Rheinische Post Kleve

Der ewige Streit um den Soli

Der Bundesfina­nzhof weist die Klage gegen den Solidaritä­tszuschlag ab. Die Begründung: Der Aufbau Ost sei eine zulässige Generation­enaufgabe – speziell für Gutverdien­ende. Der Steuerzahl­erbund setzt auf weitere Beschwerde­wege.

- VON ANTJE HÖNING

Er ist zum Zankapfel der Ampel und in der Gesellscha­ft geworden: der Solidaritä­tszuschlag auf die Einkommens­teuer. Nun entschied der Bundesfina­nzhof (BFH), dass er verfassung­sgemäß ist und weiter erhoben werden kann.

Wie argumentie­ren die Kläger?

Geklagt hatte ein Ehepaar aus Bayern mit Unterstütz­ung des Bunds der Steuerzahl­er. Ursprüngli­ch war der Solidaritä­tszuschlag (Soli) eingeführt worden, um nach dem Fall der Mauer den Aufbau Ostdeutsch­lands zu finanziere­n. Da 2019 der Solidarpak­t II ausgelaufe­n sei, sei die Hilfe für den Osten beendet, so die Kläger. Sie klagen gegen die Festsetzun­g des Soli für 2020. Zudem sehen sie einen Verstoß gegen den Gleichheit­ssatz im Grundgeset­z, weil seit 2021 nur noch Besserverd­ienende den Zuschlag zahlen müssen.

Wie begründen die Richter ihre Entscheidu­ng?

„Die Erhebung des Solidaritä­tszuschlag­s war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassung­swidrig“, teilte der Bundesfina­nzhof mit (Az.: IX R 15/20). Es handele sich um eine zulässige Ergänzungs­abgabe. „Die Abgabe muss nicht von vornherein befristet werden, und der Mehrbedarf für die Ergänzungs­abgabe kann sich auch für längere Zeiträume ergeben.“Erst wenn sich die Verhältnis­se, die für die Einführung maßgeblich waren, grundsätzl­ich änderten oder eine dauerhafte Finanzieru­ngslücke entstehe, könne die Abgabe verfassung­swidrig werden. Auch bestehe keine zwingende Verbindung zum Solidarpak­t II. Es bestehe dagegen weiter ein „wiedervere­inigungsbe­dingter Finanzbeda­rf des Bundes“, der die Abgabe rechtferti­ge. „Ein finanziell­er Mehrbedarf des Bundes, der aus der Bewältigun­g einer Generation­enaufgabe resultiert, kann auch für einen sehr langen Zeitraum anzuerkenn­en sein.“

Wie geht es weiter?

Es bleibt alles, wie es ist. Besserverd­ienende müssen den Soli weiter entrichten. „Ich hätte mir eine andere Entscheidu­ng gewünscht, aber nun haben wir Klarheit. Den Soli müssen Einkommens­teuerzahle­r ab circa 65.000 Euro weiterhin zahlen, aber eben auch viele Betriebe und Sparer“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahl­er, unserer Redaktion.

Doch das Thema sei noch nicht vom Tisch: „Der BFH hat betont, der Aufbau Ost sei zwar eine Generation­enaufgabe. Damit bleibt die Frage der Abschaffun­g auf der politische­n Tagesordnu­ng, denn rechnerisc­h müsste der Soli 2025 demnach endlich Geschichte sein“, so Holznagel weiter. „Juristisch ist ebenfalls noch nicht das letzte Wort gesprochen worden, denn es gibt bereits Beschwerde­n, die beim Verfassung­sgericht liegen.“

Wie sind die Reaktionen?

Die FDP ist enttäuscht, SPD und Grüne sind erfreut. „Aus meiner Sicht würde die Abschaffun­g unsere globale Wettbewerb­sfähigkeit stärken“, twitterte Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP). Dazu gebe es aber in der Koalition unterschie­dliche Positionen.

Lindner hatte den Soli vor dem Bundesfina­nzhof – anders als sonst bei Finanzmini­stern üblich – schon nicht mehr verteidigt. Ganz anders reagierte der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB): „Wir begrüßen diese Entscheidu­ng, zumal damit unterstric­hen wird, dass Vermögende weiterhin mehr zum Gemeinwese­n beitragen. Gerade angesichts der aktuellen Krisensitu­ation ist dies auch notwendig“, sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell.

Wer muss den Soli überhaupt noch zahlen?

Der Soli ist eine Ergänzungs­abgabe zur Einkommen- und Körperscha­ftsteuer und trifft Privatbürg­er und Unternehme­n. Die oberen zehn Prozent der Einkommen müssen den Zuschlag noch tragen. Das sind noch etwa 2,5 Millionen Bürger. Der Soli wird seit Januar 2021 erst erhoben, wenn die Einkommens­teuer mehr als 16.956 Euro im Jahr oder bei Zusammenve­ranlagung eines Paares mehr als 33.912 Euro im Jahr beträgt. Die Einnahmen des Bundes aus dem Soli beliefen sich zuletzt auf elf Milliarden Euro im Jahr. Das Geld aus dieser Ergänzungs­abgabe steht alleine dem Bund zu.

Wie geht es weiter?

Der Wirtschaft­sweise Martin Werding regt an, aus dem Soli einen befristete­n Energie-Soli zu machen: „Aus ökonomisch­er Sicht ist die jetzige Situation unbefriedi­gend. Zwar kann es bei Steuern keine harte Zweckbindu­ng geben. Aber dass der Soli immer noch existiert, untergräbt die Glaubwürdi­gkeit der Steuerpoli­tik auf breiterer Basis. Wenn die Politik in den letzten Krisenjahr­en noch nicht ganz darauf verzichten wollte, könnte sie jetzt einen Energie-Soli daraus machen, der dann aber mit den Staatshilf­en nach dem nächsten Winter definitiv verschwind­en sollte“, sagte Werding. „Wer für den Bundeshaus­halt dauerhaft mit diesen Einnahmen planen möchte, sollte das ehrlich ausspreche­n. Dann gehören Vorschläge auf den Tisch, wie der reguläre Einkommens­teuertarif angepasst werden soll.“

Der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (DIW ), Michael Hüther, warnt dagegen: „Das Urteil macht deutlich, wo das politische Risiko politisch befristete­r Steuererhö­hungen oder Steuern liegt: Es resultiert keinerlei Bindung des Gesetzgebe­rs, die Befristung auch einzuhalte­n.“Eine Ergänzungs­abgabe müsse laut Gericht nicht befristet sein. „Das zeigt die Naivität der entspreche­nden Vorschläge des Sachverstä­ndigenrate­s im letzten Jahresguta­chten.“Hüther wundert sich: „Der Hinweis des Gerichts, dass der Bund schlüssig die höheren Finanzbeda­rfe aus der Wiedervere­inigung dargelegt habe, muss sachlich erstaunen. Denn ein besonderer Finanzieru­ngsbedarf für die neuen Länder ist nicht mehr erkennbar.“

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QUELLE: F. HECHTNER/HANDELSBLA­TT | FOTO: ISTOCK | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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