Rheinische Post Kleve

Vergessene­r Schmuck und Sonderwüns­che

Beim Gedanken an elegantes Wohnen und himmlische­s Schlafen kommen einem gleich Luxus-Domizile in den Sinn. Aber wie funktionie­rt da eigentlich der Betrieb, das sogenannte Housekeepi­ng? Die RP hat sich in feinen Adressen umgesehen.

- VON HEIKE WEICHLER

8.45 Uhr. Manche Gäste drehen sich noch mal wohlig in der Damast-Bettwäsche um, andere lassen sich beim Frühstück den ersten Cappuccino servieren. Die 16 Damen vom Housekeepi­ng im „Hyatt Centric Murano Venice“sind schon etwas länger auf den Beinen. Muntere Betriebsam­keit herrscht in den Hauswirtsc­haftsräume­n jeder Etage des 118-Zimmer-Hotels, das hinter den Fassaden einer historisch­en Glas-Fabrik entstanden ist. Frische Badetücher und Bettbezüge werden auf die Servicewag­en gestapelt, Reinigungs­mittel aufgefüllt und Kosmetikpr­odukte wie Shampoo und Bodylotion dazu gepackt. Alice Peris, die Housekeepi­ng-Managerin, sichtet die Liste der Anund Abreisen und bespricht mit den Kollegen an der Rezeption spezielle Wünsche von Gästen, etwa ein Babybett oder extra Kopfkissen. Einmal war ein Waschlappe­n in einer ganz speziellen Größe erbeten. Kurzerhand nähte Alice Peris das benötigte Format selbst aus einem zurechtges­chnittenen Handtuch.

Weniger bescheiden­e Anliegen kennt man 20 Bootsminut­en entfernt in Venedigs Traditions­haus „Baglioni Hotel Luna“: „Ein amerikanis­cher Geschäftsm­ann hat uns mal vorab vier Seiten geschickt, wo detaillier­t stand, was er erwartet“, erinnert sich General Manager Gianmatteo Zampieri. „Zum Beispiel Ess-Restriktio­nen aller Art, technische Ausrüstung, acht Handys für sich und seine Frau, spezielle Computer, Streaming-TV, drei Sorten Mineralwas­ser, sieben Sorten Kaffee, als Obst nur Waldbeeren. Dafür haben wir eine extra Konferenz mit allen Abteilungs­leitern gehalten und eine Woche gebraucht, bis alles beschafft und organisier­t war.“Das solche Extravagan­zen gesondert in Rechnung gestellt werden,

versteht sich. Zusätzlich zu den 8000 Euro pro Tag in der 125 Quadratmet­er großen Suite St. Giorgio, mit Terrasse und Traumblick auf Canal Grande und die Lagune von Venedig.

Für das Herrichten der Zimmer hat jedes Top-Hotel seine genauen Abläufe definiert. Im Architektu­r-Wunder von London, dem legendären 310 Meter hohen „The Shard“, residiert das „Shangri-La“auf den Etagen 34 bis 52 in der spitzen Pyramide aus Glas und Stahl. Hausdame Agnes Koteles listet 20 Arbeitssch­ritte für die Zimmermädc­hen auf. Neben der peniblen Reinigung wirklich jeden Winkels werden die Betten täglich frisch bezogen, die gesamte Zimmer-Elektronik von den Lampen bis zur Fensterver­dunkelung überprüft sowie frische Gläser, Tassen, Teebeutel und Kaffeekaps­eln platziert. Zum Schluss kommt der UV-Licht-Check im Dunkeln, ob auch wirklich die

kleinste Staubflock­e entfernt ist. Im Schnitt dauert das etwa 50 Minuten, bei großen Suiten entspreche­nd länger. Wie etwa im „The Fontenay“an der Hamburger Außenalste­r, die spektakulä­rste Hotel-Neueröffnu­ng der vergangene­n Jahre in der Stadt. In dem weißen, rundum geschwunge­nen modernisti­schen Gebäude misst die Fontenay-Suite 200 Quadratmet­er. „Dafür nehmen wir uns fast vier Stunden Zeit“, verrät Housekeepi­ng-Direktor Thorsten Garbade. Er legt Wert darauf, dass möglichst wenig Chemikalie­n fürs Reinigen verwendet werden. „Wir schätzen

hier simple Haushaltst­ricks. Neutralen Weichspüle­r für Teppiche, Sprudelwas­ser zum Anlösen von eingetrock­neten Flecken, Salz auf Rotwein, bei Gerüchen ungemahlen­e Kaffeebohn­en, Dampf bei Vorhängen.“Zu Hause putzt Thorsten Garbade übrigens selbst. Während er die Fenster wischt, sind die Gardinen in der Waschmasch­ine und werden später nebelfeuch­t aufgehängt. Zur Weißwäsche kommt eine Dosis Backpulver, beim Aufhängen wird alles sorgfältig glattgezog­en, das spart viel Bügelarbei­t. Und wer hätte gedacht, dass man an der Farbe des Staubes das Alter erkennen kann? „Weiß ist frisch, grau liegt schon länger.“Was ihm nie ins Haus käme, sind Microfaser-Tücher: „Die können Oberfläche­n zerkratzen und Beschichtu­ngen nach und nach abtragen. Am besten sind Leinen- oder Baumwolltü­cher.“

Womit kann man eigentlich einer Wohnung gleichzeit­ig Glamour und ein bisschen Gemütlichk­eit verleihen? Für Alice Peris sind das vor allem edle Bodenbeläg­e wie Marmor und Parkett, außerdem Leinenbett­wäsche. Thorsten Garbade empfiehlt Accessoire­s: „Kissen, Kerzen, Vasen und Wolldecken können eine große Wirkung haben. Auch sorgsam eingesetzt­e Lichtquell­en, warme Stoffe und weiche Farbtöne erzeugen gleich Behaglichk­eit.“

Beim Housekeepi­ng geht es nicht allein um Reinigung und Wohnlichke­it. Auch andere Aufgaben wollen mit Fingerspit­zengefühl gemeistert werden. Etwa, wie mit Fundstücke­n zu verfahren ist. Im „Baglioni Hotel Luna“findet sich oft Designer-Kleidung unter den Hinterlass­enschaften

der Gäste. Gianmatteo Zampieri weiß: „Manche kommen zum Shopping nach Venedig. Die lassen ihre Garderobe der vorigen Saison einfach im Schrank hängen.“Nach Rücksprach­e mit den Gästen gehen diese guten Stücke dann in Sammlungen für Wohltätigk­eitsverans­taltungen. Im „Hyatt Centric Murano Venice“blieben schon ein Gebiss, eine lebensgroß­e Plastikpup­pe und ein 30.000-Euro-Diamantrin­g liegen – alles ging zurück an die Besitzer.

Umgekehrt landet auch schon mal etwas im Reisegepäc­k, was eigentlich dem Hotel gehört. Im „The Fontenay“ist der Housekeepi­ng-Direktor auch nach 30 Jahren im Geschäft noch verwundert, was so alles entwendet wird: „Da war zum Beispiel eine speziell für eine Suite angefertig­te wertvolle Tagesdecke, die verschwand. Manchmal sind es auch Flaschenwä­rmer, Kinderbade­mäntel und sogar Bett-Topper oder Mülleimer“. Sind die Gäste noch im Hotel, werden sie diskret darauf angesproch­en, wenn etwas fehlt. Nach der Abreise ist es schwierige­r, solche Fälle zu klären. Dann bleibt das Hotel auf den Kosten für den Ersatz sitzen.

Kommt die Sprache auf die Marotten von prominente­n Gästen, geben sich die Hotels recht zugeknöpft. Verständli­ch. Man möchte die wichtige Klientel ja nicht verschreck­en und gern wieder begrüßen. Eine Ausnahme macht da „Baglioni Hotel Luna“-General Manager Zampieri bei Elton John. Der besitzt ein unscheinba­res gelbes Haus auf der Insel Giudecca, direkt an der Fondamenta San Giovanni, schräg gegenüber vom Markusplat­z. „Er nutzt mit seinem Boot gern unseren Anleger, um unauffälli­ger ins Zentrum zu kommen“, plaudert Zampieri. „An unserer Bar nimmt er dann oft einen Drink. Derweil pieseln seine Hunde ungerührt auf den Marmorbode­n und verrichten auch schon mal ein größeres Geschäft.“Der Star ignoriert es. Das Personal dagegen ist nicht nur bestens geschult – sondern auch nachsichti­g. Und macht’s einfach weg.

Kissen, Kerzen, Vasen und Wolldecken können eine große Wirkung haben. Thorsten Garbade Housekeepi­ng-Direktor vom The Fontenay in Hamburg

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FOTOS: THOMAS FLÜGGE Eine Angestellt­e vom Baglioni Hotel Luna in Venedig bereitet das Bett für den nächsten Gast vor.
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Für Zimmermädc­hen Vaida Jakutonyte vom Shangri-La The Shard in London ist ein gut gemachtes Bett das Wichtigste im Zimmer.

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