Rheinische Post Kleve

Mit der Ausbildung auch zum Abitur

Die Mittlere Reife in der Tasche – und jetzt? Was viele nicht wissen: In Nordrhein-Westfalen ist eine Doppelqual­ifikation möglich, nämlich Ausbildung plus Hochschulr­eife. Ein Weg, den Pascal Brungs geht.

- VON SABINE MEUTER

Eine Ausbildung beginnen oder weiter zur Schule gehen und das Abitur machen? Eine Frage, die sich nach der zehnten Klasse und damit der Mittleren Reife viele junge Leute stellen. Pascal Brungs hat seine Wahl getroffen: Er macht beides.

Der 22-Jährige absolviert eine dreijährig­e Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogis­tik bei der Firma Gilog in Frechen und will parallel dazu die Fachhochsc­hulreife erwerben. Was heißt: Nach der Arbeit steht noch einmal Lernen auf dem Programm. „Klar, das ist manchmal alles ein bisschen anstrengen­d“, sagt er. Doch der zeitliche Aufwand, den er derzeit für einen gelungenen Einstieg ins Berufslebe­n investiert, wird sich eines Tages bezahlt machen: „Mit der Doppelqual­ifikation verschaffe ich mir ein gutes Sprungbret­t, um eines Tages auf der Karrierele­iter möglichst weit oben zu landen.“

Gesellenab­schluss plus Abitur oder Fachhochsc­hulreife – nach Angaben des Zentralver­bands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist das derzeit in neun von 16 Bundesländ­ern möglich, und zwar in Baden-Württember­g, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Das auch als „Berufs-Abitur“bezeichnet­e Modell, das der ZDH gemeinsam mit der Kultusmini­sterkonfer­enz ins Leben gerufen hat, existiert seit dem Schuljahr 2017/18.

Die Doppelqual­ifikation ist auch in der Industrie und im Handel eine Option. Aus Sicht von Carsten Berg, Leiter Ausbildung operativ bei der Industrieu­nd

Handelskam­mer (IHK) in Köln, bietet das Modell einen großen Vorteil: „Den berufliche­n Abschluss, den man erwirbt, kann einem keiner nehmen.“Wer dann zur Fachhochsc­hule oder Universitä­t geht und feststellt, dass

ein Studium doch nicht das Richtige ist, hat zumindest eine abgeschlos­sene Ausbildung und muss im Berufslebe­n „nicht bei null anfangen“.

Davor ist viel Einsatz gefragt. „Ich habe noch nie so viel gelernt wie in den vergangene­n Monaten“, sagt Azubi Pascal Brungs. Während der Ausbildung ist der Besuch der Berufsschu­le obligatori­sch. Pro Woche kommen noch einmal drei Stunden Schulunter­richt hinzu. Im Zusatzunte­rricht werden etwa Fächer wie Mathe, Deutsch, Englisch oder Biologie vertieft.

Das Engagement, das die jungen Leute im Bemühen um eine Doppelqual­ifikation zeigen, kommt bei Arbeitgebe­rn „enorm gut an“, sagt Carsten Berg von der IHK. Viele Unternehme­n würden solche hoch motivierte­n Beschäftig­ten natürlich möglichst langfristi­g halten wollen. Nach dem Abschluss besteht oftmals entweder die Möglichkei­t, eine Tätigkeit als Fachkraft in der jeweiligen Firma aufzunehme­n oder dem Ausbildung­sbetrieb als Werkstuden­t verbunden zu bleiben. Pascal Brungs kann sich später ein duales Studium gut vorstellen. Denkbar wäre für ihn, dass er sich beispielsw­eise für das Studienfac­h Logistik einschreib­t und daneben praktische Berufserfa­hrungen im Unternehme­n sammelt. Erst einmal muss er aber seine Ausbildung erfolgreic­h abschließe­n und zugleich ein gutes Fachabitur schaffen. Dafür lernt er unter der Woche abends viel. „Aber am Wochenende habe ich komplett frei und kann ausschlafe­n und mich mit meinen Freunden treffen“, erzählt er.

Eine Ausbildung absolviere­n und sich gleichzeit­ig auf das Abitur oder Fachabitur vorbereite­n, das bedeutet für die jungen Leute: „Die drei Jahre sind beruflich fordernd, aber es ist machbar“, sagt Carsten Berg. Schade findet der IHK-Vertreter, dass dieses Doppelqual­ifikations­modell noch nicht sehr bekannt sei. Schließlic­h würden Arbeitgebe­r, die händeringe­nd Fachkräfte suchen, ebenso davon profitiere­n wie junge Erwachsene, denen mit der Doppelqual­ifikation viele Türen offenstehe­n.

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FOTO: HENNING KAISER/DPA-TMN Pascal Brungs ist angehende Fachkraft für Lagerlogis­tik und paukt zusätzlich noch fürs Abitur.

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