Kampf um Nachwuchs in der Hotellerie
Seit Jahren absolvieren immer weniger junge Menschen ihre Ausbildung im Gastgewerbe, Betrieben fällt es schwerer, Stellen zu besetzen. Ein Experte beschreibt düstere Aussichten, lokale Hotels haben verschiedene Lösungsansätze.
Die Arbeit im Hotel kann erfüllend sein: Täglich trifft man auf Menschen unterschiedlichster Hintergründe, kein Tag ist wie der andere. Kreativität, Emphatie, Organisationsgeschick sind unerlässlich. Und doch entscheiden sich seit Jahren immer weniger junge Menschen, ihre Ausbildung in der Hotellerie zu absolvieren, die Zahlen lagen im Jahr 2021 auf einem Rekordtief.
Die Probleme sind seit Langem bekannt, doch zwei lokale Hotels versuchen jetzt gegenzusteuern. Das Sport- und Tagungshotel de Poort in Goch ist ein klassischer Ausbildungsbetrieb. Jedes Jahr können zwei Nachwuchskräfte ihre Ausbildungen zum Hotelfachmann bzw. Hotelfachfrau absolvieren – eigentlich. „Dieses Jahr haben wir nur eine Auszubildende“, erzählt Jonas Dörenkamp, stellvertretender Hoteldirektor. Den zweiten Ausbildungsplatz habe man schlicht nicht besetzen können. Er sieht die Nachwuchsprobleme deutlich vor Augen, die Bewerbungen seien in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Woran das aus seiner Sicht liege? „Die Leute haben keine Lust mehr, regelmäßig an Wochenenden und Feiertagen arbeiten zu müssen“, so Dörenkamp. Im Hotel de Poort durchlaufen die Auszubildenden ein klassisches Programm. Die Berufsschule liegt in Kleve, hier haben Azubis dann ein- bis zweimal pro Woche Unterricht, während im Betrieb Stationen an der Rezeption, im Service, Housekeeping und Tagungsbereich fest eingeplant sind. Auch eine kürzere Zeit in der Küche stehen auf dem regulären Programm. „Intern überlegen wir zurzeit, fixe Wochenenden einzuführen. Das würde bedeuten, dass die Azubis an ausgewählten Wochenenden im Monat garantiert frei hätten“, so der stellvertretende Hoteldirektor. Damit wolle man die Attraktivität des Ausbildungsberufs im Hotel erhöhen.
Han Groot Obbink, Geschäftsführer des Wunderlands Kalkar, dem mehrere Hotels angeschlossen sind, sieht optimistischer in die Zukunft. „Im Moment sind wir sehr gut aufgestellt“, erzählt er. Aber „wir Betriebe müssen eben auch zur Attraktivität beitragen. Seit der Tariferhöhung letztes Jahr verdienen die Menschen in der Hotellerie deutlich mehr – zum Glück“, so der Geschäftsführer. „Bei uns müssen die Azubis auch nicht jedes Wochenende
arbeiten“. Ein höherer Lohn und bessere, weil planbare, Arbeitszeiten würden auch zur Bindung an den Betrieb beitragen. „Wir haben im letzten Ausbildungsjahr drei Azubis zum Ende ihrer Ausbildungen in die Prüfung geschickt und im Anschluss alle drei übernommen.“
Aber die Suche nach Nachwuchs gehe viel früher los. „Viele fangen zur Schulzeit mit Minijobs bei uns an. Wenn wir merken, dass es passen könnte, sprechen wir die Jugendlichen aktiv auf unsere Ausbildungsangebote an“, sagt Obbink. Wer kreativ und extrovertiert sei, Spaß an der Arbeit mit Menschen und keine Scheu vor Herausforderungen habe, sei im Beruf der Hotelfachleute genau richtig. „Und man kann inzwischen wirklich vernünftiges Geld verdienen“. Den Blick auf die Zukunft vergisst er ebenso nicht. „Unsere Generation, die vor 25, 30 Jahren angefangen hat zu arbeiten, braucht den Nachwuchs. Und wir suchen diesen ganz bewusst. Denn in wenigen Jahren müssen die meinen Job übernehmen.“
Ebendieser Nachwuchs besteht aus Daniel Schiratis und Sharlyn Nietsche. Ersterer hat seine Ausbildung zum Hotelfachmann vor kurzem abgeschlossen, Nietsche steckt noch mittendrin. Einig sind sich beide, dass der Job viele Herausforderungen
mit sich bringe. „Das ist kein Job, den man einfach so ausübt. Man entscheidet sich bewusst für diese Ausbildung“, so Schiratis. „Es kann anstrengend sein: arbeiten am Wochenende, Früh- und Spätschichten gehören dazu“. Spaß mache es trotzdem, schließlich lernt man im Hotelalltag die unterschiedlichsten Menschen kennen. Die Größe ihres Betriebs sei von Vorteil, meint Scharlyn Nietsche. Man durchlaufe viele Abteilungen im Unternehmen, etwa im Marketing. In kleineren Hotels müsse man die Arbeiten oft kombinieren, beispielsweise an der Rezeption oder im Service. In einem größeren Betrieb könne man zudem besser individuelle Stärken entdecken und fördern. „Und die neuen Tarifgehälter sind ein deutliches Plus“, so Nietsche.
Thomas Kolaric, Geschäftsführer des Deutsche Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) Düsseldorf
und Niederrhein, beschreibt düstere Zukunftsaussichten der Branche. „Der Mitarbeiter-, Fachkräfteund Auszubildendenmangel ist mittlerweile das Hauptproblem“. Für ihn sei ebendieser Mangel die große Krise nach der Corona-Pandemie. „Das Thema wird uns nicht nur aktuell, sondern auch zukünftig begleiten“. Heute gäbe es, im Vergleich zu vielen Jahren zuvor, kaum noch Bewerbungen, die Nachfrage nach dem Ausbildungsberuf sei eingebrochen. „Da müssen die Betriebe aber auch deutlich mehr tun“, so Kolaric. „Die Hotels müssen sich den (potenziellen) Auszubildenden gegenüber genauso verhalten wie Gästen, viel mehr werben.“Denn: Das Nachwuchsproblem sei auch ein Umsatzproblem, da eben weniger erwirtschaftet werde.
„Wir hatten auch schon vor Corona Probleme, nur nicht so stark. Die Wahrnehmung des Berufs in der Gesellschaft und bei den jungen Leuten hat sich während der Pandemie nochmals verschlechtert“, versucht der DEHOGA-Geschäftsführer zu erklären. „Viele haben da einfach gemerkt: Das ist kein sicherer Arbeitsplatz, wenn Betriebe immer wieder schließen müssen oder stark reglementiert werden“. Die Branche beschreibt er als vulnerabel. Eine weitere Herausforderung:
weniger Jugendliche absolvieren heute eine Ausbildung, entscheiden sich eher für eine akademische Laufbahn.
Positiv bewertet der DEHOGA-Geschäftsführer die Lohnentwicklung. „Da wurden in den vergangenen Jahren einige Schippen draufgelegt, was auch notwendig war“. Für Azubis sei das Ausbildungsgehalt nun eine gute Basis, mit der es sich leben lasse. Nichtsdestotrotz ist sich Thomas Kolaric sicher, dass die Probleme der Branche in den nächsten Jahren größer werden. „Wir sehen zum einen die demografische Entwicklung unseres Landes, zum anderen den harten Wettbewerb um dringend benötigte Fachkräfte“. Er fordert eine „vernünftige Zuwanderung“, diese müsse gefördert werden, um Nachwuchs und Fachkräfte möglichst aufwandslos anwerben zu können. “Dafür muss aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Einwanderung steigen, denn das Potenzial liegt nicht in der Europäischen Union, deren Länder ähnliche demografische Herausforderungen wie Deutschland haben, sondern in Drittstaaten.“Nur so könne man den Wohlstand im Land sichern.
In Kleve habe man sich, so der DEHOGA-Geschäftsführer, ein besonderes Angebot für Azubis einfallen lassen: In Zusammenarbeit mit der Berufsschule können sich Auszubildende über den regulären Unterricht hinaus qualifizieren und so eigene Stärken individuell fördern. “Die Betriebe müssen immer wieder deutlich machen, was sie für den Nachwuchs konkret tun, welche Extra-Angebote sie geschaffen haben. Anders wird es zukünftig nicht mehr funktionieren“.