Rheinische Post Kleve

Letzte Ruhe im Einklang mit der Natur

Bei Bestattung­en wird zunehmend der Weg zu mehr Nachhaltig­keit gesucht. Manche Unternehme­n bieten bereits Alternativ­en an. Allerdings sind nicht alle unumstritt­en.

- VON LISA-MARIE LEUTERITZ

Das Thema Nachhaltig­keit ist in aller Munde. Es wird die Zukunft vieler Branchen verändern und kann auch unsere letzte Ruhe beeinfluss­en. Im Bereich Bestattung werden Wünsche nach nachhaltig­en Alternativ­en immer lauter. Ein paar Möglichkei­ten gibt es bereits. So bieten manche Hersteller Särge und Urnen aus regionalem Holz an – oder gar aus Pappeln und Weiden, hergestell­t von Korbmacher­n.

Ein Bestattung­shaus in Büren geht mit dem Trend: Naturnahe Bestattung­sformen sollen weitergeda­cht werden, heißt es aus dem Unternehme­n. Sein Beitrag dazu sind nachhaltig­e Särge und Urnen aus Bürener Fichtenhol­z. Das Projekt haben sie „waldLEBEN“getauft. Das Holz wird im nahe gelegenen Marsberg getrocknet sowie zugeschnit­ten, und die Weitervera­rbeitung zu Särgen erfolgt schließlic­h in Hamm. Urnen werden in einer Tischlerei in Salzkotten hergestell­t. Durch die Regionalis­ierung der Lieferkett­e reduzieren sich die Transportw­ege laut dem Bestattung­shaus von gut 3000 auf 220 Kilometer.

Hinzu kommt, dass für jeden hergestell­ten Sarg neue Bäume in den umliegende­n Wäldern gepflanzt werden. Dies geschieht auf Wunsch gemeinsam mit den Angehörige­n, die mit dem gepflanzte­n Baum auf diese Art eine beständige Erinnerung schaffen können, die nicht nach einer gewissen Anzahl an Jahren aufgelöst wird, so wie es mit einer Grabstätte auf einem Friedhof gewöhnlich passiert.

Doch die Nachhaltig­keit beschränkt sich nicht auf die Auswahl der letzten Ruhestätte. Das hat das Unternehme­n „Grüne Linie“erkannt. Die Verantwort­lichen haben eine Bestattung zusammenge­stellt, die für die Umwelt und bei den Hinterblie­benen einen guten Eindruck

hinterlass­en soll, heißt es auf ihrer Internetse­ite. Dazu gehört ein Sarg aus Kiefer oder Eiche mit geölter oder gewachster Oberfläche. Bei den Griffen können die Angehörige­n zwischen Seilen oder Holz wählen, und auch die Innenausst­attung ist nach Aussagen des Unternehme­ns biologisch abbaubar.

Es werden also keine lösemittel­haltigen Lacke oder Leime genutzt, Sarggriffe aus Kunststoff stehen nicht zur Debatte, und auch Metalle will das Unternehme­n so wenig wie möglich nutzen, um den Nachhaltig­keitsanspr­uch zu erfüllen. Die Polster im Sarg sind mit Heu, Holzwolle oder Sägespänen gefüllt. Produziert wird der Sarg von lokalen Hersteller­n aus regionalem Holz. Bei einer Urne werde auch darauf geachtet, das diese „zügig biologisch abbaubar“ist.

Für die Kleidung des Verstorben­en gilt das Gleiche: Die Sargwäsche der „Grünen Linie“ist biologisch abbaubar, besteht beispielsw­eise aus Baumwolle oder Leinen. Diese Stoffe benötigen nur rund fünf Monate für die Zersetzung, nachdem sich zunächst der Sarg zersetzt hat.

Eine weitere Idee macht zwar einen innovative­n Eindruck, ruft in Deutschlan­d aber noch viel Skepsis unter den Experten hervor: die sogenannte Reerdigung. Die Wort

schöpfung verbindet die Rückkehr in die Erde mit dem gesamten Prozess der Beerdigung.

Die Idee stammt von dem Berliner Start-up „Meine Erde“. Für das Prozedere wird die Leiche des Verstorben­en 40 Tage lang in einen Kokon gebettet und zersetzt – nach Angaben nur durch die Kraft der Natur. Das Material in dem Kokon, der sich in einem Edelstahl-Behälter befindet, besteht aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle. Nach 40 Tagen sollen nur noch Erde und Knochenres­te übrig sein.

Bislang ist diese ganz neue Form der Bestattung in Deutschlan­d nur in Schleswig-Holstein möglich. „Mit der Einführung der Reerdigung ist sichergest­ellt, dass wir alle gesetzlich­en Vorgaben einhalten. Das Justizmini­sterium in SchleswigH­olstein erkennt in der Reerdigung eine beschleuni­gte Erdbestatt­ung, und damit ist diese im Bundesland legal“, heißt es dazu auf der Homepage des Unternehme­ns.

Doch es gibt Bedenken, was das neuartige Verfahren betrifft. Für Stephan Neuser vom Bundesverb­and Deutscher Bestatter stehen vor allem rechtliche Fragen im Raum. Dazu gebe es auch noch offene Fragen bei der technische­n Transparen­z. Außerdem sei noch unklar, wie sich diese Form der Bestattung auf den Trauerproz­ess der Angehörige­n auswirke, meint Neuser. Er sieht noch andere Entwicklun­gen, was die Zukunft der Bestattung betrifft: „Allgemein beobachten wir in Deutschlan­d seit einiger Zeit eine Individual­isierung der Bestattung­sund Trauerkult­ur.“Für immer mehr Menschen sei es selbstvers­tändlich, dass Trauerfeie­r und Beerdigung das Leben der Verstorben­en widerspieg­eln und würdigen sollen. Diese Entwicklun­g werde sich aus Neusers Sicht in den kommenden Jahren weiter verstärken.

Die sich verändernd­e Einstellun­g hat auch Auswirkung­en auf die Produkte und Dienstleis­tungen der Bestattung­sunternehm­en. Hat jemand besonders umweltfreu­ndlich gelebt, sollte sich das auch in der letzten Ruhestätte widerspieg­eln. Laut Stephan Neuser entdecken immer mehr Bestatter das Potenzial nachhaltig­er Angebote. Statistike­n zur Nachfrage nach dieser Art der Beisetzung gebe es aktuell aber noch nicht, sagt er.

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FOTO: GETTY IMAGES Die meisten deutschen Sargherste­ller verwenden bereits Hölzer aus nachhaltig­er Forstwirts­chaft und umweltfreu­ndliche Lackierung­en.

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