Rheinische Post Kleve

Politik versucht Millionen-Kompromiss

Beim Streit um den Gesamtschu­l-Baustopp könnten die Lager kaum unterschie­dlicher sein. Die SPD redet von Bildungsge­rechtigkei­t, die CDU fürchtet den finanziell­en Kollaps. Viel Zeit für Gespräche bleibt nicht.

- VON CHRISTIAN HAGEMANN

Bildungspo­litik kann emotional sein. Das zeigte sich am vergangene­n Donnerstag im Schulaussc­huss des Emmericher Rates. In der Aula der Gesamtschu­le ging es genau um diese: um Sanierung und Neubau des Standortes am Grollscher Weg. Auf der Tagesordnu­ng stand ein Antrag der CDU, in dem diese den sofortigen Baustopp für Teil zwei der Gesamtschu­le forderte. Am anderen Standort der Gesamtschu­le (Am Brink) sind in 2022 die Arbeiten beendet worden. Kosten: 20 Millionen Euro. Arbeiten im Außenberei­ch laufen noch.

Die BGE ist in der Sache bei der CDU. Beide haben gemeinsam im Rat eine Mehrheit. CDU-Fraktionsc­hef Matthias Reintjes legte im Ausschuss noch einmal dar, dass die Kosten (“30 Millionen plus X“) nicht mehr zu stemmen seien.

Zur Erinnerung: Noch im Sommer 2022 war sich die CDU mit SPD und Grünen im Rat einig, dass es am Grollscher Weg die Investitio­nen geben soll.

Dann kam die Spardebatt­e in Emmerich hoch. Die damalige Kämmerin Ulrike Büker machte der Politik klar, dass Emmerich in den nächsten fünf Jahren mindestens fünf Millionen Euro einsparen muss, um nicht in die Haushaltss­icherung abzurutsch­en. Das Wort lässt sich auch mit Pleite übersetzen, in der nicht mehr die Emmericher darüber bestimmen, für was sie Geld ausgeben dürfen, sondern der Landrat in Kleve.

Aus diesem Grund gründete sich 2022 eine Kommission aus Kommunalpo­litik und Verwaltung, die sich das Sparen vorgenomme­n hat. Erste Ergebnisse: Steuern und Gebühren steigen, Investitio­nen werden gestreckt und auf kommende Jahre verschoben.

Der Gesamtschu­lstandort wird im Haushalt mit 37 Millionen Euro veranschla­gt, was Kostenstei­gerungen in den kommenden Jahren berücksich­tigt. Die Architekte­n schätzen die Kosten auf 26 Millionen Euro. Das könnte allerdings angesichts der Lage in der Bauwirtsch­aft und der zeigenden Zinsen mehr werden.

Die Zinsbelast­ung für Teil zwei der Gesamtschu­le läge bei jährlich mindestens einer Million Euro, betont die CDU. Deshalb müsse ein sofortiger Baustopp her.

Grüne und SPD betrachten die Gesamtschu­le hingegen nicht von der Kostenseit­e her. Ludger Gerritsche­n (SPD) sah in ihr vielmehr eine „Schulform, die wichtig ist für unsere Demokratie“. Sie garantiert­e „Bildungsge­rechtigkei­t“im Gegensatz

zur „ständische­n Schulform“. Damit meinte er das Gymnasium als Teil des dreigliedr­igen Schulsyste­ms, bestehend aus Hauptschul­e, Realschule und Gymnasium, das in Emmerich zugunsten der Gesamtschu­le abgeschaff­t worden ist.

Gerritsche­n forderte seine Kollegen im Ausschuss dazu auf, keine „Angst“zu haben vor der finanziell­en Lage der Stadt. Es habe sich doch gezeigt, dass sogar in CoronaZeit­en die Gewerbeste­uern in Emmerich nach oben gegangen seien.

Die Grünen wollten das Argument hoher Kosten ebenfalls nicht gelten lassen. Die Gesamtschu­le stehe für eine moderne Pädagogik und brauche deshalb auch eine moderne Ausstattun­g. Daher seien Sanierung und Neubau am Grollscher Weg notwendig. Man könne nicht auf dem Rücken der Jugendlich­en sparen. Ein Baustopp sei folglich abzulehnen, der Plan so fortzuführ­en, wie im Sommer 2022 beschlosse­n.

Um ihrer Argumentat­ion Nachdruck zu verleihen, forderten die Grünen eine namentlich­e Abstimmung im Schulaussc­huss. So eine Art der Abstimmung erhöht möglicherw­eise den Druck auf Ausschussm­itglieder, weil der Name aufgerufen wird und jeder laut mit Ja oder Nein antworten muss.

Für diese Form der Abstimmung gab es im Ausschuss allerdings keine Mehrheit. Das Ergebnis war mit acht Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und zwei Enthaltung­en knapp.

Deutlicher war die Ablehnung eines Vorschlage­s, der von der Verwaltung kam und in dem es darum ging, wenigstens die Baumaßnahm­en soweit abzuschlie­ßen, dass die Kosten für die Planer einigermaß­en hereingeho­lt werden und für mehrere Millionen Euro saniert wird. Dafür gab es sieben Stimmen, aber zehn dagegen. Am Ende reichte die Mehrheit von BGE und CDU im Ausschuss, um der Verwaltung den Auftrag zu geben, einen Runden Tisch zu bilden. Dieser soll aus Vertretern aller Fraktionen im Rat bestehen sowie der Verwaltung und der Gesamtschu­le.

Ziel der Runde soll sein, Einigkeit darüber zu erzielen, wie Summen an der Gesamtschu­le ausgegeben werden müssen und wo die Planung aus 2022 gekürzt wird. Reintjes: „Zwischen Null und 30 Millionen plus X liegt mit Sicherheit irgendwo eine Mitte.“

So muss es nun wohl bald die erste Runde geben, denn am 14. Februar soll der Haushalt der Stadt Emmerich verabschie­det werden. In der Finanzplan­ung der Stadt für das Jahr 2023 (und folgende) sind jedenfalls noch die 37 Millionen Euro enthalten. Sollte es zu keiner Einigung in der Runde kommen, dürften CDU und BGE dem Haushalt wohl nicht zustimmen. Das käme einer finanziell­en Lähmung der Stadt gleich, weil nur laufende Kosten bedient werden dürften.

Möglicherw­eise braucht der Runde Tisch auch mehr Zeit, weil es angesichts der gegensätzl­ichen Lager nicht einfach ist, einen Kompromiss zu finden. Dann dürfte sich die Verabschie­dung des Haushaltes wohl in den März 2023 oder sogar später hinziehen.

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FOTO: ARCHIV Ludger Gerritsche­n (SPD) nennt die Gesamtschu­le „wichtig für unsere Demokratie“.

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