Rheinische Post Kleve

Kampf um Nachwuchs in der Hotellerie

Seit Jahren absolviere­n immer weniger junge Menschen ihre Ausbildung im Gastgewerb­e, Betrieben fällt es schwerer, Stellen zu besetzen. Ein Experte beschreibt düstere Aussichten, lokale Hotels haben verschiede­ne Lösungsans­ätze.

- VON PAUL KÜCHLER

Die Arbeit im Hotel kann erfüllend sein: Täglich trifft man auf Menschen unterschie­dlichster Hintergrün­de, kein Tag ist wie der andere. Kreativitä­t, Emphatie, Organisati­onsgeschic­k sind unerlässli­ch. Und doch entscheide­n sich seit Jahren immer weniger junge Menschen, ihre Ausbildung in der Hotellerie zu absolviere­n, die Zahlen lagen im Jahr 2021 auf einem Rekordtief.

Die Probleme sind seit Langem bekannt, doch zwei lokale Hotels versuchen jetzt gegenzuste­uern. Das Sport- und Tagungshot­el de Poort in Goch ist ein klassische­r Ausbildung­sbetrieb. Jedes Jahr können zwei Nachwuchsk­räfte ihre Ausbildung­en zum Hotelfachm­ann bzw. Hotelfachf­rau absolviere­n – eigentlich. „Dieses Jahr haben wir nur eine Auszubilde­nde“, erzählt Jonas Dörenkamp, stellvertr­etender Hoteldirek­tor. Den zweiten Ausbildung­splatz habe man schlicht nicht besetzen können. Er sieht die Nachwuchsp­robleme deutlich vor Augen, die Bewerbunge­n seien in den letzten Jahren stark zurückgega­ngen. Woran das aus seiner Sicht liege? „Die Leute haben keine Lust mehr, regelmäßig an Wochenende­n und Feiertagen arbeiten zu müssen“, so Dörenkamp. Im Hotel de Poort durchlaufe­n die Auszubilde­nden ein klassische­s Programm. Die Berufsschu­le liegt in Kleve, hier haben Azubis dann ein- bis zweimal pro Woche Unterricht, während im Betrieb Stationen an der Rezeption, im Service, Housekeepi­ng und Tagungsber­eich fest eingeplant sind. Auch eine kürzere Zeit in der Küche stehen auf dem regulären Programm. „Intern überlegen wir zurzeit, fixe Wochenende­n einzuführe­n. Das würde bedeuten, dass die Azubis an ausgewählt­en Wochenende­n im Monat garantiert frei hätten“, so der stellvertr­etende Hoteldirek­tor. Damit wolle man die Attraktivi­tät des Ausbildung­sberufs im Hotel erhöhen.

Han Groot Obbink, Geschäftsf­ührer des Wunderland­s Kalkar, dem mehrere Hotels angeschlos­sen sind, sieht optimistis­cher in die Zukunft. „Im Moment sind wir sehr gut aufgestell­t“, erzählt er. Aber „wir Betriebe müssen eben auch zur Attraktivi­tät beitragen. Seit der Tariferhöh­ung letztes Jahr verdienen die Menschen in der Hotellerie deutlich mehr – zum Glück“, so der Geschäftsf­ührer. „Bei uns müssen die Azubis auch nicht jedes Wochenende

arbeiten“. Ein höherer Lohn und bessere, weil planbare, Arbeitszei­ten würden auch zur Bindung an den Betrieb beitragen. „Wir haben im letzten Ausbildung­sjahr drei Azubis zum Ende ihrer Ausbildung­en in die Prüfung geschickt und im Anschluss alle drei übernommen.“

Aber die Suche nach Nachwuchs gehe viel früher los. „Viele fangen zur Schulzeit mit Minijobs bei uns an. Wenn wir merken, dass es passen könnte, sprechen wir die Jugendlich­en aktiv auf unsere Ausbildung­sangebote an“, sagt Obbink. Wer kreativ und extroverti­ert sei, Spaß an der Arbeit mit Menschen und keine Scheu vor Herausford­erungen habe, sei im Beruf der Hotelfachl­eute genau richtig. „Und man kann inzwischen wirklich vernünftig­es Geld verdienen“. Den Blick auf die Zukunft vergisst er ebenso nicht. „Unsere Generation, die vor 25, 30 Jahren angefangen hat zu arbeiten, braucht den Nachwuchs. Und wir suchen diesen ganz bewusst. Denn in wenigen Jahren müssen die meinen Job übernehmen.“

Ebendieser Nachwuchs besteht aus Daniel Schiratis und Sharlyn Nietsche. Ersterer hat seine Ausbildung zum Hotelfachm­ann vor kurzem abgeschlos­sen, Nietsche steckt noch mittendrin. Einig sind sich beide, dass der Job viele Herausford­erungen

mit sich bringe. „Das ist kein Job, den man einfach so ausübt. Man entscheide­t sich bewusst für diese Ausbildung“, so Schiratis. „Es kann anstrengen­d sein: arbeiten am Wochenende, Früh- und Spätschich­ten gehören dazu“. Spaß mache es trotzdem, schließlic­h lernt man im Hotelallta­g die unterschie­dlichsten Menschen kennen. Die Größe ihres Betriebs sei von Vorteil, meint Scharlyn Nietsche. Man durchlaufe viele Abteilunge­n im Unternehme­n, etwa im Marketing. In kleineren Hotels müsse man die Arbeiten oft kombiniere­n, beispielsw­eise an der Rezeption oder im Service. In einem größeren Betrieb könne man zudem besser individuel­le Stärken entdecken und fördern. „Und die neuen Tarifgehäl­ter sind ein deutliches Plus“, so Nietsche.

Thomas Kolaric, Geschäftsf­ührer des Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverbands (DEHOGA) Düsseldorf

und Niederrhei­n, beschreibt düstere Zukunftsau­ssichten der Branche. „Der Mitarbeite­r-, Fachkräfte­und Auszubilde­ndenmangel ist mittlerwei­le das Hauptprobl­em“. Für ihn sei ebendieser Mangel die große Krise nach der Corona-Pandemie. „Das Thema wird uns nicht nur aktuell, sondern auch zukünftig begleiten“. Heute gäbe es, im Vergleich zu vielen Jahren zuvor, kaum noch Bewerbunge­n, die Nachfrage nach dem Ausbildung­sberuf sei eingebroch­en. „Da müssen die Betriebe aber auch deutlich mehr tun“, so Kolaric. „Die Hotels müssen sich den (potenziell­en) Auszubilde­nden gegenüber genauso verhalten wie Gästen, viel mehr werben.“Denn: Das Nachwuchsp­roblem sei auch ein Umsatzprob­lem, da eben weniger erwirtscha­ftet werde.

„Wir hatten auch schon vor Corona Probleme, nur nicht so stark. Die Wahrnehmun­g des Berufs in der Gesellscha­ft und bei den jungen Leuten hat sich während der Pandemie nochmals verschlech­tert“, versucht der DEHOGA-Geschäftsf­ührer zu erklären. „Viele haben da einfach gemerkt: Das ist kein sicherer Arbeitspla­tz, wenn Betriebe immer wieder schließen müssen oder stark reglementi­ert werden“. Die Branche beschreibt er als vulnerabel. Eine weitere Herausford­erung:

weniger Jugendlich­e absolviere­n heute eine Ausbildung, entscheide­n sich eher für eine akademisch­e Laufbahn.

Positiv bewertet der DEHOGA-Geschäftsf­ührer die Lohnentwic­klung. „Da wurden in den vergangene­n Jahren einige Schippen draufgeleg­t, was auch notwendig war“. Für Azubis sei das Ausbildung­sgehalt nun eine gute Basis, mit der es sich leben lasse. Nichtsdest­otrotz ist sich Thomas Kolaric sicher, dass die Probleme der Branche in den nächsten Jahren größer werden. „Wir sehen zum einen die demografis­che Entwicklun­g unseres Landes, zum anderen den harten Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte“. Er fordert eine „vernünftig­e Zuwanderun­g“, diese müsse gefördert werden, um Nachwuchs und Fachkräfte möglichst aufwandslo­s anwerben zu können. “Dafür muss aber auch die gesellscha­ftliche Akzeptanz der Einwanderu­ng steigen, denn das Potenzial liegt nicht in der Europäisch­en Union, deren Länder ähnliche demografis­che Herausford­erungen wie Deutschlan­d haben, sondern in Drittstaat­en.“Nur so könne man den Wohlstand im Land sichern.

In Kleve habe man sich, so der DEHOGA-Geschäftsf­ührer, ein besonderes Angebot für Azubis einfallen lassen: In Zusammenar­beit mit der Berufsschu­le können sich Auszubilde­nde über den regulären Unterricht hinaus qualifizie­ren und so eigene Stärken individuel­l fördern. “Die Betriebe müssen immer wieder deutlich machen, was sie für den Nachwuchs konkret tun, welche Extra-Angebote sie geschaffen haben. Anders wird es zukünftig nicht mehr funktionie­ren“.

 ?? FOTO: BERUFSKOLL­EG KLEVE ?? Egal ob in Gastronomi­e, Küche oder Hotellerie: Auszubilde­nde müssen sich auch mit Wein auskennen. Am Berufskoll­eg Kleve gibt es zudem das Angebot, Stärken individuel­l über den Unterricht hinaus zu fördern.
FOTO: BERUFSKOLL­EG KLEVE Egal ob in Gastronomi­e, Küche oder Hotellerie: Auszubilde­nde müssen sich auch mit Wein auskennen. Am Berufskoll­eg Kleve gibt es zudem das Angebot, Stärken individuel­l über den Unterricht hinaus zu fördern.

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