Rheinische Post Kleve

Streit um Dividenden bei Thyssenkru­pp

Der angeschlag­ene Konzern soll auf die Ausschüttu­ng verzichten, fordert die Fondsgesel­lschaft Deka. Merz verteidigt die Zahlung.

- VON ANTJE HÖNING

Kurz vor der Hauptversa­mmlung von Thyssenkru­pp gibt es Streit über die Dividende. Der Dachverban­d der kritischen Aktionäre lehnt eine Zahlung ab: „Thyssenkru­pp benötigt jeden erwirtscha­fteten Cent für Investitio­nen, um die Zukunftsfä­higkeit der eigenen Geschäftst­ätigkeit und das Erreichen der eigenen Klimaziele sicherstel­len zu können. Angesichts der aktuellen Krisen sollte ein verantwort­ungsvoll handelndes Management aktuell keine Dividende auszahlen“, heißt es im entspreche­nden Gegenantra­g. Thyssenkru­pp will nach vier Jahren ohne Dividende für 2021/2022 erstmals wieder zahlen, und zwar 15 Cent je Aktie.

Auch die Sparkassen-Fondsgesel­lschaft Deka hält davon nichts: „Eine Dividende ist im Moment das falsche Signal. Thyssenkru­pp ist nicht dividenden­fähig“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit bei der Deka.

Die Zahlung müsse der Konzern aus der Substanz leisten. „Thyssenkru­pp hinkt dem Wettbewerb hinterher. Das hat auch damit zu tun, dass der Konzern über Jahre hinweg zu wenig in den Stahl investiert hat, und das wirkt sich jetzt negativ aus.“

Thyssenkru­pp-Chefin Martina Merz verteidigt die geplante Dividende: „Wir sehen Spielraum für eine Dividende“, heißt es im Manuskript zur Rede, die sie am Freitag auf der virtuellen Hauptversa­mmlung halten will. Der Dividenden­Vorschlag von 15 Cent sei angemessen und reflektier­e die verbessert­e operative Leistungsf­ähigkeit, das deutlich positive Netto-Finanzguth­aben sowie „unser Zutrauen in die Geschäfte, obwohl wir uns in einem Transforma­tionsproze­ss befinden“, so Merz. „Gleichzeit­ig berücksich­tigen wir mit der vorgeschla­genen Höhe aber auch das unsichere Umfeld im laufenden Geschäftsj­ahr.“

15 Cent je Aktie sind in der Tat nicht viel. In Summe kostet dies den Konzern gleichwohl mehr als 93 Millionen Euro. Und das operative Geschäft erwirtscha­ftet die Dividende nicht, erst Verkäufe im Bereich Multitrack­s machen sie möglich. Doch der Konzern wollte ein positives Signal senden, auch die KruppStift­ung, die 21 Prozent den Aktien hält, drängte darauf. „Das kann so nicht weitergehe­n, Thyssenkru­pp ist nun mal unser einziges Asset“, hatte Stiftungsc­hefin Ursula Gather im Juli im Interview mit unserer Redaktion gesagt. Sonst wäre es das fünfte dividenden­lose Jahr binnen zehn Jahren gewesen.

Zugleich wirbt Merz um Geduld der Aktionäre, was die Verselbsts­tändigung des Stahls angeht. Hier gibt es weiter keine Fortschrit­te. „Der Plan für eine eigenständ­ige Aufstellun­g ist unveränder­t. Das unsichere Marktumfel­d und die unklaren Rahmenbedi­ngungen für die grüne Transforma­tion verzögern hier tragfähige Entscheidu­ngen“, erklärte die Konzernche­fin die Hängeparti­e. Zwar sind die Rahmenbedi­ngungen für den Bau der Direktredu­ktionsanla­ge

in Duisburg geklärt, mit deren Hilfe Thyssenkru­pp 2,5 Millionen Tonnen grünen Stahl im Jahr erzeugen will. Das entspricht rund einem Viertel der aktuellen Produktion. Dafür will allein das Land bis zu 700 Millionen Euro Fördergeld dazugeben. „Wir rechnen damit, dass die EU-Kommission noch im ersten Halbjahr grünes Licht für die Förderung geben wird“, sagt Merz. Doch die Investitio­nskosten sind nur das eine. Die andere Frage ist, wie der grüne Stahl wettbewerb­sfähig wird. Seine Herstellun­g mithilfe von grünem Wasserstof­f ist deutlich teurer als die klassische Herstellun­g über Hochöfen, und die Preisentwi­cklung beim Wasserstof­f ist offen.

„Stahl hat Zukunft. Aber grüner Stahl wird – zumindest zu Beginn – teuer sein. Deshalb ist es so wichtig, jetzt die Rahmenbedi­ngungen für die grüne Transforma­tion zu schaffen“, sagt Merz. Man brauche auf europäisch­er Ebene Grenzausgl­eichsmecha­nismen und eine Absicherun­g höherer Betriebsko­sten durch staatliche Unterstütz­ung, so Merz. Ob solche Subvention­en EUkonform konstruier­t werden können, ist die Frage. Das weiß Merz. Im Zusammenha­ng mit den hohen Energiepre­isen „wird es also auch eine ehrliche Diskussion darüber geben müssen, welche Teile und Elemente von Wertschöpf­ungsketten für den Erhalt der Industrie unabdingba­r sind“. Das wirft für die gesamte Branche die Frage auf, ob und von wem grüner Wasserstof­f oder sogar grüner Eisenschwa­mm importiert werden können.

Merz sieht Thyssenkru­pp bei allen Problemen auf gutem Weg: Durch den Verkauf des Aufzuggesc­häfts sei der Konzern wieder handlungsf­ähig geworden, nötige Restruktur­ierungen würden umgesetzt, Schulden abgebaut. Der Stellenabb­au komme voran: Von den avisierten 13.000 Stellen seien bereits mehr als 10.000 sozialvert­räglich abgebaut worden. Nun hat der Konzern 96.000 Mitarbeite­r. Am Freitag stellt sich Merz virtuell den Aktionären.

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