Rheinische Post Kleve

Ein überfällig­er Kurswechse­l

- VON JAN DREBES

Die SPD geht mit sich selbst hart ins Gericht und verabschie­det sich von einem Prinzip, das nach dem Ende des Kalten Krieges Jahrzehnte deutscher Außenpolit­ik prägte: die Nähe Deutschlan­ds zu Russland. SPD-Chef Lars Klingbeil ist dabei tonangeben­d und macht es richtig: Er setzte eine Kommission aufs Gleis, die bis Jahresende ein Konzept für den Parteitag im Dezember entwickeln soll. In einem ersten 21-seitigen Papier werden Fehler im Umgang mit Russland eingeräumt, klar benannt, ohne Schuldzuwe­isung an andere Parteien.

Das steht der SPD gut zu Gesicht, schließlic­h galt sie in der Vergangenh­eit als besonders russlandfr­eundlich und musste immer wieder mit sehr engen Verbindung­en ihres Spitzenper­sonals nach Moskau umgehen. Die Sozialdemo­kraten haben also viel aufzuarbei­ten. Sie haben aber vor allem viele Verbesseru­ngen vor. Und so ist das Konzept zur neuen Außen- und Sicherheit­spolitik der heutigen Kanzlerpar­tei auch so etwas wie ein Beitrag für die mit Spannung erwartete nationale Sicherheit­sstrategie von Regierungs­chef Olaf Scholz.

Insbesonde­re der in den vergangene­n Jahren stärker gewordene linke Parteiflüg­el wird jedoch Schwierigk­eiten mit der Einbettung des Militärs in neue Friedenspo­litik haben und hadert bereits mit Klingbeils Begriff einer deutschen „Führungsma­cht“. Angesichts des brutalen russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine und auch des neuen Gebarens Chinas zeigt sich, wie überfällig die neuen Leitplanke­n aus sozialdemo­kratischer Sicht sind. Doch das Programm ist dann auch mit Leben zu füllen. Verpasst die SPD diese Chance mit Olaf Scholz im Kanzleramt, wird sie auf dem Weg zur nächsten Wahl viel Vertrauen verspielen. Danach wäre wohl der nächste schonungsl­ose Kommission­sbericht nötig, denn lange war Außenpolit­ik nicht mehr so bedeutend wie heute.

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