Das Ringen um rote Linien
Im Augenblick wird viel von roten Linien gesprochen. Bezogen auf den Ukraine-Krieg sahen viele eine solche Grenze bei Panzerlieferungen. Seit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich zur Unterstützung der Ukraine mit Leopard-Panzern bereit erklärt hat, liegt jetzt die rote Linie bei der Versendung von Kampfflugzeugen. Gerade eben hat US-Präsident Biden ein klares Nein ausgesprochen. Andere finden, dass die Einrichtung von Flugverbotszonen oder die Lieferung von U-Booten und Kriegsschiffen auf der Tabu-Liste stehen sollten.
Die Setzung roter Linien ist ein Signal nach innen wie nach außen. Da im Westen die Frage, wie intensiv die Ukraine unterstützt werden soll, umstritten ist, begrenzen rote Linien den Handlungsspielraum der Politik und scheinbar auch eine mögliche Eskalation. Doch das ist eine Schimäre. Denn dann weiß der militärische Gegner, in diesem Fall die Russen, wo die Unterstützung aufhört. Putin kann danach seine Strategie ausrichten. Im brutalen Spiel des Krieges lässt man den Gegner besser im Unklaren darüber, wie weit die Unterstützung gehen soll.
Die Bevölkerung in einer Demokratie wird eine solche Haltung allerdings als Zumutung empfinden. Man will von der Regierung wissen, wie sie sich in bestimmten Konstellationen verhält. Ein Konzept ohne jede Festlegung kann zum Verlust der Unterstützung durch die Mehrheit führen. Insofern ist der Grundsatz der Nichtbeteiligung der Nato richtig. Aber beim Grad der Unterstützung sind rote Linien eine Hilfe für den Aggressor und ein Nachteil für die helfenden Länder. Scholz sollte sich weder in die eine noch in die andere Richtung beeinflussen lassen, sondern weiterhin den Zielen folgen, für die es mehrheitlich ein Einvernehmen gibt – die Verteidigung der Ukraine, die Nichtbeteiligung der Nato am Krieg und der Zusammenhalt des Westens. Der Rest muss flexibel sein.