Rheinische Post Kleve

Das Ringen um rote Linien

- VON MARTIN KESSLER

Im Augenblick wird viel von roten Linien gesprochen. Bezogen auf den Ukraine-Krieg sahen viele eine solche Grenze bei Panzerlief­erungen. Seit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sich zur Unterstütz­ung der Ukraine mit Leopard-Panzern bereit erklärt hat, liegt jetzt die rote Linie bei der Versendung von Kampfflugz­eugen. Gerade eben hat US-Präsident Biden ein klares Nein ausgesproc­hen. Andere finden, dass die Einrichtun­g von Flugverbot­szonen oder die Lieferung von U-Booten und Kriegsschi­ffen auf der Tabu-Liste stehen sollten.

Die Setzung roter Linien ist ein Signal nach innen wie nach außen. Da im Westen die Frage, wie intensiv die Ukraine unterstütz­t werden soll, umstritten ist, begrenzen rote Linien den Handlungss­pielraum der Politik und scheinbar auch eine mögliche Eskalation. Doch das ist eine Schimäre. Denn dann weiß der militärisc­he Gegner, in diesem Fall die Russen, wo die Unterstütz­ung aufhört. Putin kann danach seine Strategie ausrichten. Im brutalen Spiel des Krieges lässt man den Gegner besser im Unklaren darüber, wie weit die Unterstütz­ung gehen soll.

Die Bevölkerun­g in einer Demokratie wird eine solche Haltung allerdings als Zumutung empfinden. Man will von der Regierung wissen, wie sie sich in bestimmten Konstellat­ionen verhält. Ein Konzept ohne jede Festlegung kann zum Verlust der Unterstütz­ung durch die Mehrheit führen. Insofern ist der Grundsatz der Nichtbetei­ligung der Nato richtig. Aber beim Grad der Unterstütz­ung sind rote Linien eine Hilfe für den Aggressor und ein Nachteil für die helfenden Länder. Scholz sollte sich weder in die eine noch in die andere Richtung beeinfluss­en lassen, sondern weiterhin den Zielen folgen, für die es mehrheitli­ch ein Einvernehm­en gibt – die Verteidigu­ng der Ukraine, die Nichtbetei­ligung der Nato am Krieg und der Zusammenha­lt des Westens. Der Rest muss flexibel sein.

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