Die große Hoffnung Afrikas
Der Papst reist in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan. Sein Besuch wird von den jüngsten Gewaltausbrüchen überschattet.
Er ist kein zimperlicher Papst. Von einem Knieleiden noch immer nicht ganz genesen, macht sich Franziskus zu einer Afrikareise auf den Weg – der vierten seines Pontifikats. Sie wird ihn ab diesem Dienstag in zwei der unruhigsten Staaten des Kontinents führen, die Demokratische Republik Kongo (RDC) und den Südsudan. Im Südsudan hungern Millionen von Menschen, und der Kongo wird seit Jahrzehnten von zahlreichen Milizen und Rebellentruppen, von islamischen Extremisten und Truppen aus den Nachbarländern gepeinigt.
Derzeit könnte täglich ein Krieg des Kongo mit dem Nachbarland Ruanda ausbrechen, in dessen Zentrum dann die ostkongolesische Provinzhauptstadt Goma stünde. Auch sie wollte Franziskus ursprünglich besuchen. Doch die Etappe wurde aus Sicherheitsgründen gestrichen. „Nicht weil der Papst Angst um sein eigenes Leben gehabt hätte“, erklärt Matteo Bruni, Pressechef des Heiligen Stuhls: Er habe vielmehr verhindern wollen, dass Gläubige ihr Leben aufs Spiel setzen, um mit ihm die Messe zu feiern.
So wird der 86-jährige Franziskus alle vier Tage seiner Kongo-Visite in dessen Hauptstadt Kinshasa verbringen, der am schnellsten wachsenden Metropole des Kontinents: Sie zählt derzeit rund 17 Millionen Einwohner. Um den Feierlichkeiten des Papstbesuchs genug Raum zu verschaffen, wurde die Stadt in den vergangenen Wochen gründlich „gesäubert“. Unter anderem machten Bulldozer die Stände Tausender von Kleinhändlern am Straßenrand platt. Die Kampagne sei nicht allein dem Papstbesuch zuzuschreiben, hielt der Verantwortliche der Aktion, George Ya Lala, seinen Kritikern entgegen: „Sie wird auch nach der Visite des Oberhirten weitergehen.“
Dagegen meint Ettore Balestrero, Nuntius der Katholischen Kirche in Kinshasa, der Papstbesuch komme für die meisten Kongolesen „der Erfüllung eines Traums“gleich. Der letzte Pontifex, der das damals noch Zaire genannte Land besuchte, war Johannes Paul II. vor fast 40 Jahren. Und das, obwohl in der RDC die meisten Katholiken Afrikas leben – rund 45 Millionen. Auf dem gesamten Kontinent zählen fast 240 Millionen Katholiken zu der in Rom beheimateten Kirche: Und ihre Gemeinden wachsen in Afrika wie nirgendwo anders. Trotzdem gibt es in den wichtigen exekutiven Funktionen
im Vatikan nur einen Afrikaner: den tansanischen Erzbischof Protase Rugambwa, der die Abteilung für Evangelisierung führt.
Afrikas Katholiken wachsen aber nicht nur der Zahl nach, meint Stan Chu Ilo, Professor an der Chicagoer DePaul-Universität: Von ihnen gehe auch eine Neubelebung und Neuinterpretation des christlichen Glaubens aus. „Die katholische Kirche trägt entscheidend zum sozialen, politischen und spirituellen Leben in Afrika bei. Sie ist eine Gemeinschaft der Hoffnung, wo das Gewebe der Gesellschaft vom Krieg, humanitären Desastern und Krankheiten beschädigt wurde.“Das trifft für keinen Staat mehr als den Kongo zu, in dessen Osten in den vergangenen drei Jahrzehnten über sechs Millionen Menschen ständig neu aufflammenden Kriegen und Konflikten zum Opfer fielen.
Der Papst erwartet von seinem Besuch, dass die Welt wieder zwei ihrer verheerendsten Konfliktherde wahrnimmt und dass die Kongolesen und Südsudanesen wieder Hoffnung fassen. Wichtig ist sein Besuch auch für die Kirche selbst: Er ist Teil der 2021 begonnen weltweiten Konsultationen des Papstes, die im kommenden Jahr abgeschlossen und zu einer Neuformulierung des katholischen Glaubens führen sollen. Dieser „synodale Prozess“ist das erste umfassende Reformwerk der Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil im Jahr 1965. Afrika soll nach Auffassung von Franziskus eine wichtige Rolle bei der Neuinterpretation der katholischen Lehre spielen – ein Ansinnen, das von konservativen Kräften der Kirche argwöhnisch beäugt wird.
Seine beiden letzten Afrika-Tage wird Franziskus im Südsudan verbringen, dem jüngsten – und vorwiegend katholischen – Staat der Welt, der vor zwölf Jahren noch ausgelassen seine Unabhängigkeit vom (islamischen) Sudan feierte. Längst ist die Freude der Trauer über die ständig neu aufflammenden inneren Konflikte gewichen, denen meist ethnische Differenzen zugrunde liegen.
Im April 2019 hatte sich Franziskus bei einem Vatikan-Besuch der beiden wichtigsten südsudanesischen Kontrahenten auf den Boden geworfen und ihre Füße geküsst: Drastischer hätte der Pontifex sein Flehen um Frieden nicht zum Ausdruck bringen können. Der Appell zeigte zumindest eingeschränkte Wirkung: Die beiden Gegner kämpfen nicht mehr. Aber wirklich zur Ruhe gekommen ist das Staatenkind damit noch lange nicht.