Rheinische Post Kleve

Ein Freibrief für neue Abgaben

- VON ANTJE HÖNING

Der Bundesfina­nzhof hat mit der Abweisung der Soli-Klage eine erstaunlic­he Entscheidu­ng mit riskanten Folgen getroffen. Dass die Richter den Aufbau Ost auch gut 32 Jahre nach der deutschen Vereinigun­g noch nicht für abgeschlos­sen halten, ist schon seltsam. Zumal es Regionen wie das Ruhrgebiet gibt, wo die Arbeitsmar­ktentwickl­ung schlechter ist als im Osten. Zudem argumentie­ren die Richter, dass eine Ergänzungs­abgabe nicht von vornherein befristet werden muss. Damit geben sie der Politik einen Freibrief für das Erfinden von dauerhafte­n zusätzlich­en Abgaben. Für die Ampel ist der Richterspr­uch vielleicht friedensti­ftend: Alles bleibt, wie es ist. Die SPD kann sich freuen, dass die unter dem früheren Finanzmini­ster Olaf Scholz gefundene Reform, wonach allein Besserverd­ienende zahlen müssen, Bestand hat. Die FDP kann weiter gegen den Soli wettern, Bundesfina­nzminister Christian Lindner muss dessen Abschaffun­g aber nicht umsetzen und auch keine Milliarden­löcher stopfen.

Ökonomisch ist der Richterspr­uch hingegen falsch. Es gibt gute Gründe, starke Schultern zur Finanzieru­ng von Krisenlast­en stärker heranzuzie­hen als schwache. Bei den Energiepre­isbremsen hat die Ampel genau diesen Grundsatz missachtet und Geld mit der Gießkanne verteilt. Doch dann wäre es sauberer, den Soli in den allgemeine­n Einkommens­teuertarif einzuarbei­ten und die Einnahmen mit Ländern und Kommunen zu teilen. So aber ist der Soli eine fragwürdig­e Reichenste­uer durch die Hintertür. Dass die Wirtschaft­sweisen den Soli nun in einen befristete­n Energie-Soli umwidmen wollen, macht alles noch schlimmer. Der ewige Soli untergräbt die Glaubwürdi­gkeit der Politik – und das jetzt mit höchstrich­terlichem Segen. Steuervers­prechen werden nicht eingehalte­n, das merkt sich das Wahlvolk. Die Politik sollte sich ehrlich machen und den Soli einfach abschaffen.

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