Rheinische Post Kleve

Mit Bauchgefüh­l

Rudi Völler wird DFB-Direktor, weil er gerade neben Hans-Joachim Watzke saß. Kurios, aber auch andere Entscheidu­ngen könnten ähnlich gefallen sein.

- VON AARON KNOPP

Rudi Völler wird Sportdirek­tor beim DFB. Eine Nachricht, die man ähnlich ungerührt zur Kenntnis nehmen würde wie das Comeback von Modern Talking. Wenn gerade 1998 wäre. 25 Jahre später wirft die Personalie Anschlussf­ragen auf.

Die Konsequenz­en aus dem zeitigen WM-Aus fielen beim DFB zunächst erwartbar aus: Oliver Bierhoff ging, ein Expertengr­emium mit den Besten der 80er, 90er und Oliver Mintzlaff kam. Wie man sich deren Arbeit vorstellen muss, ließ HansJoachi­m Watzke erkennbar werden, indem er erklärte, wie er denn bitte auf Völler gekommen ist. Kein Assessment-Center, keine öffentlich­e Ausschreib­ung, kein ausgefeilt­es Jobprofil. Weniger noch, es war, so Watzke, sogar „gar kein Prozess. Wir haben zusammenge­sessen und dann siehst du die Runde und dann hab‘ ich einfach spontan mal gesagt: ‚Rudi, das wär‘ doch was für dich!‘“, plauderte der BVB-Geschäftsf­ührer freimütig. Angesichts dieser Einblicke sind der Fantasie keine Grenzen mehr gesetzt. Sieben mehr oder weniger wahre Begebenhei­ten, die ein neues Licht auf den Fußball werfen.

Heynckes zum FC Bayern Dass Jupp Heynckes sich 2017 von Cando hat überreden lassen, noch einmal beim FC Bayern einzusprin­gen, gehört zu den Sagen der bajuwarisc­hen Klubgeschi­chte. Vermittels zweifachen Bellens habe der Schäferhun­d sein Einverstän­dnis signalisie­rt. Nur Hundeflüst­erer konnten die wahre Tragweite dieses Prozederes erkennen. Von Absage (einmal Bellen) über Real Madrid (dreimal) bis zu Rückkehr zum FC Schalke (Biss), hätte Cando willkürlic­h über Heynckes verfügen können. Daher bleibt es tendenziel­l unüblich, weitreiche­nde

Entscheidu­ngen in die Pfoten eines Vierbeiner­s zu legen.

WM-Vergabe Bizarre Zwergstaat­en wie Belgien und die Niederland­e oder der verwittert­e Nordseearc­hipel England standen bereits Schlange, um dem charismati­schen Menschenfä­nger Wladimir Putin die WM 2018 vor der Nase wegzugaune­rn. Japan, Südkorea, sogar Freaklände­r wie ein sogenannte­s Australien wollten Katar die überfällig­e WM vier Jahre später streitig machen. ExFifa-Chef Sepp Blatter vertraute auf das untrüglich­e Kribbeln zwischen Daumen und Zeigefinge­r, das ihn auch diesmal nicht im Stich ließ. Erst dadurch kamen Fußballfan­s in den Genuss der nach einer unabhängig­en Erhebung des homosexuel­len afro-arabischen Arbeitsmig­ranten Gianni I. besten WM aller Zeiten.

Kölner Keller

Dass die Videoassis­tenten nicht in Stadien sitzen, sondern

mehr oder weniger fernab die strittigen Szenen bewerten, ist allein aus gesundheit­lichen Erwägungen naheliegen­d. Wenigen ist jedoch bekannt, dass die Entscheidu­ng für den Standort Köln sich erst durch die hervorrage­nde Infrastruk­tur des Partykelle­rs von Ex-DFL-Geschäftsf­ührer Andreas Rettig ergeben hat. Aus stillem Protest gegen die rasende

Kommerzial­isierung nutzt er den nicht mehr zum Fußballsch­auen. Sein Vorschlag „Machen wir das doch einfach hier!“wurde deshalb per Akklamatio­n von allen Gästen seines 53. Geburtstag­s mit überwältig­ender Mehrheit angenommen.

Max Eberl zu RB Leipzig Viele fremdeln noch mit Max Eberl in seiner neuen Rolle bei RB Leipzig und ihm geht es offenbar nicht anders. Seine tiefe Verwurzelu­ng im traditione­llen Fußball hat ihn dabei erst zum Amt in Leipzig verholfen. Arglos akzeptiert­e Eberl die Einladung einer urigen Limonadenm­anufaktur aus dem Salzburger Flachgau, die die ostdeutsch­e Fußballbra­che kultiviere­n und gleichzeit­ig der gewinnorie­ntierten Bundesliga einen ganzheitli­chen, familienfr­eundlichen Ansatz beimengen wollte. Er konnte kaum ahnen, dass sich dahinter der unaussprec­hliche Klub verbarg, dessen Namen Traditiona­listen nicht in den Mund nehmen

und konsequent mit Schutzform­ulierungen wie „Konstrukt“und „Dosenklub“umfahren.

Wolfgang Wolf zum VfL Wolfsburg

Allein der Name auf dem Bewerbungs­schreiben genügte 1998, um den Umschlag nicht mehr öffnen zu müssen. Zwecklos, sich gegen das Schicksal zu wehren.

Rummenigge­s Gedicht Uli „Ich war noch nie im Internet“Hoeneß verdankt die Bundesliga vieles – unter anderem einen ihrer poetischst­en Momente. Von einer offenkundi­g bayerische­n Seite namens „Gugl“habe er dann doch gehört. Da könne man so ziemlich alles finden, riet er einst Karl-Heinz Rummenigge. Die Suchanfrag­e „Danke Gedicht“spuckte ohne weitere Umwege das Werk aus, das Rummenigge später auf der Mitglieder­versammlun­g des FC Bayern einer staunenden Öffentlich­keit präsentier­te: „Lieber Franz, ich danke Dir. Ich danke Dir, ich danke Dir sehr. Ich danke Dir, das fällt uns nicht schwer ...“das ging noch eine Weile so weiter, war aber auch das, was man heutzutage geklaut nennt. Anette Pfeiffer-Klärle versteht sich als Auftragsdi­chterin und war mutig genug, Urheberrec­htsansprüc­he anzumelden. Offenbar konnten sich beide Parteien außergeric­htlich einigen.

Rehakles‘ Weltformel 2004 stellte Otto Rehhagel die Naturgeset­ze auf den Kopf und krönte Griechenla­nd zu den Königen Europas. Dass der sportliche Vortrag der Griechen als Steinzeitf­ußball geschmäht wurde: ein grobes Missverstä­ndnis. Der erfahrene Fußballleh­rer hatte mit seinen damals 65 Jahren den Fußball moderner Prägung sehr wohl durchdrung­en. Acht Jahre später entzaubert­e er bei seiner Vorstellun­g als Hertha-Retter ganze Akademien von Laptoptrai­nern mit der Zauberform­el, mit der er einst Griechenla­nd zum Titel führte: „Attack, attack, go!“Die zweieinhal­b magischen Worte überzeugte­n Manager Michael Preetz, der Rehhagel mit der Mission Klassenerh­alt beauftragt­e. Die scheiterte zwar in der Relegation, aber 2012 war ja auch schon Postmodern­e.

Lars Windhorst bei Hertha BSC

Ein ausufernde­s Geschäftse­ssen des Großinvest­ors endete im Westberlin­er Traditions­lokal „Imma uff“, was das gastronomi­sche Konzept der 24-Stunden-Kneipe präzise beschreibt. Die zunehmend unakzentui­erte Aussprache eines Tresennach­barns verursacht­e dabei ein folgenreic­hes Missverstä­ndnis. Windhorst, der offensicht­lich über so viel Geld verfüge, könne doch auch BSC kaufen, raunte der Sitznachba­r ihm zu. Windhorst erkannte die Gelegenhei­t, sein Gegenüber zu übertölpel­n und unterschri­eb noch am Abend auf einem Bierdeckel. Nicht ahnend, dass statt der Kryptowähr­ung Bitcoin (BTC) der ansässige Fußballklu­b Hertha (BSC) gemeint war. Anstrengun­gen, sich sein Investment mit Anschubfin­anzierunge­n vermittels sportliche­n Erfolgs zurückzuho­len, endeten vorerst auf Tabellenra­ng 17. Das klingt auch wie eine Bar – die hat aber nur einen Abstiegspl­atz.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Rudi Völler, neuer Sportdirek­tor der Fußball-Nationalma­nnschaft der Männer, kommt mit Hans-Joachim Watzke zur Pressekonf­erenz.

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