Rheinische Post Kleve

Beklemmend­e Hilflosigk­eit

Für sein Drama „The Father“wurde Florian Zeller hoch gelobt. In „The Son“erzählt er nun, wie ein Elternpaar an der Depression seines Sohnes verzweifel­t.

- VON LISA FORSTER

(dpa) Es gibt Filme, die sind vor allem gut, weil ihre Schauspiel­er es sind. Zum Beispiel die des französisc­hen Regisseurs und Theatermac­hers Florian Zeller. Für sein Drama „The Father“bekam er viel Lob – was zuvorderst an den herausrage­nden Hauptdarst­ellern Anthony Hopkins und Olivia Colman lag. Auch beim Nachfolger „The Son“setzt Zeller nun wieder auf eine erstklassi­ge Besetzung. Hugh Jackman und Laura Dern spielen Eltern, die ihrem Teenager-Sohn bei seinen schwerwieg­enden psychische­n Problemen nicht helfen können und an dieser Hilflosigk­eit verzweifel­n.

Was die Schauspiel­er leisten, ist beeindruck­end. Doch ihre Rollen in „The Son“sind etwas eindimensi­onal. Bis zum Schluss bekommen sie keinen Zugang zur Gefühlswel­t ihres Sohnes, entwickeln sich nicht richtig weiter. Für viele Eltern dürfte die Geschichte trotzdem Stoff zum Nachdenken bieten. Interessan­t ist auch, was Hugh Jackman und Laura Dern selbst über ihre Elternscha­ft erzählen. Und darüber, was der Film sie gelehrt hat. Im Interview während der Filmfestsp­iele in Venedig, wo der Film vergangene­s Jahr Premiere feierte, sagte Jackman: „Ein Punkt, in dem ich mich seit dem Film wahrschein­lich verändert habe, ist, dass ich offener über meine eigene Verletzlic­hkeit spreche. Früher dachte ich – und es wurde mir vermutlich so beigebrach­t –, dass das eine Last für die Kinder sein würde. Dass du stark und präsent sein musst, damit sie sich an dich anlehnen können.“Mit seiner Ehefrau hat Jackman zwei Kinder, die 2000 und 2005 geboren wurden. Inzwischen sehe er das anders und spreche mit seinen Kindern offener über seine Unsicherhe­iten. „Ich habe das Gefühl, es erlaubt ihnen, ihre eigenen Ängste zu artikulier­en und sich für den Dialog zu öffnen.“

„The Son“erzählt vor allem aus der Perspektiv­e des Vaters Peter (Jackman), der seinen Sohn Nicholas (Zen McGrath) liebt, trotz aller Annäherung­sversuche aber nicht zu ihm durchdring­t. Nicholas ist depressiv und schwänzt nach der Scheidung seiner Eltern wochenlang die Schule. Er will nicht mehr bei seiner Mutter Kate (Dern) leben, sondern zu seinem Vater ziehen. Dieser ist als Anwalt mit politische­n Ambitionen beruflich sehr eingespann­t, außerdem hat er mit seiner neuen Freundin Beth (Vanessa Kirby) ein Baby. Trotzdem nimmt er Nicholas bei sich auf und versucht, ihm wieder etwas Lebenslust beizubring­en. Das gelingt kaum.

Peter ist in seiner Herangehen­sweise bemüht, aber zu hemdsärmel­ig. Er bezieht Nicholas‘ Kummer auf sein Teenager-Dasein oder Liebeskumm­er, weil er nicht versteht, dass Depression­en manchmal keine einfachen Erklärunge­n haben. Manchmal

wird er ungeduldig oder sauer – bis er merkt, dass er dann genau das verkörpert, was er an seinem eigenen Vater (Anthony Hopkins in einer kleinen Nebenrolle) so hasst.

Laura Dern spielt in „The Son“Mutter Kate. Diese reagiert sehr emotional auf Nicholas‘ Probleme und bezieht das Geschehen auf sich. „Ich fühle mich wie eine komplette Versagerin“, sagt sie einmal zu ihrem Ex-Mann, der sie daraufhin freundlich ermahnt, sich nicht so aufzuregen. Nicholas wiederum erklärt mit glasigen Augen, dass es einfach das Leben sei, das ihn herunterzi­ehe. Doch einen wirklichen Einblick in seine Gedanken bekommen wir nicht. „Wie es im Film heißt: Liebe ist nicht genug“, sagte Dern im Interview. „Es ist herzbreche­nd, wenn wir bemerken – und uns geht es allen immer wieder so –, dass wir einen geliebten Menschen nicht retten oder kontrollie­ren können. Sei es ein Elternteil, ein Liebhaber oder ein Kind.“

„The Son“, USA 2022 – Regie: Florian Zeller; mit Hugh Jackman, Laura Dern, Vanessa Kirby, Zen McGrath, Anthony Hopkins; 123 Minuten

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FOTO: REKHA GARTON/ LEONINE/DPA Teenager Nicholas (Zen McGrath) mit seinen Eltern Kate (Laura Dern) und Peter (Hugh Jackman).

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