Frustriertes Grundrauschen
Mit 54,5 Prozent Zustimmung haben die Liberalen in NRW Henning Höne zum neuen Parteichef gewählt.
Der Applaus fällt kurz aus. Henning Höne ist neuer Landesparteichef der FDP in NordrheinWestfalen – so eben. Mit gerade mal 16 Stimmen mehr als nötig hat er es knapp geschafft. 208 Delegierte haben gerade für ihn gestimmt. 157 gegen ihn. 17 Enthaltungen gab es. Das macht 54,5 Prozent Zustimmung für den 35-Jährigen, der jetzt die NRW-FDP führt. Höne hatte im Vorfeld schon klargemacht, dass er nicht mit einem überragenden Ergebnis rechnete. Einen so harten Aufschlag hatte dann aber doch niemand erwartet für den Coesfelder, der auch Fraktionschef der Liberalen im Landtag ist.
Die Reaktionen von Parteifreunden reichen von verärgert über ernüchtert bis tapfer. Gut seien diese Zahlen nicht, gibt Generalsekretär Moritz Körner zu. „Aber das gehört in einer Partei und in der Demokratie dazu, dass es auch mal kracht.“Körner wird später selbst mit 64,4 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt werden – auch nicht der stärkste Rückenwind. „Das Ergebnis spiegelt die Frustration nach der Landtagswahl wieder, und die Partei hat sich an der falschen Stelle ein Ventil gesucht“, urteilt Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Höne selbst wollte in einem Statement, das er später abgab, nach vorn schauen. „Mit einem solchen Wahlergebnis ist niemand zufrieden“, sagte er. „Die Liste der Aufgaben ist lang. Darauf würde ich mich jetzt viel lieber konzentrieren.“
Insgesamt blieb die Stimmung beim Landesparteitag der FDP in Bielefeld verhalten: ein frustriertes Grundrauschen. Höne beschwor liberale Überzeugungen, sprach über kommende Schwerpunkte wie Bildung, Digitalisierung, Energiepolitik, und über Mut zu Grundsatzdebatten. „Niemand tritt in die FDP ein, weil er sich eigentlich am wohlsten fühlt in der absoluten Mehrheit der großen Masse“, sagte Höne. „Und so schmerzhaft die Niederlage im vergangenen Mai war: Ich glaube nicht, dass wir die Freien Demokraten neu erfinden müssen.“Die Wahlniederlage im Mai – der Parteitag
in Bielefeld stand in ihrem Zeichen. Immer wieder kamen die Rednerinnen und Redner des Tages darauf zu sprechen. Die FDP war bei der NRW-Landtagswahl auf 5,9 Prozent abgestürzt. Der damalige Spitzenkandidat und bisherige Landesparteichef Joachim Stamp hatte damals die Verantwortung übernommen. Nun sprach er in Bielefeld von einem „Neustart, den wir brauchen“.
In der Aussprache fand Alexander Steffen von den Jungen Liberalen dennoch harte Worte der Abrechnung. Es sei die Strategie der FDP gewesen, sich der CDU anzunähern, um wiedergewählt zu werden. „Das haben wir stellenweise auf eine beschämende Art und Weise zelebriert“, rief er. „Die CDU ist nicht der Freund. Die CDU ist der Gegner. Und das muss klar sein.“
Für Aufmerksamkeit sorgten die Auftritte der FDP-Bundesprominenz mit nordrhein-westfälischen Wurzeln. Christian Lindner, Finanzminister und Bundesparteichef, verteidigte in seiner Ansprache die Schuldenbremse: „Man ruiniert die Staatsfinanzen nicht in der Krise. Man ruiniert die Staatsfinanzen, wenn man den Ausgang aus der Krisenpolitik nicht findet“, sagte er. Eine Attacke ritt er in Richtung des CDU-Chefs Friedrich Merz: „Wer pauschal über ,Sozialtourismus‘ und ,kleine Paschas’ spricht, der kann keinen Führungsanspruch für das modernde Deutschland begründen“, sagte Lindner.
Die Bundestagsabgeordnete Marie Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, konzentrierte ihre Botschaft auf den Krieg. Sie wollte „aufräumen“mit einer „folkloristischen Vorstellung“von Russland: „In der Ostukraine steht nicht das Bolschoi-Ballett und tanzt Schwanensee. Da stehen Soldaten, die morden, vergewaltigen, verschleppen und noch vieles Schreckliche mehr“, sagte sie.
Neue Stellvertreter Hönes sind Nicole Westing, Michael Terwiesche und Katrin Helling-Plahr. Bei Michael Terwiesche entschied am Ende das Los: Für ihn und die Bewerberin Clarisse Höhle hatte es gleich viele Stimmen gegeben.