Letzte Ruhe im Einklang mit der Natur
Bei Bestattungen wird zunehmend der Weg zu mehr Nachhaltigkeit gesucht. Manche Unternehmen bieten bereits Alternativen an. Allerdings sind nicht alle unumstritten.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Es wird die Zukunft vieler Branchen verändern und kann auch unsere letzte Ruhe beeinflussen. Im Bereich Bestattung werden Wünsche nach nachhaltigen Alternativen immer lauter. Ein paar Möglichkeiten gibt es bereits. So bieten manche Hersteller Särge und Urnen aus regionalem Holz an – oder gar aus Pappeln und Weiden, hergestellt von Korbmachern.
Ein Bestattungshaus in Büren geht mit dem Trend: Naturnahe Bestattungsformen sollen weitergedacht werden, heißt es aus dem Unternehmen. Sein Beitrag dazu sind nachhaltige Särge und Urnen aus Bürener Fichtenholz. Das Projekt haben sie „waldLEBEN“getauft. Das Holz wird im nahe gelegenen Marsberg getrocknet sowie zugeschnitten, und die Weiterverarbeitung zu Särgen erfolgt schließlich in Hamm. Urnen werden in einer Tischlerei in Salzkotten hergestellt. Durch die Regionalisierung der Lieferkette reduzieren sich die Transportwege laut dem Bestattungshaus von gut 3000 auf 220 Kilometer.
Hinzu kommt, dass für jeden hergestellten Sarg neue Bäume in den umliegenden Wäldern gepflanzt werden. Dies geschieht auf Wunsch gemeinsam mit den Angehörigen, die mit dem gepflanzten Baum auf diese Art eine beständige Erinnerung schaffen können, die nicht nach einer gewissen Anzahl an Jahren aufgelöst wird, so wie es mit einer Grabstätte auf einem Friedhof gewöhnlich passiert.
Doch die Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht auf die Auswahl der letzten Ruhestätte. Das hat das Unternehmen „Grüne Linie“erkannt. Die Verantwortlichen haben eine Bestattung zusammengestellt, die für die Umwelt und bei den Hinterbliebenen einen guten Eindruck
hinterlassen soll, heißt es auf ihrer Internetseite. Dazu gehört ein Sarg aus Kiefer oder Eiche mit geölter oder gewachster Oberfläche. Bei den Griffen können die Angehörigen zwischen Seilen oder Holz wählen, und auch die Innenausstattung ist nach Aussagen des Unternehmens biologisch abbaubar.
Es werden also keine lösemittelhaltigen Lacke oder Leime genutzt, Sarggriffe aus Kunststoff stehen nicht zur Debatte, und auch Metalle will das Unternehmen so wenig wie möglich nutzen, um den Nachhaltigkeitsanspruch zu erfüllen. Die Polster im Sarg sind mit Heu, Holzwolle oder Sägespänen gefüllt. Produziert wird der Sarg von lokalen Herstellern aus regionalem Holz. Bei einer Urne werde auch darauf geachtet, das diese „zügig biologisch abbaubar“ist.
Für die Kleidung des Verstorbenen gilt das Gleiche: Die Sargwäsche der „Grünen Linie“ist biologisch abbaubar, besteht beispielsweise aus Baumwolle oder Leinen. Diese Stoffe benötigen nur rund fünf Monate für die Zersetzung, nachdem sich zunächst der Sarg zersetzt hat.
Eine weitere Idee macht zwar einen innovativen Eindruck, ruft in Deutschland aber noch viel Skepsis unter den Experten hervor: die sogenannte Reerdigung. Die Wort
schöpfung verbindet die Rückkehr in die Erde mit dem gesamten Prozess der Beerdigung.
Die Idee stammt von dem Berliner Start-up „Meine Erde“. Für das Prozedere wird die Leiche des Verstorbenen 40 Tage lang in einen Kokon gebettet und zersetzt – nach Angaben nur durch die Kraft der Natur. Das Material in dem Kokon, der sich in einem Edelstahl-Behälter befindet, besteht aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle. Nach 40 Tagen sollen nur noch Erde und Knochenreste übrig sein.
Bislang ist diese ganz neue Form der Bestattung in Deutschland nur in Schleswig-Holstein möglich. „Mit der Einführung der Reerdigung ist sichergestellt, dass wir alle gesetzlichen Vorgaben einhalten. Das Justizministerium in SchleswigHolstein erkennt in der Reerdigung eine beschleunigte Erdbestattung, und damit ist diese im Bundesland legal“, heißt es dazu auf der Homepage des Unternehmens.
Doch es gibt Bedenken, was das neuartige Verfahren betrifft. Für Stephan Neuser vom Bundesverband Deutscher Bestatter stehen vor allem rechtliche Fragen im Raum. Dazu gebe es auch noch offene Fragen bei der technischen Transparenz. Außerdem sei noch unklar, wie sich diese Form der Bestattung auf den Trauerprozess der Angehörigen auswirke, meint Neuser. Er sieht noch andere Entwicklungen, was die Zukunft der Bestattung betrifft: „Allgemein beobachten wir in Deutschland seit einiger Zeit eine Individualisierung der Bestattungsund Trauerkultur.“Für immer mehr Menschen sei es selbstverständlich, dass Trauerfeier und Beerdigung das Leben der Verstorbenen widerspiegeln und würdigen sollen. Diese Entwicklung werde sich aus Neusers Sicht in den kommenden Jahren weiter verstärken.
Die sich verändernde Einstellung hat auch Auswirkungen auf die Produkte und Dienstleistungen der Bestattungsunternehmen. Hat jemand besonders umweltfreundlich gelebt, sollte sich das auch in der letzten Ruhestätte widerspiegeln. Laut Stephan Neuser entdecken immer mehr Bestatter das Potenzial nachhaltiger Angebote. Statistiken zur Nachfrage nach dieser Art der Beisetzung gebe es aktuell aber noch nicht, sagt er.