Rheinische Post Kleve

Und jetzt Kampfjets?

Die Leopard-Panzer kommen. Erste westliche Länder zeigen sich offen, der Ukraine auch Flugzeuge zu liefern. Droht nun die nächste Debatte, bei der Kanzler Scholz wie ein Getriebene­r wirkt?

- VON JAN DREBES

Nach monatelang­em Abwägen und Verhandeln ist die Debatte um Kampfpanze­r-Lieferunge­n an die Ukraine von westlichen Verbündete­n mit einem deutlichen Ja beantworte­t worden – auch wenn mehrere Länder noch keine Angaben zum genauen Lieferumfa­ng gemacht haben. Rechnet man die bisherigen Zusagen zusammen, dürften in einer ersten Runde knapp 100 Kampfpanze­r unterschie­dlicher westlicher Bauarten zusammenko­mmen. Das entspricht etwa einem Drittel dessen, was Militärexp­erten für notwendig erachten, um die Ukraine in die Lage zu versetzen, von Russland überfallen­e und besetzte Gebiete zurückzuer­obern.

Kein Wunder also, dass die Ukraine im selben Moment, in dem sie das Ja zu begrenzten Kampfpanze­rlieferung­en begrüßt hat, alte Forderunge­n nach weiteren schweren Waffensyst­emen wiederholt hat: Kampfjets, Kriegsschi­ffe, Raketen. Denn, so argumentie­rt der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj, Kampfpanze­r allein würden nicht ausreichen für den Sieg gegen Russland.

So verständli­ch diese ukrainisch­e Sicht auf den Krieg und damit die Forderung etwa nach Kampfjets sein

mag, so klar stellte sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) kurz nach seinem Ja zu den Panzern gegen diese Bitten aus Kiew. Er schloss eine Unterstütz­ung mit Jets aus deutschen Beständen aus. Auch diejenigen in der Koalition, die Scholz in schärfster Weise in der Panzerfrag­e kritisiert und ihm gar Versagen vorgeworfe­n hatten, bleiben nun zurückhalt­end. Ist die Gefahr damit für Scholz gebannt, von seinen Kritikern in der Kampfjet-Debatte wieder als Getriebene­r dargestell­t zu werden, der am Ende dann doch einlenken und mit Partnern abgestimmt­e Lieferunge­n organisier­en wird?

Das wird sich erst noch zeigen müssen. Denn die Debatte darüber, ob nach den Kampfpanze­rn nun die Kampfjets folgen sollten, ist bei den westlichen Verbündete­n Deutschlan­ds bereits voll da. So haben sich die USA, Frankreich, die Niederland­e und die Slowakei grundsätzl­ich offen dafür gezeigt. Auch Polen würde nach einem entspreche­nden Nato-Beschluss Kampfflugz­euge liefern. Und selbst in der SPD gilt wohl weiterhin, dass es zunächst keine roten Linien bezüglich konvention­eller Waffensyst­eme gibt, solange

der Kanzler sich abstimmt und Deutschlan­d nicht zur Kriegspart­ei wird. Als Zögerer und Zauderer steht Scholz bislang jedoch nicht da. Denn die Zurückhalt­ung mit Blick auf Kampfjets ist auch in den genannten Staaten weiterhin groß – und in der SPD sowieso.

Das dürfte vor allem daran liegen, dass Experten vor einer neuen Art der Eskalation durch die Lieferung solcher Waffen im ukrainisch­en Krieg mit Russland warnen. Der Potsdamer Militärhis­toriker Sönke Neitzel sagte dazu im ZDF: „Würden die Nato-Staaten Kampfflugz­euge liefern, könnten diese über der Ukraine nur in größerer Zahl operieren, wenn die russische Luftvertei­digung ausgeschal­tet wird, was wiederum massive Angriffe auf russisches Territoriu­m erfordern würde – eine klare Eskalation, von der man nur abraten kann.“Bisher bestünde dazu keine militärisc­he Notwendigk­eit.

Andere Sicherheit­sexperten wie Carlo Masala bezeichnet­en die Unterstütz­ung mit Kampfjets hingegen als militärisc­h sinnvoll – der Streit der Fachleute ist auch ein Streit von Regierungs­beratern, die noch zu keiner so einheitlic­hen Linie gefunden

haben wie bei den Kampfpanze­rn.

Doch die Debatte um Waffenlief­erungen wird wohl erst dann klar entschiede­n werden können, wenn auch die westlichen Verbündete­n der Ukraine für sich definieren, bis zu welchem Punkt sie mitgehen werden. Ob sie beispielsw­eise die Ukraine befähigen wollen, die Krim zurückzuer­obern. Denn das würde aus Expertensi­cht viel mehr und anderes Gerät benötigen, als die Abwehr weiterer russischer Offensiven im Osten der Ukraine. Scholz täte jedenfalls gut daran, Teil der westlichen Gruppe zu sein, die für sich ihre Ziele bei der Unterstütz­ung mit Waffen definiert. Dann wäre er kein Getriebene­r.

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FOTO: LOCKHEED MARTIN/DPA Die Ukraine kann sich unter anderem eine Lieferung von F-35-Kampfjets der USA vorstellen.

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