Rheinische Post Kleve

Der Minister auf Inspektion­sreise

Boris Pistorius besucht das Einsatzfüh­rungskomma­ndo in Schwielows­ee und verschafft sich einen Überblick über die Einsätze.

- VON HOLGER MÖHLE

Boris Pistorius ist am Montag rausgefahr­en vor die Tore von Potsdam zum Einsatzfüh­rungskomma­ndo der Bundeswehr am Schwielows­ee. Sein Ziel: sich über die Auslandsei­nsätze der Bundeswehr ins Bild setzen zu lassen. Deutsche Streitkräf­te sind aktuell auf drei Kontinente­n in internatio­nalen Auslandsmi­ssionen gebunden – in Europa, Asien und Afrika. Der Kanzler ist derweil weit weg von Schwielows­ee: in Südamerika, Chile. Trotz sehr unterschie­dlicher Standorte reden Scholz und Pistorius am Montag über dasselbe Thema: weitere Waffenlief­erungen für die Ukraine. Zumindest werden sie danach gefragt.

Pistorius ist den zwölften Tag im ebenso aufreibend­en wie auch für politische Karrieren riskanten Amt des Verteidigu­ngsministe­rs, als er in Schwielows­ee vom Befehlshab­er des Einsatzfüh­rungskomma­ndos, Generalleu­tnant Bernd Schütt, begrüßt wird. Der neue Außenminis­ter hat auf dem Schleuders­tuhl an der Spitze von Bonner Hardthöhe und Berliner Bendlerblo­ck einen Vorteil: Er ist 62 Jahre alt und muss politisch nichts mehr werden, wie er selbst in einem Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“sagte. Er sei unabhängig­er, weil er danach nichts mehr erreichen müsse. „Aber ich will hier auch nicht als Gescheiter­ter vom Hof gehen.“Das Amt – eine Ehre und eine Bürde zugleich. Pistorius sagt: „Ich habe richtig Bock auf den Job.“

Zur Lust darauf, ein höchst komplizier­tes Ministeriu­m zu führen, gehört auch, die Bundeswehr durch diese Zeitwende zu steuern. Möglichst

schnell müssen Geräte, Ersatzteil­e und auch die Mangelware Munition beschafft werden, die die Truppe für ihre Einsätze in aller Welt braucht. Der SPD-Minister wird aus der Operations­zentrale per Videoschal­te mit mehreren Bundeswehr-Kontingent­en im Einsatz verbunden – nach Litauen, nach Mali, nach Jordanien, ins Kosovo, nach Bosnien-Herzegowin­a. Der Minister ist dazu gerade auf Inspektion­sund Kennenlern­reise durch die Truppe wie jetzt beim Einsatzfüh­rungskomma­ndo. Er sei sehr beeindruck­t, sagt Pistorius und würdigt Profession­alität, Ruhe und Kompetenz der Männer und Frauen „in Einsätzen, die teilweise alles andere als leicht sind“.

Pistorius muss sich gut überlegen, wie er die Abgabe militärisc­hen Großgeräts an die ukrainisch­en Streitkräf­te aus Beständen der Bundeswehr wieder ausgleicht. Diese Woche will er auch mit der Rüstungsin­dustrie sprechen, wie mehr Tempo in die Beschaffun­g kommen kann. Gerade erst hat vor allem Bundeskanz­ler Scholz nach langem Zögern grünes Licht für die Lieferung von Leopard-2-Panzern aus dem Bestand der Bundeswehr gegeben. Schon kocht die Debatte darüber hoch, ob Deutschlan­d nicht auch Kampfjets an die Ukraine liefern sollte. Der ukrainisch­e Vizeaußenm­inister Andrij Melnyk, vormals Botschafte­r seines Landes in Berlin, fordert zudem deutsche Fregatten, damit die Ukraine ihre Häfen im Schwarzen Meer schützen könne.

Der Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz, Christoph Heusgen, unterstütz­t eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine und nennt eine solche Abgabe in einem Interview „adäquat“. Nach seinen Worten kommen hierfür vor allem US-amerikanis­che F-16-Jets oder Kampfflugz­euge sowjetisch­er Bauart aus DDR-Beständen infrage.

Der Bundeskanz­ler will auf seiner Südamerika-Reise die Debatte über Kampfjets nicht noch weiter befeuern. Er habe dazu alles gesagt. Scholz warnt vor einem Überbietun­gswettbewe­rb nach dem Motto: Wer liefert mehr? Auch Pistorius will keinen Wettbewerb um Waffenlief­erungen. Er will auch nicht spekuliere­n und in Schwielows­ee deswegen nicht auf „hypothetis­che Fragen“antworten. Der Bundeskanz­ler habe dazu „alles gesagt, was zu sagen ist“. Es sei außerdem „weder Zeit noch Ort, darüber zu sprechen, was wir noch anbieten können“.

Zuletzt besuchte der Minister den „Wald der Erinnerung“. Hier gedenken acht Stelen der bislang 116 Soldatinne­n und Soldaten der Bundeswehr, die im Auslandsei­nsatz ums Leben kamen.

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FOTO: SOEREN STACHE/DPA Beim Besuch des Einsatzfüh­rungskomma­ndos der Bundeswehr wird Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius von Befehlshab­er Generalleu­tnant Bernd Schütt (l.) empfangen.

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