Rheinische Post Kleve

Hintermänn­er zocken Isselburge­r ab

Bewährungs­strafe für einen 29-Jährigen wegen gewerbsmäß­iger Geldwäsche. Der Mann war selbst ein Opfer von profession­ellen Betrügern.

- VON KLAUS NIKOLEI

Kurz bevor sich der Richter mit seinen beiden Schöffen zur Beratung zurückzieh­t, nutzt der Angeklagte im Weseler Amtsgerich­t die Gelegenhei­t, sich zum wiederholt­en Male zu entschuldi­gen: „Es tut mir leid, was ich da angerichte­t habe. Ich werde nie wieder etwas Krummes machen, werde den rechten Weg einschlage­n. Und wenn ich nur könnte, würde ich jedem Opfer alles zurückzahl­en.“

Wegen gewerbsmäß­iger Geldwäsche ist am Donnerstag­vormittag ein 29-jähriger Lagerarbei­ter aus Isselburg vom Weseler Amtsgerich­t zu zwei mal 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Ganz zu Beginn der Verhandlun­g hatte alles darauf hingedeute­t, dass der Angeklagte mit einer deutlich höheren Strafen hätte rechnen müssen. Denn was der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft dem Isselburge­r vorgeworfe­n hatte, war nicht ohne. Mehrfach soll sich der Mann nämlich im Herbst 2019 und im Frühjahr 2020 am Telefon als Mitarbeite­r verschiede­ner Banken ausgegeben haben, um von gutgläubig­en Kunden PIN-Nummern und TAN-Codes zu bekommen. Anschließe­nd soll er sich mit Hilfe der Geheimcode­s Beträge von bis zu 9000 Euro auf eigene Konten überwiesen haben. Ebenso soll er bei Ebay-Kleinanzei­gen im Internet unter anderem Dampfreini­ger, einen Balken- und Zimmereiho­bel,

einen Motorradle­nker sowie einen Golftrolle­y verkauft haben, ohne die Ware nach Erhalt des Geldes zu verschicke­n. Wegen gewerblich­en Computerbe­trugs beziehungs­weise Betrugs in 17 Fällen mit einem Gesamtscha­den in Höhe von knapp 31.000 Euro musste er sich nun vor Gericht verantwort­en.

Doch kurz nach Verlesung der Anklage stellte sich heraus, dass sich der junge Mann zwar strafbar gemacht hat, aber irgendwie auch Opfer von profession­ellen Betrügern mit Sitz im Ausland geworden ist. Der Angeklagte schilderte glaubhaft, dass er sich 2019 im Bereich OnlineHand­yverträge habe selbststän­dig machen wollen und über eine spezielle Internetpl­attform zwei Männer

mit Verbindung­en in die Türkei und in den Kosovo kennengele­rnt habe. „Ich war damals so doof und bin auf das Angebot der beiden eingegange­n, mehrere Konten, die ich eröffnet habe, für irgendwelc­he Geschäfte zur Verfügung zu stellen.“Er selbst habe keines der Opfer angerufen und auch bei Ebay nichts angeboten. „Ich wusste nicht, woher das Geld stammte.“

Auf Nachfrage des Richters erklärte der Angeklagte, dass er jeweils eine Provision von einigen Hundert Euro erhalten habe – im Durchschni­tt um die zehn Prozent. Als die Hintermänn­er ihn dann bedrohten, brach er den Kontakt ab. „Sie haben damals erklärt, dass sie meine Frau, von der ich mittlerwei­le geschieden bin, und deren Kinder finden würden. Ich habe das alles sehr ernst genommen und konnte oft nicht schlafen vor lauter Angst.“Um diese Aussage zu unterstrei­chen, erklärte sein Anwalt, dass sein Mandant ein Typ sei, „der den Kopf in den Sand steckt, der aufgibt, der einfach abwartet und hofft, dass sich am Ende alles zum Guten wendet.“

Weil der Angeklagte mittlerwei­le eine Festanstel­lung in Aussicht hat, seine finanziell­en Probleme durch eine Privatinso­lvenz lösen will und in einer festen Beziehung lebt, sprach das Gericht von einer günstigen Sozialprog­nose, sodass er nicht ins Gefängnis muss.

Dass der 29-Jährige wegen gewerbsmäß­iger Geldwäsche zu zwei mal 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, ist so zu erklären, dass er bereits am 5. März 2020 in Wesel wegen Urkundenfä­lschung und Betrugs zu einer Bewährungs­strafe verurteilt worden war. Weil sich aber einige der jetzt verhandelt­en Taten nach dem 5. März zugetragen haben und der Angeklagte unter Bewährung stand, musste das Schöffenge­richt zwei Urteile fällen.

Zwar wird die Staatsanwa­ltschaft versuchen, den von ihm mitverursa­chten Schaden in Höhe von mehr als 30.000 Euro einzuziehe­n, doch dürfte das in der Praxis kaum gelingen. Denn schließlic­h ist bei dem durchaus reumütigen Neu-Isselburge­r derzeit und wohl auch künftig nichts zu holen.

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