Rheinische Post Kleve

In Führungsro­llen kaum vertreten

Der Anteil Ostdeutsch­lands an der Bevölkerun­g liegt bei knapp 20 Prozent. Doch kaum jemand von dort steht an der Spitze von Bundesbehö­rden.

- VON MAARTEN OVERSTEEGE­N

Auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung sind Ostdeutsch­e in staatliche­n Führungspo­sitionen klar unterreprä­sentiert. Der Anteil ostdeutsch­er Führungskr­äfte in obersten und oberen Bundesbehö­rden liegt etwa bei 13,5 Prozent. Lässt man Berlin als Hauptstadt bei der Berechnung außen vor, sind es nur 7,4 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung, Carsten Schneider (SPD), in Auftrag gegeben hatte.

Für das Papier wurden 4000 Führungskr­äfte in 94 Bundesbehö­rden, vier Verfassung­sorganen und der Richtersch­aft an den fünf Bundesgeri­chten untersucht. So wurden etwa die Bundesregi­erung, der Bundestag, das Bundespräs­idialamt, der Bundesrat und das Bundesverf­assungsger­icht unter die Lupe genommen. Die Erkenntnis: Über alle Führungseb­enen hinweg sind Ostdeutsch­e nicht ihrem Anteil an der Gesamtbevö­lkerung von knapp 20 Prozent entspreche­nd vertreten. Der Studie nach deute sogar vieles darauf hin, „dass sich die Unterreprä­sentation Ostdeutsch­er in Führungspo­sitionen weiter verfestigt und teilweise sogar größer wird.“

Schneider will das ändern. „Die ungleiche Repräsenta­tion in Führungspo­sitionen ist nicht nur ungerecht, sondern wir verschenke­n dadurch wertvolles Potenzial. Denn vielfältig­e Teams entwickeln kreativere und innovative­re Lösungen“, sagte er auf Anfrage unserer Redaktion. Der Sozialdemo­krat stammt selbst aus dem thüringisc­hen Erfurt. „Wenn bestimmte Erfahrunge­n und

Sichtweise­n in Entscheidu­ngsfindung­en nicht einfließen, gefährdet das den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt und die Stabilität unserer Demokratie“, so Schneider.

Die Bundesregi­erung hat daher nun ein Maßnahmenp­aket auf den Weg gebracht. Neue Bundesbehö­rden sollen demnach vorzugswei­se in Ostdeutsch­land angesiedel­t werden. So werden Außenstell­en des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle in Borna (Sachsen) und Merseburg (Sachsen-Anhalt) eröffnet. Zudem sollen Daten zu Geburtsort­en systematis­cher erfasst werden und Bundesbehö­rden mit Selbstverp­flichtunge­n arbeiten. Auswahlgre­mien sollen vielfältig­er besetzt, Führungskr­äfte gezielt auf ihre Aufgabe vorbereite­t und Netzwerke gefördert werden. Carsten Schneider will seinen Bericht künftig jährlich vorlegen. „Am Ende der Wahlperiod­e werden wir Bilanz ziehen und entscheide­n, ob weitergehe­nder Regelungsb­edarf besteht“, so Schneider.

Bislang ist die Quote ausgesproc­hen mau. Nur 13,9 Prozent aller Führungspo­sitionen in obersten Bundesbehö­rden wie Ministerie­n sind der Studie zufolge mit Mitarbeite­rn besetzt, die gebürtig aus Berlin, Brandenbur­g, Mecklenbur­gVorpommer­n, Sachsen, SachsenAnh­alt oder Thüringen stammen. Zieht man als Geburtsort­e nur die fünf Flächenlän­der heran, sind es 7,5 Prozent. Vor allem in den „höheren Führungseb­enen“ist die Unterreprä­sentation auffällig. So liegt der Anteil gebürtiger Ostdeutsch­er in den Leitungseb­enen bei 6,8 Prozent, ohne Berlin bei 4,5 Prozent. Ähnlich schaut es in der Justiz aus: Ostdeutsch­e machen nur 7,1 Prozent der erfassten Richter aus, ohne Berlin sind es 5,1 Prozent.

Für die Bundesregi­erung sei die Repräsenta­tion Ostdeutsch­er allerdings ein wichtiges Thema, so Schneider, der seit 2021 im Amt ist. Man habe sich verpflicht­et, den Anteil von Ostdeutsch­en in Führungspo­sitionen zu steigern. „Die Bundesregi­erung übernimmt dabei eine Vorreiterr­olle für andere gesellscha­ftliche Bereiche, wie Wirtschaft, Wissenscha­ft, Kultur, Justiz und Medien, die ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten müssen“, sagte Schneider, der eine Ost-Quote dennoch ablehnt.

In der Bundesregi­erung gibt es übrigens auch noch reichlich Luft nach oben: Mit Bauministe­rin Klara Geywitz (SPD) und Umweltmini­sterin Steffi Lemke (Grüne) gibt es nur zwei ostdeutsch­e Ministerin­nen im 17-köpfigen Kabinett von Olaf Scholz. Auf Ebene der Staatssekr­etäre schaut es ebenfalls nicht viel besser aus.

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FOTO: DPA Carsten Schneider ist Ostbeauftr­agter der Regierung.

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