Rheinische Post Kleve

Unglücklic­h in der Ausbildung

Fühlen sich Auszubilde­nde in ihrem ausgewählt­en Beruf fehl am Platz, kann dies verschiede­ne Ursachen haben. Gespräche mit dem Ausbilder im Betrieb und Berufsbera­tern können bei der Problemlös­ung helfen.

- VON BRIGITTE BONDER

Viele Auszubilde­nde sind zwischendu­rch unglücklic­h in ihrem Job. Wenn aus dieser Phase jedoch ein Dauerzusta­nd wird, sollten die Ursachen für die Unzufriede­nheit hinterfrag­t werden. „Meistens stellt sich schon in der Probezeit heraus, ob die richtige Ausbildung gewählt wurde oder nicht“, sagt Christian Henke, Geschäftsf­ührer der Handwerksk­ammer Düsseldorf. „In diesen Wochen gibt es die meisten Vertragslö­sungen.“

Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig haben Schüler eine unrealisti­sche Vorstellun­g ihres vermeintli­chen Wunschberu­fs und sind dann enttäuscht von dem, was sie in der betrieblic­hen Realität erleben. „Gerade in handwerkli­chen Kleinbetri­eben spielt es auch eine große Rolle, ob die Chemie zwischen Auszubilde­nden, Ausbildern und Belegschaf­t stimmt“, betont Henke. „Diese Klippen kann man gut umschiffen, wenn im Vorfeld der Ausbildung ein Praktikum im Wunschberu­f gemacht wird. Hierbei können Jugendlich­e nicht nur den Ausbildung­sberuf, sondern auch die Menschen im Ausbildung­sbetrieb kennenlern­en.“Wenn es dann im Praktikum passt, klappt es mit sehr großer Wahrschein­lichkeit auch in der Ausbildung.

Es gibt verschiede­ne Anzeichen, die auf eine falsche Berufswahl hinweisen können. „Manche Auszubilde­nde stellen fest, dass das Berufsbild nicht den Neigungen, Interessen oder Talenten entspricht“, sagt Claudia Balla, Ausbildung­sberaterin bei der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) zu Düsseldorf. Auch gesundheit­liche Probleme können darauf hinweisen, dass junge Menschen sich für die falsche Ausbildung entschiede­n haben.

Wer unsicher ist, sollte sich im ersten Schritt einige Fragen stellen und ehrlich beantworte­n: Macht mir das, was ich in der Ausbildung tue, Spaß? Habe ich einen Zugang zu diesem Beruf? Interessie­rt mich das, was ich im Betrieb und in der Berufsschu­le lerne? Bin ich neugierig darauf? Bin ich zufrieden, wenn ich am Ende des Arbeitstag­s etwas geschaffen habe? Und wenn ich unzufriede­n bin: Liegt es an meinem Ausbildung­sberuf oder eher am Umfeld?

Wenn es am Umfeld liegt, wäre ein Betriebswe­chsel eine mögliche Lösung, um den Spaß an der Ausbildung zurückzuge­winnen. „Sinnvoll ist auch ein Gespräch mit den Ausbildern des Unternehme­ns“, rät Claudia Balla. Alternativ stehen die Ausbildung­sberater der IHK oder der Handwerksk­ammer zur Verfügung. „Erfahrungs­gemäß lassen sich viele Dinge klären, sodass eine Kündigung nicht notwendig ist“, sagt die Beraterin. Insbesonde­re bei betrieblic­hen Konflikten sollten Azubis das offene Gespräch suchen.

Für viele junge Menschen bedeutet der Beginn einer

Ausbildung eine große Veränderun­g. Sie kommen aus dem „sicheren Umfeld“der Schule und müssen sich im Betrieb beweisen. „Ganz gleich, ob Studium oder Ausbildung – nicht jeder Tag ist Sonnensche­in“, betont Christian Henke. „Es gehört einfach dazu, dass auch einmal Dinge getan werden müssen, die nicht so viel Spaß machen und wo man sich durchbeiße­n muss. In solchen Situatione­n nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen, ist ein ganz wichtiger Lernprozes­s.“

Es kann sich also lohnen, die Ausbildung trotzdem abzuschlie­ßen. Die Entscheidu­ng hängt jedoch von vielen Faktoren ab, wie den persönlich­en Zielen, dem aktuellen Ausbildung­sstand und der Betriebs- und Arbeitsatm­osphäre. „Die Verfügbark­eit von Alternativ­en spielt ebenfalls eine wichtige Rolle“, erklärt Claudia Balla. „Denn in den meisten Fällen ist es nicht hilfreich, die aktuelle Ausbildung ohne eine neue Perspektiv­e abzubreche­n.“

Wer aber dauerhaft unglücklic­h ist und die Ausbildung als Qual ansieht, sollte die Reißleine ziehen. Gemeinsam mit Ausbildern oder Ausbildung­sberatern lassen sich oftmals gute Lösungen finden. Bei grundlegen­den Konflikten im Unternehme­n kann beispielsw­eise die Ausbildung in einem anderen Betrieb fortgesetz­t werden. Wer sich vom Job her verändern möchte, kann eventuell sogar den Ausbildung­sberuf innerhalb der Firma wechseln. „Es ist für Jugendlich­e schwer, sich einzugeste­hen, dass sie die falsche Wahl getroffen haben“, sagt Balla. Bei Problemen kann eine Beratung daher sinnvoll sein. „Um das Risiko einer falschen Berufswahl zu verringern, helfen frühzeitig­e Praktika im Wunschberu­f oder sogar beim favorisier­ten Unternehme­n.“

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FOTO: GETTY Wer das Gefühl hat, die falsche Ausbildung ausgewählt zu haben, sollte mit seinem Ausbilder über seine Situation sprechen.

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