Bündnis fordert Umdenken fürs Revier
Ein Zusammenschluss von Naturschützern hat große Visionen für die Zeit nach dem Ausstieg aus der Braunkohle im Jahr 2030.
Es ist eine Vision für das Rheinische Revier, dass Natur wieder aufblühen kann, wo sich früher Braunkohlebagger durch die Landschaft fraßen. Dass sich die Wirtschaft in der ganzen Region neu aufstellt und klimaneutral mit erneuerbarer Energie auskommt nach dem Ausstieg aus der Braunkohle im Jahr 2030. Doch dafür gingen die Planungen und Projekte bisher in die völlig falsche Richtung, beklagt nun ein Bündnis verschiedener Verbände und Gruppen aus Naturschutz und Gesellschaft. Der Zusammenschluss fordert eine „Neujustierung“der laufenden Konzepte und Prioritäten, eine „Abkehr von der vorrangig auf allein wirtschaftliche Belange ausgerichteten Strukturwandelpolitik“.
Bei der Präsentation der Ziele rüttelte Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz am Dienstag an einer Säule des Kohlekompromisses, den Land, Bund und Energiekonzern RWE beschlossen haben. Für die Energieversorgung sollen neue Gaskraftwerke gebaut werden: „Das kann nicht die Lösung sein“, sagte Jansen. Zwar sollen die Anlagen in Zukunft auf Wasserstoff umgestellt werden, aber: „Wir haben diesen Wasserstoff nicht“, hielt Jansen dagegen. Man befürchte, dass weiter fossiles Gas verstromt werde.
Schwerpunkt der Kritik des Bündnisses ist aber der fortschreitende Flächenverbrauch, den die Regionalplanung erlauben soll. „Hier werden vor allem großzügig neue Gewerbegebiete auf der Grünen Wiese geplant“, kritisierte Jansen. Heide Naderer vom Naturschutzbund (Nabu) fürchtet um die Chance, ein Modell für die Region zu entwickeln, das den Schutz von Klima und Biodiversität, Wasser und Böden bietet. „Das hat bisher nicht stattgefunden, das ist auch in den weiteren Planungen bisher nicht explizit vorgesehen“, sagte sie. „Was uns fehlt, ist der umfassende Blick darauf, wie sich diese Region weiterentwickeln soll.“Stattdessen finde ein „Raubbau an der regionalen Ernährungssouveränität“statt, ergänzte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, Bernd Schmitz. Dabei gehe es um beste Böden, auf denen sich konventionell wie ökologisch ertragreich wirtschaften lasse. „Es gibt diese Böden so nicht noch einmal.“Er forderte einen Stopp weiterer Versiegelung.
Einen Kurswechsel durch die schwarz-grüne Landesregierung sehen die Akteure nicht kommen, betonten sie. Es werde heute so geplant wie früher. „Wie wir damit auf einen Pfad als klimaneutrale Industrieregion bis 2045 kommen sollen, ist mir bisher rätselhaft“, so Dirk Jansen. In einem Zehn-Punkte-Plan fordert das Bündnis jetzt unter anderem die Umsetzung des Prinzips der Kreislaufwirtschaft, mehr Flächen, die in der Regionalplanung für den Schutz von Ökosystemen vorgesehen sein sollen, Klimaneutralität als Leitlinie des ganzen Strukturwandels und mehr Bürgerbeteiligung: Ideen aus der Bürgerschaft sollten besser aufgegriffen werden.
Im politischen Raum trifft der Vorstoß des Zusammenschlusses auf verhaltenes Echo. Der Strukturwandel
könne nur gelingen, „wenn Klimaschutz mit einer Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Politik einhergeht, die den starken Industriestandort sichert“, hieß es von der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Man wolle klimaangepasste Geschäftsmodelle, die für gute Jobs sorgen. „Dieses entscheidende Ziel im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Region fehlt im Vorstoß der Umweltverbände“, so Sprecherin Lena Teschlade. Wenn sie es mit sozialen Aspekten ernst meinten, müssten sie die Industrie der Zukunft unterstützen.
„Wir brauchen in der Region Arbeitsplätze, weil durch das Wegfallen der Braunkohle mehrere Zehntausend Jobs verschwinden“, betonte auch Romina Plonsker von der CDU-Fraktion im Landtag. Man wolle Wertschöpfung in der Region halten. Aber das gehe mit dem Umweltschutz zusammen. „Es wird sich kein Unternehmen im Rheinischen Revier ansiedeln, das nicht bereit ist, die Transformation zur Klimaneutralität mitzugehen“, prognostizierte Plonsker. Die Bereitschaft zum Wandel erlebe sie auch bei den bereits ansässigen Firmen.
Die FDP warnte, die „flächenintensiven
Vorstellungen des Naturschutzes“dürfen nicht zulasten wirtschaftlicher Vorhaben gehen, insbesondere nicht zulasten landwirtschaftlicher Flächen. Antje Grothus von den Grünen, bekannt als lautstarke Kritikerin des weiteren Braunkohleabbaus, stellte einen Fonds für bürgerschaftliche Projekte in Aussicht. Man setze sich „für eine qualitativ hochwertige und breite Bürgerbeteiligung und für die Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement“ein.