Kevelaerer Kostbarkeiten der Briefmarkenkunde
Drei befreundete Hobby-Philatelisten zeigen ihre Sammlungen in einem jetzt veröffentlichten Buch. 240 Jahre Kevelaerer Geschichte sind abgebildet.
„Wir sind Archivare des Zeitverlaufs“, sagt Johannes Horlemann aus Kevelaer. Er, Udo Durchgraf und Christoph Bercker sammeln seit Kinder- und Jugendtagen Briefmarken, Postkarten und andere postalische Belege. Ihre eindrucksvollen Sammlungen haben sie jetzt in einem gemeinsam veröffentlichten Buch dokumentiert mit dem Titel: „Die Entwicklung der Post in Kevelaer und Umgebung im Spiegel postalischer Belege“.
Auf 160 Seiten finden sich farbige Fotografien von Briefumschlägen, Postkarten, Telegrammen und anderen im Fachjargon genannte „Ganzsachen“, chronologisch geordnet von 1760 bis in die 1990er Jahre. Alle „Belege“, wie der Philatelist sie nennt, haben einen Bezug zu Kevelaer. Entweder wurden sie dort abgeschickt oder empfangen. Berücksichtigt wurden auch die Ortschaften, die heute zum Stadtgebiet der Wallfahrtstadt zählen sowie die Gemeinde Weeze.
Das Werk mutet wissenschaftlich an, ist doch jede Abbildung mit präziser Beschreibung im Untertitel versehen und nummeriert. Zusätzlich gibt es einen ausführlichen Überblick über die „Postverhältnisse und Postverkehre im
Raum Kevelaer“beginnend mit dem Römischen Reich bis hin zu den Zeitabschnitten der Deutschen Reichspost, der Deutschen Post und schließlich der Deutschen Bundespost, die seit der Wiedervereinigung Deutsche Post AG heißt.
Dennoch wollten die Verfasser, wie sie selbst betonen, kein Fachbuch vorlegen, sondern „ein Buch zum Schauen“. „Für Kevelaerer“, sagt Johannes Horlemann. Tatsächlich öffnet sich dem Leser schon beim Durchblättern ein historisches Kaleidoskop mit vielen möglichen Wiedererkennungsqualitäten. „Gruss aus Wetten“oder „Gruss aus Winnekendonk“, heißt es auf schönen alten Ansichtskarten um 1900. Viele weitere Ansichtskarten sind zu finden, sie stammen aus der Sammlung von Christoph Bercker, der sich auf dieses Sammelgebiet spezialisiert hat. „Immer weniger Menschen schreiben heute noch Postkarten zum Beispiel aus dem Urlaub oder Grußkarten zu Weihnachten“, so Bercker.
Umso wertvoller seien die handgeschriebenen Karten aber, wissen die drei Philatelisten, denn das sei eben „persönlich“und „bleibend“und werde nicht so schnell gelöscht wie eine E-Mail. Wer in ihrem Buch blättert, dem fällt sofort der riesige Unterschied zur heutigen Zeit von E-Mails, Whatsapp und SMS ins Auge: Die Handschriften waren früher einfach sorgfältiger. Geschwungene Anfangsbuchstaben wurden oft noch verziert durch zusätzliche Bögen. Es gab ganz offenbar „Schönschrift-Kultur“.
Wie Johannes Horlemann erläutert, gab es noch im 18. Jahrhundert den Beruf des Schreibers, der das Schreiben von Dokumenten und Briefen zum Beispiel für Adelige übernahm. Der älteste Beleg der dargestellten Sammlungen und gleichzeitig der älteste bekannte Brief aus Kevelaer stammt aus dem Jahr 1760. Ein französischer Offizier schrieb während des Siebenjährigen Kriegs an einen Kapitän der Kavallerie in der Auvergne. Der Schreiber wohnte, wie die Verfasser mitteilen, im Kloster der Oratorianer, dem heutigen Priesterhaus. Der Briefumschlag hat auch ein Siegel wie viele Briefe der damaligen Adelsgesellschaft.
„Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts schrieben fast nur Adelige, Zugehörige des Militärs und Pfarrer Briefe. Erst danach finden sich mehr und mehr private Briefschreiber“, erläutert Udo Durchgraf, der sich durch seine Sammelleidenschaft und seine berufliche Tätigkeit in Auktionshäusern detailliertes historisches Wissen aneignete. „Wer Belege der Post sammelt, interessiert sich ja zwangsläufig für Geschichte“, sagt er.
Neben den Briefmarken schaut der Sammler genau auf die Stempel. So gab es in Kevelaer bereits 1986 einen Sonderstempel zum Papstbesuch im Jahr 1987 und den kuriosen Umstand, dass auf dem Stempel zunächst das falsche Datum, der erste Mai 1987, genannt wurde. Der Papst kam aber am 2. Mai. Erst Monate später, kurz vor dem Ereignis, wurde der Stempel korrigiert. Mehrere Belege aus dem Buch zeigen beide Stempel.
Manch ein Stempel ist ein „philatelistisches Schmankerl“, so Horlemann. Briefmarken kamen erst ab 1840 auf, auch hiervon finden sich im Buch besondere Exemplare auf den Belegen. Was ist noch zu sehen? Fernbriefe aus Amerika, Feldpost, Zensurpost, Telegramme – der Leser kann durch zweieinhalb Jahrhunderte Zeitgeschichte blättern und schauen.
Ein Kapitel behandelt die Geschichte des 1870 in Kevelaer gegründeten Verlagsunternehmens Butzon & Bercker in postalischen Belegen. Joseph Bercker (1871 1948) war Großvater des Mitautors Christoph Bercker. Die Firma durfte sich zu Zeiten Joseph Berckers „Verleger des Heiligen Apostolischen Stuhls“nennen. Auch dies dokumentieren Stempel auf den Belegen im Buch. Es sind Zeichen einer längst vergangenen Zeit, die Historikern und Philatelisten helfen, die Gegenwart besser zu verstehen.