Als Lanz und Lütz den Papst besuchten
Aus einer kurzen Begegnung mit Benedikt im Jahr 2018 wurde jetzt ein kleines Buch und aus einer Würdigung eine Hymne.
Im Grunde ist das ein altes Buch, das dann in Windeseile geschrieben wurde: Fast fünf Jahre ist es her, dass der TV-Moderator Markus Lanz mit dem Psychiater und Theologen Manfred Lütz den emeritierten Papst Benedikt XVI. besuchte. Und nur einen Monat nach seinem Tod liegt nun eine Art Dokumentation dieser Begegnung vor. Sie heißt „Benedikt XVI.“und trägt quasi im Untertitel den Grund zur Veröffentlichung: „Unser letztes Gespräch“(Kösel, 96 Seiten, 18 Euro).
Darauf beschränkt sich die Dramatik dieses überschaubaren Buches, zu dem sich die beiden TVbekannten Autoren nach eigener Auskunft erst in diesem Monat entschieden haben. Wobei es zum eigentlichen Gespräch ohnehin erst ab Seite 82 kommt. Bis dahin liest man von der vorbehaltlosen Benedikt-Bewunderung der beiden.
Dem einen, Manfred Lütz, war der emeritierte Papst seit über drei Jahrzehnten enger bekannt; zudem hatte Lütz in seinem Auftrag 2003 einen ersten Kongress zum Skandal des sexuellen Missbrauchs in der Kirche organisiert. Der andere, TV-Talker Markus Lanz, hatte im April 2003 den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger auf dem Campo Santo Teutonico im Vatikan interviewt und zum Entsetzen des Kamerateams einen der wichtigsten Theologen danach befragt, ob er ihm „endlich mal verbindlich“sagen könne, „wie der liebe Gott aussieht“. Eine Antwort blieb ihm Ratzinger nicht schuldig: „Sie werden in Ihrem Leben immer wieder Menschen begegnen, bei denen ab und zu etwas Göttliches durchschimmert.“Dass Markus Lanz darin gleich den „Schlüssel zum theologischen Vermächtnis dieses außergewöhnlichen Menschen“sieht – ein „bisschen Ratzinger to go“nennt er das –, ist nicht allein der Ergriffenheit von Lanz geschuldet. Es steckt darin der ganze Erhöhungswillen der Begegnung vom April 2018.
Letztlich fußt das Buch allein auf diesem Besuch von etwa 45 Minuten,
wobei der emeritierte Papst zumindest anfangs „unendlich müde“wirkte, immer wieder seien ihm die Augen zugefallen, heißt es, er habe gewirkt „wie jemand, der gerade verglimmt, als ginge er aus wie eine Kerze“. Schon wollten beide ihre Visite abbrechen, da sei er wieder „ganz lebendig“geworden. Zum Schluss machte Markus Lanz noch einige Fotos, die Benedikt „geduldig“über sich ergehen ließ.
Da kein Tonband mitgelaufen war, fertigen beide noch auf dem Weg zum Flughafen ein Gedächtnisprotokoll an, das jetzt für die letzten zehn Buchseiten mit viel Atmosphäre zum Einsatz kam. Darin spricht Benedikt über seine Wahl zum Papst, bei der er einfach alles über sich habe ergehen lassen, über den Tod, den er nicht fürchte, dass er sich aber freue, bald nach Hause gehen, Schwester und Eltern sehen zu dürfen. Auch die Studentenproteste in Tübingen 1968 kommen zur Sprache, die der damals 91-Jährige unwidersprochen einen im Kern „terroristischen Irrweg“nennt.
Das Buch will eine Hymne auf Benedikt sein. Auch darum ist dauernd von seinem Humor, seiner Bescheidenheit, seinem Charisma, seiner Sensibilität die Rede. Für Lanz und Lütz ist es die letzte Begegnung mit dem „stillen, bescheidenen, beeindruckenden Zeugen eines ganzen Jahrhunderts“. Und so wird auch das Münchner Missbrauchsgutachten, das dem damaligen Erzbischof Ratzinger vier Pflichtverletzungen unterstellt, vom Tisch gewischt. Darunter auch die nachgereichte Korrektur, dass der damalige Erzbischof im Januar 1980 doch an einer Ordinariatssitzung teilgenommen habe. Im Buch liest sich das wie eine vergessene Anwesenheitsmeldung. Dass man auf dieser Sitzung aber über die Aufnahme eines Priesters sprach, der als Missbrauchstäter von Essen nach München versetzt wurde, bleibt unerwähnt.