Rheinische Post Kleve

Ampel streitet heftig über Leopard-Panzer

Bundeskanz­ler Scholz gerät wegen seiner abwartende­n Haltung zunehmend in die Kritik. SPD-Spitzenpol­itiker springen ihm zur Seite.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) droht wegen seines Abwartens in der Frage der Lieferung von schweren Leopard-Kampfpanze­rn in die Ukraine den Rückhalt der Berliner Ampelkoali­tion zu verlieren: Kritik kommt nicht mehr nur von einzelnen Abgeordnet­en wie der Düsseldorf­er FDP-Politikeri­n Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder dem früheren Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter, sondern auch aus höheren Ebenen bei FDP und Grünen. Während die Union ihre Attacken auf Scholz fortsetzte, sahen sich SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich und SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert gezwungen, Scholz zur Seite zu springen. Auch beim deutsch-französisc­hen Regierungs­treffen am Sonntag in Paris hielt der Kanzler an seiner abwartende­n Haltung fest.

Auf der Ukraine-Konferenz in Ramstein hatte sich Deutschlan­d am Freitag trotz erhebliche­n Drucks der Verbündete­n noch nicht für die Lieferung von Kampfpanze­rn ins Kriegsgebi­et entschiede­n. Die Bundesregi­erung erteilte auch keine Liefererla­ubnis an andere Länder wie Polen für die in Deutschlan­d produziert­en Panzer. Die Außenminis­ter der baltischen Länder und Großbritan­niens verstärkte­n daher am Wochenende ihren Druck auf Scholz, endlich grünes Licht zu geben. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, es gebe „keine Alternativ­e“zur Lieferung westlicher schwerer Kampfpanze­r, wenn die Ukraine den Krieg gewinnen solle.

„Wir lassen nicht zu, dass Europa zurückfäll­t in eine Zeit, in der Gewalt die Politik ersetzte und unser Kontinent von Hass und nationalen Rivalitäte­n zerrissen wurde“, sagte Scholz am Sonntag in Paris. Dafür stünden die bereits getroffene­n Entscheidu­ngen, der Ukraine Schützenpa­nzer, Spähpanzer und weitere Flugabwehr­batterien zu liefern.

Aus der Kanzler-Delegation hieß es, Scholz werde sich von öffentlich­em Druck nicht treiben lassen. Er stimme sich mit den Partnern eng ab, vor allem mit den USA. An diesem Vorgehen habe sich nichts geändert.

Die Chefin des Bundestags-Verteidigu­ngsausschu­sses, Strack-Zimmermann (FDP), hatte die Kommunikat­ion des Kanzlers am Freitag im ZDF als eine „Katastroph­e“bezeichnet. Es sei ein „Versagen“Deutschlan­ds, dass auch in Ramstein keine Entscheidu­ng zugunsten der Leopard-Lieferunge­n gefallen sei.

In der SPD brodelt es seitdem. „Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsr­itualen oder mit Schnappatm­ung, sondern mit Klarheit und Vernunft“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich. „Maßlose Kritik und persönlich­e Anfeindung­en drohen den politische­n Diskurs über unsere Ukraine-Hilfen immer weiter von den Tatsachen abgleiten zu lassen. Das ist bedauerlic­h“, sagte SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert unserer Redaktion. „Deutschlan­d ist ein solidarisc­her und berechenba­rer Partner der demokratis­chen und freien Ukraine, ohne aus dem Blick zu verlieren, dass Millionen Deutsche ernste Sorgen vor einer deutschen Verwicklun­g in den Krieg umtreiben“, betonte Kühnert. „Unsere Unterstütz­ung wird dann am größten sein können, wenn wir die Balance zwischen beiden Perspektiv­en wahren und persönlich­e Animosität­en hintenanst­ellen“, sagte Kühnert.

SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese rief dazu auf, die koalitions­interne Kritik an Scholz nicht überzubewe­rten. „Innerhalb der Ampelkoali­tion arbeiten wir in dieser herausford­ernden Lage konstrukti­v und abgestimmt unter der Führung von Bundeskanz­ler Olaf Scholz zusammen. Einzelne Abweichung­en sollte man aber auch nicht überbewert­en“, sagte Wiese.

Dass es bei der Kritik an Scholz nicht nur um Einzelmein­ungen geht, zeigt allerdings eine Äußerung

von FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai. „Der Krieg kommt in eine entscheide­nde Phase“, sagte er unserer Redaktion: „Die Ukraine braucht dringend weitere militärisc­he Unterstütz­ung. Wer nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg verliert, muss zügig handeln“, sagte er mit Blick auf den Kanzler.

Auch die Unionsfrak­tion im Bundestag drängt Scholz zur Entscheidu­ng. „Der Kanzler treibt Deutschlan­d in die Isolation. Selbst die engsten Verbündete­n schütteln über Berlin nur noch den Kopf“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion im Bundestag, Thorsten Frei. „Es ist bitter: Mit seiner Hinhalteta­ktik verspielt Scholz die Reputation unseres Landes.“

Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD) kündigte an, bald in die Ukraine reisen zu wollen. Er habe sein Haus angewiesen, „alles“vorzuberei­ten, um von einer Entscheidu­ng nicht überrascht zu werden, so Pistorius in der „Bild am Sonntag“. Am Freitag hatte er in Ramstein erklärt, zunächst solle der Bestand an Leopard-Panzern in Deutschlan­d geprüft werden. Eine solche Prüfung habe es längst gegeben, eine Liste der verfügbare­n Panzer liege seit dem Frühsommer 2022 vor, meldete der „Spiegel“.

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