Politik versucht Millionen-Kompromiss
Beim Streit um den Gesamtschul-Baustopp könnten die Lager kaum unterschiedlicher sein. Die SPD redet von Bildungsgerechtigkeit, die CDU fürchtet den finanziellen Kollaps. Viel Zeit für Gespräche bleibt nicht.
Bildungspolitik kann emotional sein. Das zeigte sich am vergangenen Donnerstag im Schulausschuss des Emmericher Rates. In der Aula der Gesamtschule ging es genau um diese: um Sanierung und Neubau des Standortes am Grollscher Weg. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag der CDU, in dem diese den sofortigen Baustopp für Teil zwei der Gesamtschule forderte. Am anderen Standort der Gesamtschule (Am Brink) sind in 2022 die Arbeiten beendet worden. Kosten: 20 Millionen Euro. Arbeiten im Außenbereich laufen noch.
Die BGE ist in der Sache bei der CDU. Beide haben gemeinsam im Rat eine Mehrheit. CDU-Fraktionschef Matthias Reintjes legte im Ausschuss noch einmal dar, dass die Kosten (“30 Millionen plus X“) nicht mehr zu stemmen seien.
Zur Erinnerung: Noch im Sommer 2022 war sich die CDU mit SPD und Grünen im Rat einig, dass es am Grollscher Weg die Investitionen geben soll.
Dann kam die Spardebatte in Emmerich hoch. Die damalige Kämmerin Ulrike Büker machte der Politik klar, dass Emmerich in den nächsten fünf Jahren mindestens fünf Millionen Euro einsparen muss, um nicht in die Haushaltssicherung abzurutschen. Das Wort lässt sich auch mit Pleite übersetzen, in der nicht mehr die Emmericher darüber bestimmen, für was sie Geld ausgeben dürfen, sondern der Landrat in Kleve.
Aus diesem Grund gründete sich 2022 eine Kommission aus Kommunalpolitik und Verwaltung, die sich das Sparen vorgenommen hat. Erste Ergebnisse: Steuern und Gebühren steigen, Investitionen werden gestreckt und auf kommende Jahre verschoben.
Der Gesamtschulstandort wird im Haushalt mit 37 Millionen Euro veranschlagt, was Kostensteigerungen in den kommenden Jahren berücksichtigt. Die Architekten schätzen die Kosten auf 26 Millionen Euro. Das könnte allerdings angesichts der Lage in der Bauwirtschaft und der zeigenden Zinsen mehr werden.
Die Zinsbelastung für Teil zwei der Gesamtschule läge bei jährlich mindestens einer Million Euro, betont die CDU. Deshalb müsse ein sofortiger Baustopp her.
Grüne und SPD betrachten die Gesamtschule hingegen nicht von der Kostenseite her. Ludger Gerritschen (SPD) sah in ihr vielmehr eine „Schulform, die wichtig ist für unsere Demokratie“. Sie garantierte „Bildungsgerechtigkeit“im Gegensatz
zur „ständischen Schulform“. Damit meinte er das Gymnasium als Teil des dreigliedrigen Schulsystems, bestehend aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium, das in Emmerich zugunsten der Gesamtschule abgeschafft worden ist.
Gerritschen forderte seine Kollegen im Ausschuss dazu auf, keine „Angst“zu haben vor der finanziellen Lage der Stadt. Es habe sich doch gezeigt, dass sogar in CoronaZeiten die Gewerbesteuern in Emmerich nach oben gegangen seien.
Die Grünen wollten das Argument hoher Kosten ebenfalls nicht gelten lassen. Die Gesamtschule stehe für eine moderne Pädagogik und brauche deshalb auch eine moderne Ausstattung. Daher seien Sanierung und Neubau am Grollscher Weg notwendig. Man könne nicht auf dem Rücken der Jugendlichen sparen. Ein Baustopp sei folglich abzulehnen, der Plan so fortzuführen, wie im Sommer 2022 beschlossen.
Um ihrer Argumentation Nachdruck zu verleihen, forderten die Grünen eine namentliche Abstimmung im Schulausschuss. So eine Art der Abstimmung erhöht möglicherweise den Druck auf Ausschussmitglieder, weil der Name aufgerufen wird und jeder laut mit Ja oder Nein antworten muss.
Für diese Form der Abstimmung gab es im Ausschuss allerdings keine Mehrheit. Das Ergebnis war mit acht Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen knapp.
Deutlicher war die Ablehnung eines Vorschlages, der von der Verwaltung kam und in dem es darum ging, wenigstens die Baumaßnahmen soweit abzuschließen, dass die Kosten für die Planer einigermaßen hereingeholt werden und für mehrere Millionen Euro saniert wird. Dafür gab es sieben Stimmen, aber zehn dagegen. Am Ende reichte die Mehrheit von BGE und CDU im Ausschuss, um der Verwaltung den Auftrag zu geben, einen Runden Tisch zu bilden. Dieser soll aus Vertretern aller Fraktionen im Rat bestehen sowie der Verwaltung und der Gesamtschule.
Ziel der Runde soll sein, Einigkeit darüber zu erzielen, wie Summen an der Gesamtschule ausgegeben werden müssen und wo die Planung aus 2022 gekürzt wird. Reintjes: „Zwischen Null und 30 Millionen plus X liegt mit Sicherheit irgendwo eine Mitte.“
So muss es nun wohl bald die erste Runde geben, denn am 14. Februar soll der Haushalt der Stadt Emmerich verabschiedet werden. In der Finanzplanung der Stadt für das Jahr 2023 (und folgende) sind jedenfalls noch die 37 Millionen Euro enthalten. Sollte es zu keiner Einigung in der Runde kommen, dürften CDU und BGE dem Haushalt wohl nicht zustimmen. Das käme einer finanziellen Lähmung der Stadt gleich, weil nur laufende Kosten bedient werden dürften.
Möglicherweise braucht der Runde Tisch auch mehr Zeit, weil es angesichts der gegensätzlichen Lager nicht einfach ist, einen Kompromiss zu finden. Dann dürfte sich die Verabschiedung des Haushaltes wohl in den März 2023 oder sogar später hinziehen.