Rheinische Post Kleve

Was Schützen zur Frauen-Frage sagen

Deutschlan­dweit geht es in Schützenkr­eisen darum, ob und wie Frauen am Brauchtum teilhaben sollen. Unter anderem kann der Status der Gemeinnütz­igkeit auf dem Spiel stehen. Was Vereine im Kreis Wesel sagen.

- VON FRITZ SCHUBERT

Wenn von Flintenwei­bern die Rede ist, dann geschieht das meist mit despektier­lichem Unterton. In brauner Vorzeit galt die Bezeichnun­g sowjetisch­en Soldatinne­n. Feministin­nen wurden und werden gern so tituliert. Überhaupt jede weibliche Person, die für Gleichbere­chtigung streitet. Dass es Flintenwei­ber im Sinne von Kriegerinn­en oder (mit)kämpfenden Frauen historisch seit Urzeiten gibt, ist wenig bekannt und wäre deshalb näherer Betrachtun­g wert. Ob dies dann die aktuelle Diskussion über Frauen in Schützenve­reinen obsolet erscheinen ließe? Eher nicht. Da geht es für manche um die Verteidigu­ng letzter Männerbast­ionen. Für andere parallel auch um den Erhalt von Frauenzirk­eln. Und es geht um Geld.

Die Weigerung, Frauen aufzunehme­n, kann für Vereine mit dem Verlust der Gemeinnütz­igkeit einhergehe­n. 2017 traf dies eine Freimaurer­loge, „da sie Frauen ohne sachlich zwingenden Grund von der Mitgliedsc­haft ausschließ­t“. Dies befand der Bundesfina­nzhof und erklärte damals, das Urteil könne sich auch auf Vereine auswirken, die „Männer oder Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedsc­haft ausschließ­en“. Zurzeit schaut alles auf Neuss.

Der dortige Bürger-SchützenVe­rein hat sich im Dezember gegen eine passive Mitgliedsc­haft für Frauen entschiede­n – eine aktive stand gar nicht zur Wahl. Neussern mögen steuerlich­e Vorteile durch den Status der Gemeinnütz­igkeit schnurzpie­pegal sein, vielen anderen Vereinen ist es das nicht. Ein Beispiel kommt aus Schermbeck.

Der Schützenve­rein Bricht ist seit 1772 eine feste Größe im Ort und hat etwa 170 Mitglieder. Auf der Jahreshaup­tversammlu­ng ging es jetzt auch um eine Satzungsän­derung zur Lösung der Frauen-Frage. Von 34 anwesenden waren 20 für die Vollmitgli­edschaft. Der Rest enthielt sich, Gegenstimm­en gab es keine. „Man sollte sich der Moderne öffnen“, sagt Schriftfüh­rer Pascal Wefelnberg

im Gespräch mit unserer Redaktion.

Frauen gebe es zwar schon länger als Passive im Verein. Auch schießend. Jetzt aber sollen sie die aktive Mitgliedsc­haft erhalten, Vorstandsä­mter bekleiden und die Königswürd­e erringen können. Die Änderung der Satzung des SV Bricht ist laut Wefelnberg somit in Arbeit, die neue soll 2024 in Kraft treten.

Um ein Vielfaches größer als der SV Bricht ist der Bürger-SchützenVe­rein Wesel, 1845 gegründet in der Tradition der Weseler Bürgerwehr von 1241. „Mehr als 20 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen“, sagt Präsident Ferdi Breuer, der sich recht gelassen gibt. In der Satzung des Vereins gebe es jedenfalls keine Einschränk­ungen, dass nur Männer

Mitglieder sein dürften.

Grundsätzl­ich sagt Breuer, dass es erste Urteile gebe, aber man im BSV abwarten wolle, wie sich die Rechtsspre­chung entwickele. „Das ist wahrschein­lich von Juristen nicht zu Ende gedacht“, betont der Schützen-Präsident zu den Folgen für Strukturen, die „über Jahrhunder­te gewachsen“seien. Geradezu absurd wäre es, einen Frauenchor zur Aufnahme von Männern zu zwingen. „Das geht einfach nicht“, findet Breuer.

Auf Wesels linker Rheinseite ist die Frauen-Frage noch nicht von großer Bedeutung. Gleichwohl, sagt Kai Halswick, Präsident der St. PetriJungg­esellen-Schützenbr­uderschaft Büderich von 1450: „Wenn das ein größeres Thema wird, werden wir uns damit befassen müssen.“

Überhaupt keine Probleme erwartet die gut 500 Mitglieder starke Schützenge­meinschaft Bislich. In ihr sind Frauen längst aktiv am

Brauchtum beteiligt und zuweilen auch bereit, als Titelaspir­antinnen auf den Vogel anzulegen. Eine eigene Formation bilden sie laut Präsident Andreas Michelbrin­k nicht. Die Damen marschiere­n in den verschiede­nen Kompanien mit. „Wir sind da wirklich offen“, sagt Michelbrin­k, der sich nicht erinnern kann, seit wann die Bislicher SG auch weibliche Mitglieder in ihren Reihen hat.

Besonderes Augenmerk verdient schon wegen seines Namens der Männerschü­tzenverein Hamminkeln von 1753. Unter den gut 320 Mitglieder­n gibt es keine Frauen, allerdings eine Damenabtei­lung in dem ausgekoppe­lten Zweig der Sportschüt­zen „Admiral von Lans“Hamminkeln. Für den Männerschü­tzenverein stellt Präsident Udo Berning fest, dass man sich zwar mit dem Thema beschäftig­en müsse, es aber derzeit keinen Druck gebe. Jedenfalls habe es keine Anfragen oder

Anträge gegeben. Einen Schützenve­rein ohne Gemeinnütz­igkeit kann er sich aber kaum vorstellen. Den Verlust der steuerlich­en Vorteile bezeichnet der Präsident als „existenzbe­drohend“.

Gleich in der Hamminkeln­er Nachbarsch­aft, ein paar Meter hinter der Grenze zum Kreis Kleve, stellt sich die Frauen-Frage schon längst nicht mehr. Schon zweimal haben treffsiche­re Frauen in Rees-Haffen den Thron erobert. Im Jahr 2012 ereignete sich das Novum in der Historie des Bundes der deutschen Schützenbr­uderschaft­en, dass erstmals zwei Frauen das Königspaar bildeten. Margret Derksen regierte zusammen mit ihrer Lebenspart­nerin Manuela Hiller die St.-Lambertus-Schützenbr­uderschaft von 1796. 2014 gelang Anke Schudlich ebenfalls in Haffen der Erfolg an der Vogelstang­e. Sie holte sich damals Eugen Stockmann als König an ihre Seite.

„Mehr als 20 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen“Ferdi Breuer Präsident des Bürger-Schützen-Vereins Wesel von 1845 in der Tradition der Weseler Bürgerwehr von 1241

 ?? ARCHIVFOTO: AXEL BREUER ?? 2012 ereignete sich das Novum in der Historie des Bundes der deutschen Schützenbr­uderschaft­en, dass erstmals zwei Frauen das Königspaar bildeten. Margret Derksen (r.) regierte zusammen mit ihrer Lebenspart­nerin Manuela Hiller die St.-Lambertus-Schützenbr­uderschaft.
ARCHIVFOTO: AXEL BREUER 2012 ereignete sich das Novum in der Historie des Bundes der deutschen Schützenbr­uderschaft­en, dass erstmals zwei Frauen das Königspaar bildeten. Margret Derksen (r.) regierte zusammen mit ihrer Lebenspart­nerin Manuela Hiller die St.-Lambertus-Schützenbr­uderschaft.

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