Der ewige Streit um den Soli
Der Bundesfinanzhof weist die Klage gegen den Solidaritätszuschlag ab. Die Begründung: Der Aufbau Ost sei eine zulässige Generationenaufgabe – speziell für Gutverdienende. Der Steuerzahlerbund setzt auf weitere Beschwerdewege.
Er ist zum Zankapfel der Ampel und in der Gesellschaft geworden: der Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer. Nun entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass er verfassungsgemäß ist und weiter erhoben werden kann.
Wie argumentieren die Kläger?
Geklagt hatte ein Ehepaar aus Bayern mit Unterstützung des Bunds der Steuerzahler. Ursprünglich war der Solidaritätszuschlag (Soli) eingeführt worden, um nach dem Fall der Mauer den Aufbau Ostdeutschlands zu finanzieren. Da 2019 der Solidarpakt II ausgelaufen sei, sei die Hilfe für den Osten beendet, so die Kläger. Sie klagen gegen die Festsetzung des Soli für 2020. Zudem sehen sie einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Grundgesetz, weil seit 2021 nur noch Besserverdienende den Zuschlag zahlen müssen.
Wie begründen die Richter ihre Entscheidung?
„Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig“, teilte der Bundesfinanzhof mit (Az.: IX R 15/20). Es handele sich um eine zulässige Ergänzungsabgabe. „Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden, und der Mehrbedarf für die Ergänzungsabgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben.“Erst wenn sich die Verhältnisse, die für die Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich änderten oder eine dauerhafte Finanzierungslücke entstehe, könne die Abgabe verfassungswidrig werden. Auch bestehe keine zwingende Verbindung zum Solidarpakt II. Es bestehe dagegen weiter ein „wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes“, der die Abgabe rechtfertige. „Ein finanzieller Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein.“
Wie geht es weiter?
Es bleibt alles, wie es ist. Besserverdienende müssen den Soli weiter entrichten. „Ich hätte mir eine andere Entscheidung gewünscht, aber nun haben wir Klarheit. Den Soli müssen Einkommensteuerzahler ab circa 65.000 Euro weiterhin zahlen, aber eben auch viele Betriebe und Sparer“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler, unserer Redaktion.
Doch das Thema sei noch nicht vom Tisch: „Der BFH hat betont, der Aufbau Ost sei zwar eine Generationenaufgabe. Damit bleibt die Frage der Abschaffung auf der politischen Tagesordnung, denn rechnerisch müsste der Soli 2025 demnach endlich Geschichte sein“, so Holznagel weiter. „Juristisch ist ebenfalls noch nicht das letzte Wort gesprochen worden, denn es gibt bereits Beschwerden, die beim Verfassungsgericht liegen.“
Wie sind die Reaktionen?
Die FDP ist enttäuscht, SPD und Grüne sind erfreut. „Aus meiner Sicht würde die Abschaffung unsere globale Wettbewerbsfähigkeit stärken“, twitterte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Dazu gebe es aber in der Koalition unterschiedliche Positionen.
Lindner hatte den Soli vor dem Bundesfinanzhof – anders als sonst bei Finanzministern üblich – schon nicht mehr verteidigt. Ganz anders reagierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): „Wir begrüßen diese Entscheidung, zumal damit unterstrichen wird, dass Vermögende weiterhin mehr zum Gemeinwesen beitragen. Gerade angesichts der aktuellen Krisensituation ist dies auch notwendig“, sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell.
Wer muss den Soli überhaupt noch zahlen?
Der Soli ist eine Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer und trifft Privatbürger und Unternehmen. Die oberen zehn Prozent der Einkommen müssen den Zuschlag noch tragen. Das sind noch etwa 2,5 Millionen Bürger. Der Soli wird seit Januar 2021 erst erhoben, wenn die Einkommensteuer mehr als 16.956 Euro im Jahr oder bei Zusammenveranlagung eines Paares mehr als 33.912 Euro im Jahr beträgt. Die Einnahmen des Bundes aus dem Soli beliefen sich zuletzt auf elf Milliarden Euro im Jahr. Das Geld aus dieser Ergänzungsabgabe steht alleine dem Bund zu.
Wie geht es weiter?
Der Wirtschaftsweise Martin Werding regt an, aus dem Soli einen befristeten Energie-Soli zu machen: „Aus ökonomischer Sicht ist die jetzige Situation unbefriedigend. Zwar kann es bei Steuern keine harte Zweckbindung geben. Aber dass der Soli immer noch existiert, untergräbt die Glaubwürdigkeit der Steuerpolitik auf breiterer Basis. Wenn die Politik in den letzten Krisenjahren noch nicht ganz darauf verzichten wollte, könnte sie jetzt einen Energie-Soli daraus machen, der dann aber mit den Staatshilfen nach dem nächsten Winter definitiv verschwinden sollte“, sagte Werding. „Wer für den Bundeshaushalt dauerhaft mit diesen Einnahmen planen möchte, sollte das ehrlich aussprechen. Dann gehören Vorschläge auf den Tisch, wie der reguläre Einkommensteuertarif angepasst werden soll.“
Der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW ), Michael Hüther, warnt dagegen: „Das Urteil macht deutlich, wo das politische Risiko politisch befristeter Steuererhöhungen oder Steuern liegt: Es resultiert keinerlei Bindung des Gesetzgebers, die Befristung auch einzuhalten.“Eine Ergänzungsabgabe müsse laut Gericht nicht befristet sein. „Das zeigt die Naivität der entsprechenden Vorschläge des Sachverständigenrates im letzten Jahresgutachten.“Hüther wundert sich: „Der Hinweis des Gerichts, dass der Bund schlüssig die höheren Finanzbedarfe aus der Wiedervereinigung dargelegt habe, muss sachlich erstaunen. Denn ein besonderer Finanzierungsbedarf für die neuen Länder ist nicht mehr erkennbar.“