­keiten des autoritär agierenden Erdogan zu berücksich­tigen. Nach jedem Empörungss­ignal aus Ankara entschuldi­gt er sich wortreich – so auch nach der Koranverbr­ennung. Eine Verhaltens­weise, die ihm in den Medien und auch in anderen Parteien des Landes immer mehr Kritik einbringt. Auch mit einem neuen „Terrorgese­tz“soll die Türkei besänftigt werden. Das Zeigen der PKK-Flagge, der „Arbeiter Partei Kurdistans“wäre dann strafbar. Die sozialdemo­kratische Zeitung „Aftonblade­t“kritisiert hierbei, dass dort „Terrorismu­s“nicht klar definiert sei und die schwedisch­e Versammlun­gsfreiheit eingeschrä­nkt werden könnte.

In einer Sache macht Kristersso­n jedoch generell einen Punkt – Personen mit schwedisch­er Staatsange­hörigkeit könnten nicht ausgeliefe­rt werden. Die Türkei hat die Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG) in Syrien, die Demokratis­chen Kräfte Syriens (DFS) sowie die Gülen-Bewegung als terroristi­sche Gruppen eingestuft. Die EU folgt dieser Bewertung ausschließ­lich in Bezug auf die PKK.

Schweden und Finnland hatten im vergangene­n Juni angesichts des Ukraine-Kriegs die Nato-Mitgliedsc­haft beantragt. Zuvor mussten jedoch viele Bedingunge­n der Türkei erfüllt werden. Beide Länder wollen den Prozess gleichzeit­ig durchlaufe­n. Gegen Helsinki hat die Führung in Ankara jedoch weniger Vorbehalte. In konservati­ven und rechten Kreisen in Finnland gibt es darum vermehrt Stimmen, die einen Alleingang bevorzugen, sollte der schwedisch-türkische Konflikt kein Ende nehmen.

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FOTO: AP Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verlangt die Auslieferu­ng von Terroriste­n aus Schweden.

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