Und jetzt Kampfjets?
Die Leopard-Panzer kommen. Erste westliche Länder zeigen sich offen, der Ukraine auch Flugzeuge zu liefern. Droht nun die nächste Debatte, bei der Kanzler Scholz wie ein Getriebener wirkt?
Nach monatelangem Abwägen und Verhandeln ist die Debatte um Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine von westlichen Verbündeten mit einem deutlichen Ja beantwortet worden – auch wenn mehrere Länder noch keine Angaben zum genauen Lieferumfang gemacht haben. Rechnet man die bisherigen Zusagen zusammen, dürften in einer ersten Runde knapp 100 Kampfpanzer unterschiedlicher westlicher Bauarten zusammenkommen. Das entspricht etwa einem Drittel dessen, was Militärexperten für notwendig erachten, um die Ukraine in die Lage zu versetzen, von Russland überfallene und besetzte Gebiete zurückzuerobern.
Kein Wunder also, dass die Ukraine im selben Moment, in dem sie das Ja zu begrenzten Kampfpanzerlieferungen begrüßt hat, alte Forderungen nach weiteren schweren Waffensystemen wiederholt hat: Kampfjets, Kriegsschiffe, Raketen. Denn, so argumentiert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Kampfpanzer allein würden nicht ausreichen für den Sieg gegen Russland.
So verständlich diese ukrainische Sicht auf den Krieg und damit die Forderung etwa nach Kampfjets sein
mag, so klar stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurz nach seinem Ja zu den Panzern gegen diese Bitten aus Kiew. Er schloss eine Unterstützung mit Jets aus deutschen Beständen aus. Auch diejenigen in der Koalition, die Scholz in schärfster Weise in der Panzerfrage kritisiert und ihm gar Versagen vorgeworfen hatten, bleiben nun zurückhaltend. Ist die Gefahr damit für Scholz gebannt, von seinen Kritikern in der Kampfjet-Debatte wieder als Getriebener dargestellt zu werden, der am Ende dann doch einlenken und mit Partnern abgestimmte Lieferungen organisieren wird?
Das wird sich erst noch zeigen müssen. Denn die Debatte darüber, ob nach den Kampfpanzern nun die Kampfjets folgen sollten, ist bei den westlichen Verbündeten Deutschlands bereits voll da. So haben sich die USA, Frankreich, die Niederlande und die Slowakei grundsätzlich offen dafür gezeigt. Auch Polen würde nach einem entsprechenden Nato-Beschluss Kampfflugzeuge liefern. Und selbst in der SPD gilt wohl weiterhin, dass es zunächst keine roten Linien bezüglich konventioneller Waffensysteme gibt, solange
der Kanzler sich abstimmt und Deutschland nicht zur Kriegspartei wird. Als Zögerer und Zauderer steht Scholz bislang jedoch nicht da. Denn die Zurückhaltung mit Blick auf Kampfjets ist auch in den genannten Staaten weiterhin groß – und in der SPD sowieso.
Das dürfte vor allem daran liegen, dass Experten vor einer neuen Art der Eskalation durch die Lieferung solcher Waffen im ukrainischen Krieg mit Russland warnen. Der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel sagte dazu im ZDF: „Würden die Nato-Staaten Kampfflugzeuge liefern, könnten diese über der Ukraine nur in größerer Zahl operieren, wenn die russische Luftverteidigung ausgeschaltet wird, was wiederum massive Angriffe auf russisches Territorium erfordern würde – eine klare Eskalation, von der man nur abraten kann.“Bisher bestünde dazu keine militärische Notwendigkeit.
Andere Sicherheitsexperten wie Carlo Masala bezeichneten die Unterstützung mit Kampfjets hingegen als militärisch sinnvoll – der Streit der Fachleute ist auch ein Streit von Regierungsberatern, die noch zu keiner so einheitlichen Linie gefunden
haben wie bei den Kampfpanzern.
Doch die Debatte um Waffenlieferungen wird wohl erst dann klar entschieden werden können, wenn auch die westlichen Verbündeten der Ukraine für sich definieren, bis zu welchem Punkt sie mitgehen werden. Ob sie beispielsweise die Ukraine befähigen wollen, die Krim zurückzuerobern. Denn das würde aus Expertensicht viel mehr und anderes Gerät benötigen, als die Abwehr weiterer russischer Offensiven im Osten der Ukraine. Scholz täte jedenfalls gut daran, Teil der westlichen Gruppe zu sein, die für sich ihre Ziele bei der Unterstützung mit Waffen definiert. Dann wäre er kein Getriebener.